Großer Preis von Belgien:Massa wird zum Sieger erklärt

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Wegen einer Abkürzung bei einem Überholmanöver hat Hamilton eine Zeitstrafe erhalten - und den Sieg verloren. Ein Deutscher profitiert von dieser Entscheidung, Hamiltons Rennstall kritisiert sie.

R. Hofmann

Nicht Fahrkönnen, nicht Mut, nicht taktisches Geschick bestimmten den Sieger des 53.Großen Preises von Belgien. Den Champion des 41. Formel-1-Rennens, das in Spa-Francorchamps ausgetragen wurde, bestimmten Nicholas Deschaux, Surinder Thatthi und Yves Bacquelaine.

Zu früh gejubelt: McLaren-Pilot Lewis Hamilton bekam den Sieg aberkannt. (Foto: Foto: AFP)

Wäre es danach gegangen, wer an diesem Schauer-überzogenen Sonntagnachmittag in den Ardennen der Schnellste gewesen war, hätte McLaren-Fahrer Lewis Hamilton gewonnen und damit seinen Vorsprung in der WM-Wertung vor Ferrari-Fahrer Felipe Massa um zwei Punkte auf acht ausgebaut.

Gut zwei Stunden nachdem Hamilton vor Massa und BMW-Pilot Nick Heidfeld an der Zielflagge vorbeigeeilt war, veröffentlichte das Verkehrsgericht aber ein anderslautendes Verdikt: The winner is - Massa! McLaren-Mercedes-Mann Lewis Hamilton wurde mit einem Zeitaufschlag von 25 Sekunden bestraft, weil er bei einem Überholmanöver in der vorletzten Runde gegen Ferrari-Mann Kimi Räikkönen in der Schikane vor der Zielgeraden abgekürzt hatte.

Nach der Aktion war Hamilton kurz vom Gas gegangen, hatte sechs km/h verloren und ließ Räikkönen - wie es die Regeln vorschreiben -, wieder vorbei. Allerdings ließ der Brite den Finnen nur so weit enteilen, dass sich ihm in der nächsten Kurve erneut eine Überholchance bot, die er nutzte. Siegentscheidend war die Szene nicht, denn Räikkönens Rennen endete wenige hundert Meter weiter, als der Titelverteidiger mit seinem F2008 genannten Dienstwagen auf der nassen Piste ins Schleudern kam und gegen die Streckenbegrenzung krachte.

Ferrari legte keinen Protest ein. Die drei Rennkommissare nahmen selbständig Ermittlungen auf und kamen zu dem Schluss, der WM-Führende Hamilton habe gegen Artikel 30.3(a) der Sporting Regulations und Anhang L, Kapitel 4, Artikel 2(g) des International Sporting Code verstoßen. Ihr Spruch sorgte dafür, dass Massa nachträglich zum Sieger ausgerufen wurde und Hamilton auf Platz drei abrutschte. Zum Großen Preis von Italien am kommenden Sonntag nach Monza geht es nun mit dem Punktestand: Hamilton 76 Zähler, Massa 74.

Wieder einmal Extra-Spannung

Auf wundersame Weise haben die Gesandten des Automobilweltverbandes Fia damit vor dem 13. der 18 Saisonrennen wieder einmal für ein bisschen Extra-Spannung gesorgt. Ferrari-Teamchef Stefano Domenicali fand das gerecht. "Es geht darum, welchen Vorteil man aus einem Manöver zieht", kommentierte er den Urteilsspruch. Zum Kopf-an-Kopf-Rennen der beiden Teams fiel ihm ein: "Die Ereignisse heute lehren uns, dass man nicht nur bis zum Ende eines Rennens warten muss, sondern dass auch danach noch einiges passieren kann. Das zeigt, auf wie viele Faktoren es ankommt."

Die Rivalen, die in Silber antreten, sahen das erwartungsgemäß ganz anders: Sie fühlten sich des Sieges beraubt. Wieder einmal. Die Fia gilt traditionell als Ferrari-freundlich und McLaren-kritisch. Die 100-Millionen-Dollar-Strafe, die der Verband vor genau einem Jahr gegen den britischen Rennstall wegen Industriespionage verhängte, weil ein Teammitglied mehrere hundert Seiten geheimer Ferrari-Dokumente besaß, hat diesen Eindruck untermauert. Bereits bevor er als Zeuge zu den Rennkommissaren bestellt wurde, sagte Lewis Hamilton: "Wenn ich dafür bestraft werde, muss etwas faul sein. Ich habe alles getan, was nötig war."

Mercedes-Sportchef Norbert Haug sagte: "Wir verstehen die Argumentation nicht. Mit diesem Urteil haben wir nicht gerechnet. Die Aktion war nicht Sieg-entscheidend." Mercedes gehören 40 Prozent der McLaren-Anteile. Teamchef Ron Dennis, der zunächst stolz den Siegerpokal entgegengenommen hatte, kommentierte die Strafe nicht. Sein Verhältnis zu Fia-Chef Max Mosley gilt bereits seit Jahren als gespannt. Unmittelbar, nachdem das Urteil verkündet war, kündigte McLaren Einspruch an, was die Möglichkeit bringt, dass die ganze Weltmeisterschaft in diesem Jahr nicht auf der Rennstrecke entschieden wird, sondern vor einem Gericht.

Strafzettel über 10.000 Euro

Vor zwei Wochen, beim ersten Stadtrennen in Valencia, hatte nach dem Rennen zunächst ebenfalls lange Unklarheit bestanden, ob das auf der Piste ermittelte Resultat auch das endgültige sein würde. Damals prüften die Regelhüter, ob die Boxencrew von Ferrari Felipe Massa nach einem Tankstopp gefährlich nahe hinter dem Force India von Adrian Sutil zurück auf die Ideallinie geschickt hatte. Ihr Urteil: Ja. Eine empfindliche Strafe gab es für den Ferrari-Fahrer aber nicht. Es blieb bei einem Strafzettel über 10.000 Euro.

Die McLaren-Piloten wurden in diesem Jahr mehrmals härter angefasst. In Malaysia wurden Lewis Hamilton und Heikki Kovalainen in der Startaufstellung strafversetzt, weil sie in der Qualifikation BMW-Fahrer Nick Heidfeld behindert hatten. Weil er beim Rennen in Kanada einen Auffahrunfall verursachte, wurde Hamilton auch in Magny-Cours am Start zurückgestuft, Kovalainen erging es nach einem umstrittenen Manöver in der Qualifikation ähnlich.

Im Frankreich-Grand-Prix selbst wurde Hamilton von den Regelhütern eingebremst, weil er kurz neben die Strecke geraten war, als er an Sebastian Vettel vorbeiraste. Die Formel 1 wäre nicht länger die Formel 1, wenn in solchen Momenten nicht Verschwörungstheorien blühen würden.

© SZ vom 08.09.2008/ssc - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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