Hamburg Open:Worte und Bälle

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Finale erreicht, Finale verloren: Für Andrea Petkovic überwogen in Hamburg trotzdem bei weitem die positiven Aspekte. (Foto: Axel Heimken/dpa)

Andrea Petkovic vergibt bei den Hamburg Open die Chance auf ihren ersten Turniererfolg seit sechs Jahren. Über den letzten Punkt im ersten Satz allerdings regt sich die 33-Jährige auf - weil der Schiedsrichter den Linienrichter zu ihren Ungunsten überstimmt.

Von Thomas Hürner, Hamburg

An Tradition mangelt es ihm nicht, dem Tennis-Areal am Hamburger Rothenbaum. Im hanseatischen Volksmund ist häufig von der "Wiege des weißen Sports" die Rede, wenn sich ein Gespräch um das altehrwürdige Turnier dreht, das 1892 aus der Taufe gehoben wurde und seither als einer der wichtigsten Termine im deutschen Tenniskalender gilt. Zuletzt haftete der Veranstaltung jedoch ein Makel an: 19 Jahre lang wurde keine schlägerschwingende Frau auf dem roten Sand gesichtet, weil der Deutsche Tennis-Bund (DTB) die Lizenz damals in die USA verkaufte.

Im Jahr 2021 war sie nun endlich zurück, die Lizenz, und mit ihr eine Spielerin, die auch schon beim bis dahin letzten Frauenturnier am Rothenbaum als 14-jährige Wild-Card-Inhaberin dabei war: Andrea Petkovic, mittlerweile 33. Damals, im Jahr 2002, war sie altersbedingt mit ihren Eltern angereist, die bei ihrem einzigen Match von der Tribüne aus beobachtet hatten, wie das Auto der Familie abgeschleppt wurde. Mama und Papa Petkovic mussten umgehend zum Verwahrparkplatz, um das Auto auszulösen, und verpassten deshalb die Partie von Tochter Andrea.

Dieses Mal hätte man für etwaige Vorkommnisse sicher eine andere Lösung gefunden, die frühere Top-Ten-Spielerin Petkovic war als Turnierbotschafterin so etwas wie das Gesicht der Hamburg Open. Auch deshalb dürfte es den Veranstaltern sehr recht gewesen sein, dass sie am Sonntag auch als Protagonistin auf dem Center-Court zugegen war: im Finale gegen die Nummer 198 der Weltrangliste, Elena-Gabriela Ruse, 23.

"Eine absolute Fehlentscheidung", sagte Petkovic über die Schlüsselszene der Partie

Die Qualifikantin aus Rumänien hatte sich am Vortag im Halbfinale gegen die topgesetzte Dajana Jastremska durchgesetzt - und zeigte auch gegen Petkovic eine variantenreiche und temporeiche Partie, die ihr verdientermaßen ihren ersten WTA-Turniererfolg ihrer Karriere einbrachte: Ruse gewann 7:6 (6), 6:4 und gesellte sich damit zu illustren Namen wie Steffi Graf oder Venus Williams, die am Hamburger Rothenbaum bereits die Siegertrophäe in die Luft hieven durften. "Ich wollte mein bestes Tennis spielen", sagte Ruse hinterher: "Und was soll ich sagen? Das habe ich geschafft!"

Während der Turnierwoche hatten Petkovic und Ruse gemeinsam trainiert, sie kannten also die Stärken und Schwächen der Kontrahentin und hatten nach dem Match ausschließlich lobende Worte füreinander übrig. Einmal aber wurde es hitzig, nach der mutmaßlichen Schlüsselszene der Partie: Die beiden Finalistinnen hatten sich ein ebenbürtiges Duell geliefert, jegliche Vorsprünge konnten pariert werden, Petkovic hatte beim Stand von 6:5 gleich mehrere Satzbälle vergeben. Beim letzten Ballwechsel im ersten Satz, die Partie war bereits in den Tiebreak gegangen, sprach der Schiedsrichter dann Ruse den letzten Punkt zu und überstimmte damit den Linienrichter. Petkovic war wütend, schimpfte vor sich hin, maulte den Schiedsrichter an und lieferte sich ein Wortgefecht mit dem Trainer von Ruse, weshalb sogar Turnierdirektorin Sandra Reichel den Platz betrat, um beruhigend auf die Botschafterin einzuwirken.

"Ich bin der Meinung, dass das eine absolute Fehlentscheidung war", sagte Petkovic hernach, inzwischen aber wieder mit einem Lächeln. Entrüstung war ihr nicht mehr anzumerken, obwohl sie die Chance auf ihren ersten Turniererfolg seit sechs Jahren verpasst hatte. Andererseits: Was blieb ihr auch anderes übrig? "Normalerweise würde ich nach einem solchen Turnier jetzt nach Hause fahren", sagte Petkovic, "aber nun habt ihr mich beim Herrenturnier in Hamburg als Botschafterin auch noch an der Backe."

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