Grand Prix von Monaco:Der gehypteste Rookie der Formel 1

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Auf Sauber-Pilot Charles Leclerc schauen mittlerweile auch etablierte Fahrer wie Sebastian Vettel. (Foto: Benoit Tessier/Reuters)
  • Charles Leclerc gilt mit seinen erst 20 Jahren als eines der vielversprechendsten Talente der Formel-1-Szene.
  • Am Sonntag wird er zum ersten Mal bei einem Formel-1-Rennen auf seiner Heimatstrecke starten - mit dem Helmdesign seines verstorbenen Vaters.

Von Anna Dreher, Monte Carlo

Charles Leclerc hat in dieser Woche wieder zu spüren bekommen, wie sehr eine erfolgreiche Vergangenheit Erwartungen an eine ebenso erfolgreiche Zukunft weckt. Auch in der Formel 1. Er hat versucht, das nach außen hin gelassen zu nehmen. Aber dass ihn die Worte, die er auf der Pressekonferenz zu hören bekam, nicht kalt gelassen haben - das war Leclerc schon anzumerken. "Ich glaube, der Hype um ihn ist absolut gerechtfertigt", sagte Sebastian Vettel. "Wenn es um ihn keinen Hype gibt, dann verstehe ich nicht, wer sonst gehyped werden sollte. Wenn du so in den anderen Serien durchmarschierst, gehörst du hierher." Und: "Er hat seine Chancen genutzt, er hat Punkte mit einem Auto geholt, das nicht in die Punkte gehört - er macht alles, was er kann im Moment." Leclerc lächelte schüchtern, blickte zu Vettel auf und sagte leise Danke.

Der 20-jährige Sauber-Pilot steht nicht allein wegen des großen Zuspruchs des viermaligen Weltmeisters Vettel so im Fokus der Aufmerksamkeit vor dem Großen Preis von Monaco. Leclerc ist gebürtiger Monegasse, der erste in der Formel 1 seit Olivier Beretta 1994. Er ist in Monte Carlo aufgewachsen. Mehr als bei Rennsport-Millionären wie Lewis Hamilton, Valtteri Bottas oder Nico Hülkenberg - die ihren Wohnsitz weniger wegen der schönen Küstenlandschaft ins Fürstentum gelegt haben dürften - ist dieser Ort für ihn Heimat. Die Wohnung seiner Familie liegt an der Start-Ziel-Geraden des Stadtkurses, näher an der Strecke geht kaum.

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Am Sonntag wird das professionell und bodenständig auftretende Talent zum ersten Mal bei einem Formel-1-Rennen auf seiner Heimatstrecke starten. Sein jüngerer Cousin wird als Grid Kid davor neben ihm stehen, sein jüngerer Bruder fährt in der Formel 4 und wird auch unter den Zuschauern sein. Das sei das speziellste Wochenende in diesem Jahr - und wohl auch seiner bisherigen Karriere, schrieb Leclerc auf Twitter. Er sei stolz, die monegassischen Farben wieder auf das Startfeld der Formel 1 zu bringen: "Ich bin sehr aufgeregt. Ich habe auf diesen Moment gewartet, seit ich ein Kind bin", sagte er. Als Vierjähriger schaute er seinen ersten Grand Prix von Monaco live an, auf dem Balkon eines Freundes in der Nähe der ersten Kurve: "Ich habe damals davon geträumt, eines Tages ein Teil all dessen zu sein - und nun ist das endlich passiert."

Die schwierige erste Saison in der für ihn neuen Serie, wo alles größer, wichtiger und von mehr Pflichtterminen durchzogen ist, hat gut angefangen. Die ersten drei Rennen fuhr Leclerc zwar noch etwas wackelig auf den hinteren Plätzen über die Ziellinie, in Aserbaidschan aber holte er als Sechster acht Zähler und lag vor dem zweimaligen Weltmeister Fernando Alonso; in Spanien kam ein weiterer Punkt hinzu. Als jüngster Rookie ist Leclerc vor der Zieleinfahrt in Monte Carlo auf Rang 13 der WM-Wertung gelistet. Wird er auch hier Punkte holen können? "Ehrlich gesagt bin ich gerade ein bisschen durcheinander, was meine Erwartungen angeht", sagte er vor dem Rennen, bei dem sein Alfa Romeo Sauber einen hohen Anpressdruck benötige, der jedoch gerade die Schwachstelle des Autos sei. "In Barcelona hatten wir nicht so eine Art von Performance erwartet, das war eine schöne Überraschung. Hoffentlich liegen wir hier auch daneben mit unseren Erwartungen." Am Sonntag startet er von Platz 14.

Hommage an den verstorbenen Kollegen Bianchi

Dass er selbst so hohe Erwartungen weckt, liegt an den Titeln, die er auf seinem Weg in die Formel 1 in anderen Rennserien gewinnen konnte - und an der Art, wie er sie gewonnen hat: trotz schwerer Rückschläge. Mit vier Jahren fing Leclerc im Kartsport an, drei Jahre später fuhr er zum ersten Mal vor allen anderen über die Ziellinie und wurde 2013 hinter Red-Bull-Fahrer Max Verstappen WM-Zweiter. Charles' Vater Hervé Leclerc war selbst einmal Rennfahrer in der Formel 3. Der frühere Formel-1-Pilot Jules Bianchi war ein enger Freund der Familie, er begleitete die Karriere von Charles von Anfang an, wie Brüder seien sie gewesen, heißt es. Im Oktober 2014 verunglückte Bianchi beim Großen Preis von Japan schwer und erlag neun Monate später seinen Verletzungen. Ein Schock, aber Leclerc machte weiter.

Mit 16 Jahren wurde der Monegasse in das Nachwuchsprogramm von Saubers aktuellem Motorenlieferant Ferrari aufgenommen und wird inzwischen als künftiger Teamkollege Vettels gehandelt. 2016 wurde Leclerc GP3-Meister. Ein Jahr später holte er als bisher jüngster Pilot den Titel in der Formel 2. Als Rookie war das zuletzt Nico Hülkenberg 2009 gelungen. Das Jahr seines bis dahin größten Erfolges war jedoch auch ein besonders tragisches: Im Sommer 2017 starb sein Vater nach schwerer Krankheit. Nur wenige Tage später startete Leclerc in Baku. Der Rennsport, sagte er, sei alles gewesen für seinen Vater - nicht zu fahren, sei keine Option gewesen. Leclerc fuhr auf die Pole Position und gewann.

"Was passiert ist, hat meine Perspektive auf das Leben verändert, weil ich realisiert habe, was die wirklich wichtigen Dinge sind", sagte Leclerc in einem Interview mit dem Independent. "Das hat mich als Person verändert. Aber ich möchte das Beste aus mir rausholen, um die beiden stolz zu machen." An diesem Wochenende wird Charles Leclerc mit dem Helmdesign seines Vaters starten und mit einer Hommage an ihn und Jules Bianchi auf der Ober- und Rückseite. "Es war unser Traum, eines Tages in Monaco zu fahren", schrieb Leclerc auf Twitter, "und ich bin mir ziemlich sicher, dass Jules und er von oben zuschauen."

© SZ vom 27.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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