Handball-Bundesliga:Lieber Punkte als Respekt

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Hoffnung auf eine Rückkehr: Ob Coburgs schwedischer Linkshänder Pontus Zetterman (rechts) beim Bergischen HC mitspielen kann, klärt sich erst kurz vor Spielbeginn. (Foto: Eibner/imago)

Neun Spiele, neun Niederlagen: Der Aufsteiger HSC Coburg ist abgeschlagenes Schlusslicht in der Bundesliga.

Von Ralf Tögel

Es ist nicht selbstverständlich, in diesen Zeiten einen Zugang präsentieren zu können, daher ist die Freude bei Jan Gorr, dem Geschäftsführer des Handball-Bundesligaaufsteigers HSC Coburg, besonders groß. Zumal es sich um einen serbischen Nationalspieler handelt. Nur die Position, auf der Milos Grozdanic spielt, passt nicht optimal ins Konzept, der 25-Jährige spielt bevorzugt auf Linksaußen. Auf der rechten Rückraumseite wäre der Bedarf indes noch größer, aber für diese Stellenausschreibung fand sich kein geeigneter Kandidat. Der HSC ergriff die Gelegenheit natürlich trotzdem.

Auf Halbrechts nämlich wird Jakob Knauer noch lange fehlen, der 21-Jährige hat sich im zweiten Saisonspiel gegen Leipzig übel an der Schulter verletzt und wurde bereits operiert. Gorr erwartet Knauers Rückkehr frühestens im April. Weil in Pontus Zetterman auch der zweite Linkshänder für die rechte Rückraumposition verletzt fehlte, musste Trainer Alois Mraz im Heimspiel gegen die Füchse Berlin am Sonntag einmal mehr improvisieren. Grozdanic stand zwar erstmals im gelben Coburger Trikot auf der Platte, für die Lücke im rechten Rückraum war er aber kaum geeignet. Also übernahm Florian Billek diese Aufgabe, die er auch sehr ordentlich erledigte, doch am Ende stand ein 25:31 gegen den international engagierten Gegner.

Trainer Alois Mraz setzt auf die Effektivität von Zugang Milos Grozdanic

Der tschechische Übungsleiter erkannte dennoch ein paar positive Ansätze, zuvorderst das gelungene Debüt von Grozdanic: "Beim Siebenmeter, beim Gegenstoß und mit seiner Effektivität von Außen wird er uns sehr helfen", ist Mraz überzeugt, "da hatten wir bisher nicht die besten Werte." In der Tat brachte sich der 25-Jährige sofort ein und verwandelte vier Strafwürfe - bei vier Versuchen. Dass ein Klub wie der HSC einen Akteur von der Qualität des Serben verpflichten kann, sei nicht selbstverständlich, betont Gorr. Er habe diesen zwar schon länger auf dem Schirm gehabt, ermöglicht wurde dies aber erst durch das Engagement einiger Gönner aus dem "Kreis der Sponsoren und Gesellschafter". Diese teilten Gorrs Einschätzung, "das Team in der aktuellen Situation noch einmal personell zu unterstützen. Unser Budget hätte es nicht hergegeben." Grozdanic war in der vergangenen Saison mit Novi Sad serbischer Meister und Torschützenkönig, er sieht den Wechsel in die Bundesliga als "nächsten logischen Schritt". Dort will er sich beweisen, wie er sagt, und nach Möglichkeit beim Klassenverbleib helfen. Für den HSC war dagegen wichtig, dass Grozdanic einen langfristigen Vertrag bis 2022 unterzeichnete, so Gorr. Das klingt nicht so, als wolle der Geschäftsführer den Kampf um die Zugehörigkeit zur Beletage vorzeitig aufgeben: "Wir werden die Flinte nicht so schnell ins Korn werfen."

Sein sportlicher Vorarbeiter stimmt dem vorbehaltlos zu, zwar musste Mraz die neunte Niederlage im neunten Spiel zur Kenntnis nehmen, erinnerte aber: "Wir waren in der 52. Minute auf zwei Tore dran, da war alles möglich." In der Tat rückten die Coburger beim 22:24 dem klaren Favoriten recht nahe, was Gäste-Trainer Jaron Siewert "Respekt vor der Leistung der Coburger" abnötigte, "sie haben es uns 54 Minuten extrem schwer gemacht". Für Mraz war das freilich ein schwacher Trost, Coburg liegt mit 0:18 Punkten am Ende des Rankings, der Abstand zum letzten Nichtabstiegsplatz beträgt fünf Punkte. Für den Trainer ist das aber kein Grund zur Panik: "Uns fehlt noch die Konstanz über 60 Minuten", nicht nur gegen Berlin habe man mitgehalten. Er sehe eine Entwicklung im runderneuerten Kader, der seiner Ansicht nach auch "das Potenzial hat, um in der Liga zu bleiben".

29 Spieltage würden schließlich bleiben, um die gruselige Momentaufnahme zu korrigieren. Zudem waren die Gegner bis auf Nordhorn-Lingen nicht von dem Zuschnitt, der Punktgewinne zwingend voraussetzt. Was auf den Konkurrenten an diesem Donnerstagabend (19 Uhr) eher zutrifft, wenn die Oberfranken beim Bergischen HC gastieren. Mit der hoffnungsvollen Aussicht, dass sich in Zetterman und dem zuletzt ebenfalls fehlenden Drasko Nenadic, der wie der neue Kollege Grozdanic in der serbischen Auswahl notiert ist, zwei Schlüsselspieler gesund zurückmelden.

Gerade rechtzeitig also, um "fit für die Zielgerade zu sein", wie es Gorr umschreibt. Damit meint er jene Konkurrenten, gegen die der HSC noch bis Jahresende spielt, da sollten neben dem Nachweis der Ligatauglichkeit auch Punkte herausspringen. "Jetzt sind die Spieler gefordert", sagt Gorr, weitere Zugänge schließt er aus. Zwar haben die Coburger kürzlich die Staatshilfen genehmigt bekommen, doch bei der Frage nach den möglichen 800 000 Euro kann Gorr nur lachen: "Wir sind extrem dankbar, dass wir überhaupt etwas bekommen", betont der Geschäftsführer, "aber wenn es in den sechsstelligen Bereich geht, wäre es schön." Grundlage der Berechnung sind die Zahlen des Vorjahres, da spielte Coburg in der zweiten Liga, die Gegner waren weniger prominent, die Zuschauerzahlen entsprechend. 80 Prozent der Differenz zu den Vorjahreseinnahmen bekommt der Klub ersetzt, immerhin - aber ein Team wie die Füchse Berlin hätte die Halle in dieser Saison voll gemacht.

© SZ vom 03.12.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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