Handball:Der Türöffner

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Coburgs Kreisläufer Sebastian Weber, 33, füllt seine Position nicht nur mit Wucht aus, sondern mit viel Verstand. Gut möglich, dass er beim Zweitligisten als Aufstiegsheld abtritt.

Von Sebastian Leisgang

Im Grunde war es eine Ansage, der es gar nicht mehr bedurfte. Alle Fragen waren beantwortet, doch in diesem Augenblick war den Leuten daran gelegen, den Sieg auszukosten, ihn zu zelebrieren. Im Gefühl der Überlegenheit ist man zwar am leichtsinnigsten, doch hier, das wussten alle, selbst jene, die es nicht mit dem HSC Coburg hielten, hier konnte wirklich nichts mehr passieren.

Es liefen die letzten Minuten, das Spiel war entschieden, da richteten sich die Coburger Anhänger an die Gäste aus Rimpar. Sie riefen, obwohl es alle längst begriffen hatten: "Hier - regiert - der H - S - C!" Einmal, zweimal, dreimal. Als die Partie dann zu Ende war, stand in roten Lettern auf der Anzeigetafel: 28:20. Coburg hatte das Derby der zweiten Handball-Bundesliga auf so mitreißende Weise für sich entschieden, dass es dem Vortrag des HSC nicht gerecht werden würde, von einem Sieg zu sprechen - es war ein Triumph.

Einige Minuten später steht Sebastian Weber, 33, schwarz-gelbes Trikot, kleine Schweißperlen auf der Stirn, an der Mittellinie des Spielfeldes und spricht über die zurückliegenden 60 Minuten und die Tabelle, die Coburg auf Platz eins führt. Weber hat ein außerordentlich gutes Spiel gemacht und fünf Tore erzielt, jetzt sagt er in Bezug auf das Rennen um den Aufstieg in die Bundesliga: "Wir sind nur eine Mannschaft von vielen, aber eine, die enorme Qualität hat und sich noch entwickeln kann."

Weber ist seit dreieinhalb Jahren in Coburg. Er ist nur ein Spieler von vielen, aber einer, der zu den führenden Köpfen der Mannschaft zählt und auch deshalb eine zentrale Figur ist, weil er das Spiel versteht wie vielleicht kein anderer. "Er bringt seine Cleverness ein, die er sich über die Jahre angeeignet hat", lobt Jan Gorr, sein Trainer. Gorr hat schon im Nachwuchs der HSG Wetzlar mit Weber zusammengearbeitet, er schätzt ihn vor allem für seine Professionalität, seinen Arbeitseifer, sein Gespür für die Mannschaft.

Wer Weber gegenübersteht, erkennt zwar, dass er robuster ist, als es aus der Ferne scheint; wer aber sieht, wie er versucht, mit seinem Körper gegen den Innenblock einer Deckung anzukommen, der merkt, dass Weber im Gegensatz zu vielen Kollegen seines Berufsfeldes eher keine Abrissbirne ist. Weber ist zwar Kreisläufer, doch er will nicht mit dem Kopf durch die Wand - er sucht die Tür, öffnet sie und geht hindurch. Auch deshalb ist Weber so etwas wie Gorrs verlängerter Arm. Gemeinsam verfolgen die beiden ein Ziel: den HSC zurück in die Bundesliga zu führen. "Die Heimstärke", sagt Weber auf dem Spielfeld der Coburger Halle, "ist die Basis dafür, dass man oben mitspielt. Jetzt müssen wir uns auswärts stabilisieren." Auch das gehört ja zu dieser Saison der Oberfranken: dass die Mannschaft ihre Gegner, siehe Rimpar, zu Hause mit der Zuverlässigkeit eines Automaten aus der Halle fegt, auswärts aber stets für eine Niederlage zu haben ist. Gorr will das zwar nicht zu hoch hängen, doch er weiß: "Wenn wir wirklich vorne landen wollen, dann muss es uns gelingen, unsere Leistung auch auswärts zu zeigen."

Sein Team hat zu Hause noch keinen einzigen Punkt abgegeben, auswärts hingegen vier seiner sieben Spiele verloren. Gorr sagt dazu: "Wir müssen nicht aus der Stärke auf der einen Seite eine Schwäche auf der anderen ableiten." Es sei "beeindruckend, mit welcher Energie und mit welcher Geschwindigkeit" seine Mannschaft vor eigenem Publikum spiele, aber: "Du kriegst auswärts viel mehr Gegenwind, viel mehr Stress, da müssen deine Sachen unter viel mehr Druck funktionieren - und da sind wir noch zu schlampig, zu fahrig."

Und doch: Zwei Spiele vor der Winterpause steht Coburg auf Rang eins. Es ist also durchaus möglich, dass Weber in ein paar Monaten als Aufstiegsheld abtritt. Vor knapp drei Wochen hat Coburg verkündet, dass der Kreisläufer nach dieser Saison nicht mehr Handball spielen wird. Der kluge Kopf, er macht Schluss. Vorher will er eines aber noch erleben: auf dem Coburger Rathausbalkon stehen und den Fans zujubeln.

© SZ vom 17.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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