Hängende Spitze:Skorpione am Hals

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Einseitige Begeisterung am Flughafen: Lukas Podolski wird von Anhängern des Antalya Kulübü empfangen. (Foto: Depo Photos/imago images)

Lukas Podolski wird bei seiner Ankunft am Flughafen von Antalya mit einzigartiger Begeisterung empfangen - wäre er in Köln gelandet, wäre er vermutlich unbehelligt vor die Türe gelangt - trotzdem wäre das dem Kölner Podolski vielleicht lieber gewesen.

Von Philipp Selldorf

Zu den Pflichten türkischer Fußballfans gehört es, sofort zum Flughafen zu eilen, wenn ihr Klub einen neuen Star aus dem Ausland in Empfang nimmt. Sie müssen dann dem Spieler einen Schal des Vereins um den Hals legen, wild an ihm zerren und um ihn herumtanzen, Lieder singen und anschließend Videos mit wackelnden Bildern ins Netz stellen. Der Spieler wiederum hat dies auf seiner Instagram-Seite als Ausdruck einzigartiger und authentischer Begeisterung zu würdigen. Lukas Podolski kennt solche Prozeduren schon: Aus seinem Gastspiel bei Galatasaray Istanbul vor ein paar Jahren und auch von seinem Ausflug in die Stadt Kobe, die zwar in Japan und nicht in der Türkei liegt, wo aber ebenfalls pflichtbewusste Fans anzutreffen sind, die genau Bescheid wissen, welchen europäischen Begrüßungssitten sie zu folgen haben.

Wäre Podolski am Sonntagmorgen nicht auf dem Flughafen von Antalya gelandet, wo er von Anhängern des Antalya Kulübü mit einzigartiger Begeisterung empfangen wurde, sondern auf dem Konrad-Adenauer-Flughafen in Köln-Grengel, wäre er vermutlich unbehelligt vor die Tür gelangt. Das liegt daran, dass es in Köln nichts Gewöhnlicheres gibt als einen in Grengel landenden Podolski. All die Jahre, in denen er seine Karriere im Ausland verbracht hat, in London, Mailand, Istanbul und Kobe, ist Podolski bei wirklich jeder Gelegenheit heim nach Köln geflogen. Hier betreibt er seine zahlreichen Geschäfte in Gastronomie und Handel, hier hat er seine Loge im Müngersdorfer Stadion, hier ist er zuhause, und womöglich ist das der Grund, warum Podolski gar nicht so begeistert ausgesehen hat, als ihn die begeisterten Fans in Antalya empfingen.

Dem offenbar bevorstehenden Engagement beim Klub am Mittelmeer, 16. der Süper Lig, hätte er angeblich einen Job beim FC vorgezogen, Gehaltsverzicht inklusive, so erzählen das zumindest seine Gewährsleute. Doch im Geißbockheim fand sich niemand, der ihm einen FC-Schal umhängen wollte. Im Klub schätzt man Podolski, aber man fürchtet auch seine Popularität und die Unruhe, die daraus folgen könnte. So schließt sich der 34-Jährige den Skorpionen (Antalyas Spitzname) statt den Geißböcken an, aber ein Wiedersehen in Köln ist garantiert. In Müngersdorf und Grengel und sicher auch am Geißbockheim, wo Podolski eines Tages als Präsident regieren könnte. Die FC-Fans wären garantiert begeistert.

© SZ vom 20.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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