Grand Prix von Singapur:Die leuchtende Schlange

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Das Nachtrennen von Singapur ist eine Attraktion. (Foto: Getty Images)
  • Seit zehn Jahren gibt es nun schon Nachtrennen in Singapur.
  • Das ist auch deshalb eine Erfolgsgeschichte geworden, weil das Event weniger exaltiert daherkommt wie in Moncao.
  • Hier geht es zu den Ergebnissen in der Formel 1.

Von Elmar Brümmer, Singapur

Die Nacht erzählt die besten Geschichten, warum soll das in der Formel 1 anders sein? In der Natur dieser Sportart liegt es doch, die Dinge zu beschleunigen, meistens sogar auf die Spitze zu treiben. Deshalb haben sie sich von Anfang an gut verstanden, die Stadt des Meerlöwen und die Königsklasse. Beide verfolgen ein ähnliches "storytelling" - in dem es um Tempo, Triumph und viel Geld geht. So wurde 2008 der erste Nacht-Grand-Prix der Geschichte Wirklichkeit. Zum zehnten Mal wird heute ein Großer Preis von Singapur ausgetragen, beim Jubiläumsrennen steht Sebastian Vettel im Ferrari vor den Red-Bull-Piloten Max Verstappen und Daniel Ricciardo auf der Pole-Position. Und das große Geschäft auf Gegenseitigkeit geht weiter, der Vertrag wurde gerade um vier Jahre verlängert.

Die Vorzeichen für ein großes Rennen zum Jubiläum stehen gut nach einer Qualifikation, in der Sebastian Vettel im entscheidenden Moment die Vorteile seines Ferrari SF 70H auf dem winkligen Kurs ausspielen konnte. Er distanzierte, als es darauf ankam, die favorisierten Red-Bull-Fahrer um drei Zehntel. Sein großer Gegenspieler Lewis Hamilton kam mit dem Silberpfeil sogar nur auf den fünften Rang, der Brite muss wieder um die knappe WM-Führung (drei Pünktchen Vorsprung) bangen. "Ich weiß auch nicht, wo ich die Zeit hergeholt habe, das ist unglaublich. Bis dahin war es schwierig für uns, aber plötzlich war das Auto einfach voll da, und ich konnte mit ihm machen, was ich wollte. Einfach phänomenal", sagte der Heppenheimer, als er nach seinem spontanen Dauer-Jodler im Cockpit wieder zu Atem gekommen war.

"Ferrari hat alles richtig gemacht", lobt Niki Lauda

Es ist erst seine dritte Pole-Position in dieser Saison, die 49. insgesamt - und auf dieser Piste schon die halbe Miete. Vorausgesetzt, er erwischt einen guten Start. Nach Hamiltons Runde, die 0,635 Sekunden langsamer war als die von Vettel, bilanzierte Mercedes-Teamaufsichtsrat Niki Lauda: "Ferrari hat alles richtiggemacht, und wir haben nun mal kein Auto für langsame Kurse."

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:Vettel holt sich in Singapur Pole Position vor Verstappen

Mit einem Sieg in Singapur kann der Deutsche die Führung des Gesamtklassements zurückerobern. WM-Spitzenreiter Hamilton startet am Sonntag nur von Platz fünf.

Gutes Rennen, gute Show, aber für Chase Carey, den neuen Herren der Formel 1, war die Vertragsverlängerung schon das wichtigste Ereignis des Wochenendes. Vor Jahresfrist hatte der US-Amerikaner sein Amt angetreten, unter dem Riesenrad am Marina Bay Street Circuit war er zum ersten Mal in einem Fahrerlager gewesen, damals noch an der Seite von Bernie Ecclestone. Der Manager aus der Unterhaltungsindustrie hat sich längst emanzipiert, und harte Verhandlungen ist er aus Hollywood gewohnt. Ong Beng Seng, lokaler Hoteltycoon und Rennveranstalter in Personalunion, hatte Liberty Media bei den Verhandlungen lange zappeln lassen. Warum, das erklärt Handelsminister S. Iswaran: "Wir wollten erst mal sehen, wo die neue Formel 1 hinwill."

Die Richtung liegt genau auf der Linie von Singapur: näher an die Fans, größeres Unterhaltungsangebot. Vor und nach der Qualifikation am Samstagabend spielten Ariana Grande und Duran Duran, am Sonntag treten Seal und Calvin Harris auf. Der Besuch der Top Acts ist im Formel-1-Ticketpreis inklusive. "Das, was schon gut ist, besser machen", diktiert die New Strait Times den staatlich verordneten Anspruch für künftige rasende Nachtschichten. Die Rechnung geht trotzdem auf, von Anfang an. Über 40 000 internationale Besucher lockt das Flutlicht-Spektakel jedes Jahr nach Südostasien, in Hockenheim tut man sich schon schwer, überhaupt so viele deutsche Fans für sich zu gewinnen.

Das eigentliche Geschäft, das zu den 93 Millionen Euro Umsatz bei jedem Gastspiel an der Marina Bay beiträgt, wird aber mit den VIP-Tickets gemacht. Am Finanzplatz Singapur tummeln sich praktisch alle Großunternehmen, die in Europa und Asien Geschäfte machen. Die Partys mögen vielleicht nicht ganz so exaltiert sein wie in Monte Carlo, aber die Gäste sind mindestens so vermögend. Das Etikett "Monaco in Fernost" ist daher zutreffend, nicht nur, weil die noble Amber Lounge auch gleich vom Fürstentum in den Stadtstaat exportiert wurde. So wird man zum neuen Juwel in der Krone der Formel 1.

Sportlich ist es auch aufregend genug: Es ist die Piste mit den meisten Kurven, den heftigsten Bodenwellen, den höchsten Temperaturen und den längsten Rennen. Viel Action, oft Unvorhersehbares - und dann natürlich das Flutlicht, viermal so stark wie in einem Fußballstadion. Aus der Hubschrauberkamera betrachtet sieht es so aus, als würde sich eine leuchtende Schlange durch den Stadtdschungel winden. Die Macht dieser so unwirklichen und wohl auch deshalb so faszinierenden Bilder ist der eigentliche Grund, warum das Rennen hier ausgetragen wird und die Regierung 60 Prozent der Ausgaben übernimmt. Es ist die perfekte Tourismus-Werbung für das große Luftfahrt-Drehkreuz Singapur.

Die neue Formel 1 soll zu den Menschen kommen - statt umgekehrt

Und für die Formel 1. Lediglich ein Viertel der 20 aktuellen Formel-1-Gastgeber erfüllen nach Ansicht von Vermarktungschef Sean Bratches die Standards, die Liberty Media setzen will. Nach seiner Ansicht liegt das daran, dass auf Veranstalterseite meistens keine Marketingprofis am Werk sind, sondern Autoenthusiasten oder Staatsdiener. Man werde daher die Anfragen von potenziellen Interessenten an Formel-1-Rennen genau prüfen. Angeblich haben sich 40 Austragungsorte für einen WM-Lauf beworben. Singapur ist dabei der Maßstab: Da werden für eine Woche erhebliche Teile der Innenstadt gesperrt, um die Rennwagen zu den Menschen zu bringen, statt umgekehrt.

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Doch er weiß selber, dass sich der Titelkampf in der Formel 1 mit Lewis Hamilton zuspitzt. Der Flutlicht-Grad-Prix in Singapur gerät zum Alles-oder-Nichts-Rennen.

Von Elmar Brümmer

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Allerdings geht das in einer Autokratie vermutlich auch einfacher als anderswo. Chase Carey spricht von einer Vorzeigeveranstaltung: "Mich begeistert vor allem, dass die Energie des Rennens auf die ganze Stadt übergreift." Das tut auch not, wie Professor Sharon Ng von der Nanyang Business School findet: "Wir werden zwar immer mit Effizienz assoziiert, gelten aber als weniger aufregend als andere Orte. Die Formel 1 hilft, den Spaß- und Spannungs-Quotienten zu steigern." Eine Win-win-Konstellation also, von denen die Formel 1 in den vergangenen Jahren nicht allzu viele hatte.

© SZ vom 17.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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