Hängende Spitze:Alte Vereine brauchen junge Millionäre

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(Foto: N/A)

Wie die Hyperinflation die Jobwahl nach der Karriere beeinflusst.

Von Philipp Selldorf

Es wird viel über den demografischen Wandel in Deutschland gesprochen. Was aber immer vergessen wird: Nicht nur die Zahl der alten Menschen nimmt erheblich zu, sondern auch der Bestand der jungen Millionäre. Durch die Hyperinflation im Profifußball werden manche Spieler bereits Multimillionäre, wenn sie den ersten Arbeitsvertrag unterzeichnen. Selbst die Hinterbänkler von Provinzvereinen werden so gut bezahlt, dass sie schon lange vor dem 30. Lebensjahr gemachte Leute sind. Solange sie mit Fußballspielen beschäftigt sind, ist das im Prinzip kein Problem, doch die Aufenthaltsdauer im Leistungssport ist naturgemäß endlich, und dann sehen sich die Betroffenen in ein Leben entlassen, das ihnen den gewohnten Rhythmus vorenthält: Es gibt keine Trainings-, Ernährungs- und Spielpläne mehr, die ihr Dasein strukturieren. Es gibt aber auch nicht die Notwendigkeit, Geld zu verdienen.

Während Fußballer früher nach Beendigung der Karriere ein Schreibwarengeschäft eröffneten oder eine Anstellung als Einzelhandelskaufmann annahmen, sehen sich ihre erwerbswilligen Nachfahren im 21. Jahrhundert einer deutlich komplizierteren Arbeitswelt gegenüber. Die heutzutage üblichen Investments in Start-ups sind auch bloß ein Zeitvertreib. Viele versuchen deshalb, ihr Leben im Fußball fortzusetzen. Sie werden Trainer, Manager, Spielerberater, Fernsehexperten. Doch auch hier sind die Kapazitäten begrenzt, selbst im wuchernden TV-Markt, der wichtigsten Zuflucht für Ehemalige - zumal dort einige der etablierten Experten entweder sehr viel Platz am Tisch beanspruchen (Reiner Calmund) oder sehr viel Sende- und Redezeit (Lothar Matthäus). Welche Falle das Fernsehstudio ist, sieht man an Oliver Kahn, der im ZDF so lange schon vergeblich den FC Bayern umwirbt.

Nun hat Marcell Jansen, 33, durch die wohltätige Übernahme des Präsidentenamts beim Hamburger SV ein Beispiel für die Kollegen gegeben. Viele Traditionsvereine benötigen solvente und motivierte Unterstützung, hier öffnet sich ein Betätigungsfeld für Ex-Profis, die sich die Sinnfrage stellen. In einem Misereor des Fußballs könnten vormalige Spieler investieren, wovon sie mehr als genug haben: Zeit und Geld. Vorstandsarbeit in Klubs wie Kickers Offenbach oder Wuppertaler SV garantiert Abenteuer, Action und Erfüllung. Junge Millionäre helfen alten Vereinen - auch so ließe sich der Generationenvertrag einlösen.

© SZ vom 21.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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