Grasgeflüster:Mit Hut im Finale

Lesezeit: 2 min

In Wimbledon herrscht verschärfter Statistikwahn. Wann hat es wie lange geregnet? Wer trug wann Brille? Oder Stirnband? Das alles sorgt für vergnügliche, verwirrende bis verstörende Kuriositäten. Ein Blick hinter die Kulissen.

Von Gerald Kleffmann, Wimbledon

Es gibt eine einfache Regel in Wimbledon: Wenn sich etwas nicht in einer Statistik aufbewahren lässt, existiert es nicht. Das heißt im Umkehrschluss auch, dass die Erde, hätten diese Statistiken physikalisches Gewicht, ein untergehendes Schiff wäre. Ein Ende ist nicht in Sicht. Daher ist es leider auch so, dass nicht alle dieser Informationen weitergeleitet werden können, dabei soll es ja Menschen geben, die gerne hätte, dass alles weitergeleitet wird.

Unter den Tisch fiel bislang der Fakt, dass sich der Schotte Andy Murray mit dem Einzug in sein 17. Grand-Slam-Halbfinale in der Rangliste der meisten Grand-Slam-Halbfinals auf den elften Platz verbessert hat, zusammen mit Björn Borg, aber auch nur in der Open-Ära, also seit 1968, seit es Profitennis gibt. Der Südafrikaner Kevin Anderson wiederum war der sechste Südafrikaner, der es in die Runde der letzte 16 schaffte, also nicht 2015, sondern insgesamt; vor ihm schafften das seine Landsleute Wayne Ferreira, Kevin Curren (der aber später Amerikaner wurde), Bob Hewitt, Bernie Mitton und Christo Van Rensburg. Und sollte Novak Djokovic im Finale am Sonntag Roger Federer besiegen, könnte er sich darüber freuen, dass er in der Wertung der meisten Wimbledon-Siege Platz sechs allein beanspruchen würde, hinter Jimmy Connors (84:18), Roger Federer (78:9), Boris Becker (71:12), Pete Sampras (63:7), John McEnroe (59:11) und Borg (51:4). Djokovic bringt es derzeit auf 51:8.

Warum trug Herr Droby Brille?

Serena Williams traf nach ihrem Viertelfinalsieg gegen Schwester Venus im Halbfinale auf Maria Scharapowa. Dem Filterprozess ist es geschuldet, dass bezüglich Serena Williams die folgende Auflistung der Frauentour WTA verschütt gegangen ist: "Verbesserte sich mit R16 Niederlage von V.Williams auf 16-11 gegen Schwester (9-5 bei Slams); war erstes Treffen bei Grand Slam seit Wimbledonfinale 2009, gewonnen von Serena. Von den ersten 14 Siegen über Venus acht in Finals. Bei Serenas sechs Siegen über Venus in Nicht-Finals, gewann sie danach fünfmal die Titel (Ausnahme Niederlage gegen Asarenka 2009 Miami)." Wer dies wissen wollte, weiß es jetzt.

Das Ungute ist, dass diese 129. Championships am Sonntag zu Ende gehen. Das Gute ist, dass es das "2015 Wimbledon Compendium" gibt, in dem nur die Sternzeichen aller Grashalme auf den Rasenplätzen fehlen. Der Rest ist hinterlegt. 1898 spielte Miss C.R. Cooper mit einem Slazenger-Schläger, R. Savitt benutzte 1951 ein Spalding-Racket. Mit Stirnband, Kappe oder Hut im Einzelfinale traten an: 1914 N.E. Brookes. 1946 Miss P.M. Betz. Dagegen eine Brille trug J. Drobny aus Ägypten, was absolut nach einer interessanten Geschichte klingt. Falls jemand geklärt haben will, welche Verlierer Brillen trugen - auf Seite 479 steht alles.

Miss J.C. Fry aus GBR erreichte wiederum 1927 als Ungesetzte das Halbfinale, wie 1958 Miss F.A.M Mortimer aus GBR und 1983 Miss Y. Vermaak aus RSA. Zum Wetter existieren folgende Angaben: "1933 - Ideales, aber heißes Wetter." - "1952 - Nach acht extrem heißen Tagen, wurde die Hitze am Mittwoch von leichtem Regen unterbrochen, gefolgt von einem komplett verregneten Tag." - "1981 - Grundsätzlich trocken, aber kalt. Am ersten Mittwoch wurden aufgrund Nieselregens nur einige Matches beendet." Die Königsmeldung unter den Wettermeldungen ist die von 1991: "Wahrscheinlich die feuchteste Woche jemals. Nach vier Tagen wurden von 240 Matches nur 52 beendet in den 9 Stunden, 15 Minuten, in denen gespielt werden konnte. Der Montag fiel ganz aus. 28 Matches wurden am Dienstag in 4 Stunden, 25 Minuten gespielt, 18 Matches in 2 Stunden, 50 Minuten am Freitag und 6 Matches in 2 Stunden am Donnerstag." Das musste mal festgehalten werden.

Mehr dann im kommenden Jahr, wenn das "2016 Wimbledon Compendium" erscheint. Geht ja immer weiter.

© SZ vom 12.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Fashion in Wimbledon
:Schwarzer BH? No!

So streng wie in Wimbledon sind die Kleider-Vorschriften nirgends sonst: Alles muss weiß sein, auch die Unterwäsche. Wer trotzdem auffallen will, fragt am besten Venus Williams oder Genie Bouchard.

Jetzt entdecken

Gutscheine: