Hamburg:Liebesschwüre in der Nacht

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Matchwinner: Pierre-Michel Lasogga stellt in Paderborn einen Hamburger Klubrekord ein. (Foto: Friso Gentsch/dpa)

Pierre-Michel Lasogga sichert dem Hamburger SV durch seine beiden Treffer die Teilnahme am Pokal-Halbfinale. Doch der Verbleib des Mittelstürmers über das Saisonende ist nicht garantiert.

Von Ulrich Hartmann, Paderborn

"Dein Name ist Musik in unsern Ooohrn", singen die Fans eines Fußballvereins, der sich darauf zum Glück dann auch exklusiv reimt: "SC Paderbooorn." Der Klub aus Ostwestfalen mischt in dieser Saison die Zweite Liga auf und spielte zum zweiten Mal nacheinander im Viertelfinale des DFB-Pokals. Aber je höher es im deutschen Fußball hinausgeht, desto teurer wird die Musik. "Die haben 28 Millionen Etat!", zischte Paderborns Sportdirektor Markus Krösche am Dienstagabend in den Katakomben der Paderborner Arena. Es sollte eine Rechtfertigung sein, denn es sei nicht verwunderlich, dass der Hamburger SV die Viertelfinalpartie gegen seine mit nur zwei Dritteln dieses Etats gesegneten Paderborner souverän 2:0 (0:0) gewonnen hat.

Trotz ihres respektablen Haushalts sind die Hamburger aber froh, dass ihnen der Einzug ins Halbfinale nun eine Prämie von 2,66 Millionen Euro in die Kasse spült. Das Geld können sie gut gebrauchen bei der bevorstehenden Rückkehr in die Bundesliga. Vielleicht hilft die Subvention sogar, den auslaufenden Vertrag des Stürmers Pierre-Michel Lasogga zu verlängern. Er hat in Paderborn beide HSV-Treffer erzielt.

Als habe es nach diesem Abend noch eines Treueschwures bedurft, sagte Lasogga: "Ich hänge an diesem Verein." Zwei Pokaltore hatte er in der ersten Runde zum 5:3-Sieg beim TuS Erndtebrück beigetragen, zwei weitere in der zweiten Runde zum 3:0-Sieg beim SV Wehen Wiesbaden. Den vereinsinternen Pokal-Saisonrekord von Ivica Olic (sechs Tore, 2009) hat er nun egalisiert. In der Zweiten Liga hat er in 21 Spielen zudem 13 Tore erzielt. Ohne Lasogga stände der HSV vielleicht nicht vor dem Wiederaufstieg, ohne Lasogga stände er womöglich nicht erstmals seit 2009 wieder im Pokal-Halbfinale - und trotzdem steht der HSV am Saisonende vielleicht ohne Lasogga da, denn in den bisherigen Gesprächen gab es offenbar nur eine dünne gemeinsame Basis für eine Verlängerung. Sollte es wirklich nur um finanzielle Faktoren gehen, gab es in Paderborn einen millionenschweren Hoffnungsschimmer. Es geht aber vielleicht auch um Gefühle. Lasogga nennt seinen HSV überschwänglich einen "verdammt geilen Klub".

Kyriakos Papadopoulos beeindruckt bei seinem Saisondebüt

Sein Gehalt liegt dem Vernehmen nach bei knapp dreieinhalb Millionen Euro. Künftig soll es aber offenbar auf zwei Millionen Euro gestutzt werden. Lasogga müsste Einbußen hinnehmen - trotz eines möglichen Aufstiegs. Derweil wird er mit jedem Tor interessanter für andere Klubs. Außerdem wäre er im Sommer ablösefrei, was ihm bei einem Wechsel ein branchenübliches Handgeld einbringen könnte. Es wird sich also zeigen müssen, wie "verdammt geil" er den HSV wirklich findet oder ob die Liebe beim Geld abklingt. Momentan hört sich Lasogga noch recht verknallt an: "Selbst mit dem HSV als Bundesligist bin ich im Pokal nie so weit gekommen", sagte er freudestrahlend, "es ist mein erstes Halbfinale - wunderbar!"

Aber der Stürmer hatte auch die nötigen Komplimente parat für einen Mitspieler, der am anderen Endes des Feldes dafür sorgte, dass der HSV in Paderborn souverän gewann: Kyriakos Papadopoulos. Der 27 Jahre alte Grieche feierte sein Saisondebüt und beeindruckte 90 Minuten lang. Im vergangenen Sommer war bei ihm ein Knorpelschaden diagnostiziert worden. "Phantastisch, wie er sich in jeden Ball hineingeworfen hat und wie er auch offensiv Qualität hineinbringt mit seinem Eisenschädel", lobte Lasogga. In diesem Eisenschädel steckte am Dienstagabend ein weicher und extrem emotionaler Kern: "Es ist super", sagte Papadopoulos, "ich fühle mich richtig gut nach elf Monaten Pause." Tatsächlich hatte er sein zuvor letztes Pflichtspiel am 12. Mai 2018 gegen Mönchengladbach bestritten. Nach fast einem Jahr Reha nun die ungewisse Rückkehr: "Der Trainer hat mir gesagt: Papa, wenn du was spürst, sag schnell Bescheid! - aber es war alles gut."

Der Coach Hannes Wolf hatte verständlicherweise ein kritisches Auge auf seinen Rückkehrer, "aber Papa wollte nicht raus, und ich wollte ihn auch nicht zwingen", berichtete Wolf hernach grinsend. Und so wurde es in vielfacher Hinsicht ein schöner Abend für die leidgeprüften Spieler vom HSV. 1987 war der Klub letztmals im Finale, gewann damals 3:1 gegen den Zweitligisten Stuttgarter Kickers und feierte seinen bis heute letzten Titel. Ernst Happel war seinerzeit Trainer, Uli Stein Torwart, Manfred Kaltz einer der Führungsspieler. 32 Jahre ist das her, eine halbe Ewigkeit. Ob sie beim HSV diesmal wieder dran glauben? Trainer Wolf setzt beim Träumen jedenfalls auch auf seinen Pokalspezialisten Lasogga: "Wenn er noch zwei Doppelpacks schafft...". Dann, vielleicht, haben sie in Hamburg über den möglichen Wiederaufstieg hinaus sogar noch mehr zu bejubeln in dieser Saison.

© SZ vom 04.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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