Hamburger SV:Magie des Jokers

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Hamburgs Trainer Labbadia schwärmt bereits von seiner neuen Offensivkraft Alen Halilovic, der in Jena das entscheidende Tor schoss. (Foto: Thomas Eisenhuth/Getty Images)

Der runderneuerte HSV kommt in der ersten Pokalrunde weiter. Zugang Alen Halilovic stärkt die Hoffnung, in dieser Saison nichts mit dem Abstieg zu tun zu haben.

Von JAVIER CÁCERES, Zwickau

Hamburgs Trainer Bruno Labbadia rutschte bereits auf dem Stuhl hin und her, um wie angekündigt den Saal zu verlassen, als ihn noch eine überaus breit angelegte Frage ereilte. Wo er nach dem erfolgreichen Pokalauftritt beim Drittligisten FSV Zwickau (1:0) noch Verbesserungsbedarf für seine Mannschaft sehe, wurde er gefragt, und der HSV-Coach bügelte die Frage charmant ab. Wenn er vollumfänglich antworten würde, so sagte er, "säßen wir morgen noch hier", und das wäre, angesichts der Eile, die ihn beschlich, definitiv zu lang gewesen: Der Flieger ging.

Labbadia, so viel ist gewiss, trat die Reise in die Hansestadt mit besserer Laune an als jene nach dem vorangegangenen HSV-Trip in die ostdeutsche Provinz. Vor einem Jahr hatte der zuletzt zum Abstiegsrunden-Dauergast mutierte, einst ruhmreiche HSV bei Carl Zeiss Jena in der ersten Pokalrunde verloren. Beim Drittligisten Zwickau reichte es am Montagabend zwar nur zu einem 1:0-Sieg, für einen Bundesligisten liest sich das Resultat nur mäßig souverän. Doch das täuscht. "Wir haben ein richtig gutes Spiel gemacht, und das war auch notwendig", sagte Labbadia.

In diesem Jahr kommandiert er eine beachtlich erneuerte Truppe. In Zwickau schickte er drei Zugänge aufs Feld: Mittelstürmer Bobby Wood (vormals Union Berlin), den serbischen Mittelfeldspieler Filip Kostic (VfB Stuttgart) und ein kroatisches Juwel: Alen Halilovic, 20, der dem FC Barcelona gehörte, aber letzte Saison an Sporting Gijón ausgeliehen war. In Zwickau kam Halilovic nach gut einer Stunde aufs Feld, doch das reichte, um die rund 10 000 Zuschauer im neuen Zwickauer Stadion mit seiner "Magie" (Kostic) zu blenden.

Knapp 28 Millionen Euro hat der HSV in diesem Sommer für neue Spieler ausgegeben

Knappe acht Minuten stand Halilovic auf dem Platz, als er mit Unterstützung des defensiven Mittelfeldspielers Gideon Jung an der Mittelfeldlinie die Chance auf die Balleroberung witterte, einem Zwickauer den Ball abjagte und mit kleinen, schnellen Schritten gen gegnerisches Tor zog. Dann zirkelte Halilovic vom Strafraumrand den Ball mit Effet an den linken Pfosten - unerreichbar für den brillanten Zwickauer Torwart Johannes Brinkies.

Knapp 28 Millionen Euro hat der HSV in diesem Sommer für neue Spieler ausgegeben, dank der Millionen des Speditionsunternehmers Klaus-Michael Kühne. Er ist so etwas wie Hamburgs "aficionado máximo" und hat, wie es bei Dingen, die von Leidenschaft und weniger von Ratio getragen sind, auch sehr viel Geld versenkt. Zum Beispiel: Bei der Rückholaktion von Rafael van der Vaart, dessen Rückennummer 23 nun Halilovic aufträgt. Bei Halilovic, so scheint es, hat er das Geld besser angelegt, angeblich 5,5 Millionen Euro.

Der Mittelfeldspieler, der es überraschend nicht in den kroatischen EM-Kader geschafft hatte, ist einer dieser Fußballer, die das Publikum zum erwartungsvollem Schweigen bringen, wenn sie den Ball erhalten. Auch nach 36 von 38 Erstligaspielen für Sporting gilt Halilovic als noch unbeständig, in Zwickau aber ließ er deutlich erkennen, warum sich Barça eine Rückkaufoption sicherte. Und das, obwohl ihn Labbadia nicht auf seiner Wunschposition brachte. Gegen Zwickau musste Halilovic rechts spielen, doch es zog ihn instinktiv zentral hinter die Spitzen.

In sozialen Netzwerken gibt es die Kampagne #AlenAufDieZehn

Vor ein paar Wochen hatte Halilovic nach einem Testspiel erklärt, dass er sich auf der Zehner-Position sieht, als Spielmacher. Davon wollte Halilovic in Zwickau nichts wissen: "Ich kann überall spielen." Labbadia, der sich in sozialen Netzwerken unter dem Hashtag #AlenAufDieZehn einer Kampagne der HSV-Fans gegenübersieht, gab sich ähnlich konziliant: "Er kann auf allen drei Positionen hinter den Spitzen spielen." Labbadia hat dem Kroaten vermittelt, dass er ihn behutsam einbauen will, er ist erst später ins Training eingestiegen als die Kollegen und soll Joker spielen. "Alen hat klasse Anlagen. Wir sind froh, dass wir ihn für uns gewonnen haben."

Diese Freude gilt auch für die neuen Spielkameraden des Mittelfeldspielers, der bei Dinamo Zagreb ausgebildet wurde und dort mit 16 Jahren in der ersten Mannschaft debütierte, ehe er mit dem Ruf des Messis von der Adria nach Barcelona weiterzog. Nicolai Müller, der für Halilovic weichen musste, schwärmte von der "brutalen Qualität" Halilovics, "so kennen wir ihn aus dem Training". Sie ist dazu angetan, zu vermuten, dass der HSV in der kommenden Saison eher wenig mit dem Abstieg zu tun hat. "Wir haben genug Qualität für eine gute Saison", sagte Abwehrchef Johan Djourou.

© SZ vom 24.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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