Hamburg Freezers in den Play-Offs:Vor 10.000 Fans in weißen Hemdchen

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Jahrelang waren die Hamburg Freezers das Sorgenkind ihrer Stadt: Weil der Eishockey-Klub stets die Play-Offs verpasste. Und kaum noch jemand hin ging. Erstmals seit drei Jahren haben die Freezers nun wieder die K.o.-Runde erreicht - was dem Klub fast vergessene Sympathien zuspült.

Carsten Eberts, Hamburg

"In Hamburg sagt man Schieß'", prangt es auf Plakatwänden an einigen Stellen in der Stadt, was ein zumindest halbwegs gelungenes Wortspiel zum alten Siebziger-Jahre-Hit von Heidi Kabel darstellt. Kabel besingt, wie der Hamburger zum Abschied gerne "Tschüß" sagt statt "Auf Wiedersehen" oder anderer, noch steiferer Floskeln. Nun jedoch, über vierzig Jahre später, ist Play-Off-Zeit in der Hansestadt. Und da sagt man eben "Schieß'" statt "Tschüß".

Duell um den Einzug ins Halbfinale: die Hamburg Freezers (in Weiß) gegen die Adler Mannheim. (Foto: N/A)

Erstmals seit 2009 haben sich die Hamburg Freezers wieder für die Playoffs der Deutschen Eishockey Liga (DEL) qualifiziert - und was in Hamburg geschieht, ist schon verwunderlich. In den vergangenen Jahren waren die Freezers das große Sorgenkind der Sportstadt, in der Zuschauergunst abgeschlagen hinter den Fußballern und Handballer, dazu erfolglos, satt, geradezu unbeliebt. Plötzlich fiebert die Stadt wieder mit ihren Eishockey-Recken - zum ersten Heimspiel der Serie gegen die Adler Mannheim am Freitagabend (19.30 Uhr, O2 World) werden mehr als 10.000 Menschen in die Arena kommen.

Daran ändert auch die Niederlage zum Start des Viertelfinals nichts. Eine enge Serie (Best-of-Seven) hatten viele dem Duell zwischen dem vielfachen Ex-Meister Mannheim und den Hamburgern prophezeit - da war das 0:4 am Mittwochabend in Mannheim zumindest eine kleine Überraschung. Am Anfang hielten die Freezers noch mit, dann agierten die Mannheimer körperlich robuster; die Hamburger legten ebenfalls zu, jedoch nur in der Anzahl ihrer individuellen Fehler. So gewannen die Adler locker.

Doch die Hamburger? Fangen nicht an panisch zu werden, wie vielleicht noch in den Jahren zuvor. "Warum sollten wir am Boden sein?", fragte etwa Trainer Benoît Laporte selbstbewusst, "es war ein Spiel von sieben möglichen." Auch Sportdirektor Stéphane Richer sagt: "Mannheim hat den ersten Kampf gewonnen, aber unser Fokus liegt längst auf Spiel zwei." Am Freitagabend, so eine Botschaft, beginnt die Playoff-Serie aus Hamburger Sicht einfach von null.

Die Freezers haben schwere Zeiten hinter sich. Ganz am Anfang, als die alten Rechte der München Barons 2002 nach Hamburg transferiert wurden, war die Euphorie noch groß. Gleich in ihrer ersten Spielzeit erreichten die Freezers das Viertelfinale, in der Saison 2003/04 sogar das Halbfinale. Zu den Heimspielen kamen manchmal mehr als 12.000 Zuschauer. Vor den Halbfinalspielen gegen Frankfurt (die Freezers verloren die Serie knapp 2:3) campierten Fans vor den Kartenhäuschen.

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Danach ging es bergab. Erst langsam, dann steil. Statt sich weiter an der Spitze der Liga festzuspielen, schafften die Freezers fünfmal in Serie lediglich den Einzug ins Viertelfinale, in der Saison 2009/10 dann der Absturz: nur Platz 14, das Aus in der Hauptrunde. Der Zuschauerschnitt sackte auf unter 7000, der Schnitt der Handballer, die in derselben Halle spielen, stieg auf mehr als 10.000. Die Freezers wurden einfach überholt.

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Es brauchte so etwas wie einen Neustart, um das Hamburger Eishockeyprojekt zu retten. Der gelang, wenn auch erst im zweiten Versuch. Nachdem der erste Radikalaustausch der Mannschaft 2009 noch zu heftig ausfiel, passt das Team in dieser Saison viel besser zusammen: Die Freezers haben einige junge deutsche Spieler, dazu gestandene NHL-Größen wie Kapitän Christoph Schubert oder Serge Aubin, mit John Curry zudem einen der besten Torhüter der Liga.

"Der Spaß am Eishockey ist in Hamburg zurück", sagt Geschäftsführer Michael Pfad, der seit 2009 im Amt ist. Auch der Vertrag von Trainer Laporte, der von der Seite ein wenig aussieht wie der Bremer Fußballgrantler Thomas Schaaf, dürfte im Sommer verlängert werden.

Das neue Gefühl der Freezers lässt sich auch in Zahlen ausdrücken. Die Freezers können in dieser Saison auf den besten Zuschauerschnitt seit 2007 zurückblicken. Mit durchschnittlich 9221 Zuschauern pro Heimspiel liegt der Klub gar auf Platz acht im europaweiten Ranking. In Deutschland haben nur die Schwergewichte aus Mannheim, Köln und Berlin noch mehr Anhänger. Sogar die Handballer des HSV sind im stadtinternen Vergleich wieder in Reichweite.

Am Freitagabend sollen die Mannheimer spüren, wie viel dem Hamburger die Rückkehr in die Playoffs bedeutet. Vor dem Spiel wird es eine üppige Choreografie und eine Pyroshow geben, die Fans sollen allesamt in weißer Kleidung in die Arena kommen, um den Profis auf dem Eis ein spektakuläres Bild zu präsentieren. "Wir brauchen die Emotionen der Fans", sagt Trainer Laporte.

10.000 weiße Hemdchen sollen helfen, damit der neu entdeckte Hamburger Eishockey-Boom nicht gleich wieder versiegt.

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