Golfer Jordan Spieth:Bis die Haare ausfallen

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Im Rampenlicht: Jordan Spieth in Augusta (Foto: AFP)

Jordan Spieth spielt die Buchhalter der Golf-Historie schwindelig: Der 21-Jährige gewinnt das Masters in Augusta, klettert auf Rang zwei der Weltrangliste - und bricht einen Rekord nach dem anderen. Er ist das Gesicht im neuen Golfkosmos.

Von Gerald Kleffmann, Augusta /München

Putzig sah Jordan Spieth aus, als er das Häuschen namens Butler Cabin im Augusta National Golf Club betrat. Die Haare brav gekämmt, schüchterner Blick, ehrfürchtig setzte er sich auf einen der drei Stühle, die dort stehen, an jedem Sonntag im Jahr, wenn dieses berühmte Turnier zu Ende geht. Jim Nantz, der mindestens so berühmte CBS-Kommentator mit der Pastorenstimme, stellte Fragen, dann kam der Moment: Spieth erhielt das Green Jacket, das ihm Vorjahressieger Bubba Watson staatsmännisch überreichte. Etwas verloren wirkte Spieth im grünen Sakko, so luftig saß es.

Hatte er nicht vor sieben Jahren gesagt, mit 14, er wolle mal das Masters gewinnen?

Genau das hatte er, wie ein Video dokumentiert. Schon damals fiel auf, wie ernst, analytisch, realitätsbezogen dieser Texaner aus Dallas sprach. Nantz sagte später pathetisch, wie das nur Amerikaner so herrlich können, eine neue Ära habe begonnen. Großes sei geschehen. Recht hatte er. Und diese Generation trägt das freundliche, schülerhafte Gesicht von Jordan Alexander Spieth, Jahrgang 1993, aus Dallas.

Spieth bricht Rekorde

Dass der 21-Jährige, der 1,8 Millionen Dollar kassierte und auf Rang zwei der Weltrangliste hinter dem Nordiren Rory McIlroy stieg, bei seinem zweiten Start in Augusta den ersten Major-Titel holte, war keine Überraschung. Spieth zählte zu den Favoriten. Die Art des Triumphes aber überraschte. Spieth brach viele Rekorde. Kein Spieler seit 1934 führte nach zwei Runden mit 14 Schlägen unter Platzstandard (-14), keiner nach drei Runden mit -16. Niemandem gelangen 28 Birdies, niemand erreichte zwischenzeitlich eine Führung von 19 unter Par.

An den vier Tagen, an denen Spieth den eigentlich schweren Platz mit den pfeilschnellen Grüns oft beherrschte wie eine Minigolfbahn am Badesee, wurde den Buchhaltern der Historie schwindelig. Das letzte Mal, dass einer von Tag eins bis vier dominierte, wire-to-wire, wie es heißt? 1975 war das, Raymond Floyd gelang das, Jahrgang 1942. Nur eine Bestmarke brach Spieth nicht: Tiger Woods bleibt der jüngste Masters-Champion. Spieth verspätete sich um dreieinhalb Monate. Mit Woods, der als 17. bei seinem Comeback gefiel, wird er trotzdem verglichen, eine Folge ähnlicher Entwicklungsstufen. Spieth ist keine Wunderkerze, die kurz glimmt und verglüht. Darin sind sich die Experten einig. "Er sagt das Richtige, er macht das Richtige", schwärmte Profi Davis Love III, "meine Frau sagte über ihn: Er kommt einfach in den Raum, als gehöre er dazu."

Spieths Bodenständigkeit hat viele Gründe. Zum einen ist er das Siegen gewöhnt, er hat eine erfolgreiche Jugend- und Amateurkarriere hinter sich wie Woods. Zum anderen ist Spieth von einer Familiengeschichte geprägt, die maßgeblich für seine Wesenszüge verantwortlich ist. Sagt er selbst. Seine Eltern sind werteorientierte Mittelstandsarbeiter; Mutter Chris war 17 Jahre als Computerspezialistin bei einer Kaufhauskette tätig. Schwester Ellie ist "meine größte Inspiration", wie Spieth sagt, die 15-Jährige ist Autistin und erinnert ihn daran, "dass so vieles, was selbstverständlich erscheint, nicht selbstverständlich ist". Eine Stiftung hat er gegründet, die sich für Behinderte, Militär- familien und Golftalente engagiert. Spieth sagte mal, dass die Golflaufbahn eher die Basis werden solle, um etwas Gutes abseits des Platzes zu tun. Sein Horizont ist schon jetzt weit, ein gängiges Lob lautet: Er sei ein junger Spieler mit einem reifen Kopf.

Auch Martin Kaymer, immerhin selbst zweimaliger Majorsieger, in Augusta aber klar am Cut nach zwei Runden gescheitert, zeigte sich beeindruckt von Spieth, als er ihn kennen lernte. Die Art, wie dieser Beruf und Leben betrachtet, gefiel dem 30 Jahre alten Deutschen, der auch Parallelen erkannte. Tatsächlich sind es im Grunde einfache, unspektakuläre Weisheiten, die Spieth so besonders machen in einer Welt, die sehr stark vom Materiellen und dem Drang nach Aufmerksamkeit geprägt ist.

Spieth wird zwar nun zwangsweise vermögend und bekannt, "aber das war nie sein Antrieb", sagt Vater Shawn, "für ihn war es wichtig, wie ihn Familie und Freunde sehen". Spieths Aufstieg ist nicht der eines vom Ehrgeiz Getriebenen, auch drängten ihn nicht die Eltern, worin er sich von Woods unterscheidet. Spieth folgte einfach seiner Bestimmung, seiner einzigartigen Gabe, einen weißen Ball zu treffen und einzulochen. Sein Putten in Augusta war wie von einem anderen Stern.

Nie eine "Trainingsratte" gewesen

Noch heute sagt er, er sei "nie eine Trainingsratte" gewesen, er liebe es, zu spielen - "auf dem Platz gibt es neue Lagen", der Ernstfall werde realitätsnäher geübt als auf der Range, wo alles flach ist. Auch versucht er, nicht zu viel an der Technik zu tüfteln, "keep it simple", so sieht er das.

Vor einem Jahr stand Spieth schon vor dem Masters-Sieg, er führte, ehe Watson zu zaubern begann. Der Druck hatte Spieth zugesetzt. Diesmal betrachtete er Augusta, das einen vor Traditionsgehabe einschüchtern kann, "als normales Turnier". Und so zog er, wie er es sonst macht, die Kappe in die Stirn, blendete die Massen von Fans aus, spielte sein Spiel. "Er vertraute seinen Instinkten", sagte sein Caddie Michael Greller, ein früherer Mathelehrer.

Bis zum Ende wehrte Spieth nervenstark die Angriffe ab, allen voran die von Justin Rose und Phil Mickelson, die er mit vier Schlägen auf Distanz hielt. Dass Spieth dennoch die Besonderheit des Augenblicks ergriff, räumte er aber ein. Er habe nicht immer gut geschlafen: "Es war stressig. Kein Wunder, dass mir die Haare ausgehen", sagte er. Auch das sieht er einfach realistisch.

© SZ vom 14.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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