Golf:Tausend Bälle später

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Texanisches Geschenk: Jordan Spieth hält nach seinem Sieg in San Antonio seine Trophäe und die Stiefel, die dem Sieger traditionell überreicht werden. (Foto: Michael Thomas/dpa)

Jordan Spieth dominierte den Golfsport auf spektakuläre Art. Dann verlor er seinen Schwung und wurde jahrelang abgehängt. Rechtzeitig vor dem Masters ist er zurück in seiner besten Form.

Von Felix Haselsteiner, San Antonio/München

Da standen sie wieder und diskutierten. Jordan Spieth und sein Caddie Michael Greller konnten sich lange nicht einigen, welcher Schläger der richtige war auf dem 16. Loch des TPC San Antonio, ein Par 3. Spieth und Greller debattierten ausführlich. "Über rechts anspielen, passt?" fragte Spieth. "Ja, Jordan", sagte Greller. "Der Wind?" - "Nein, das wird in Ordnung sein". Pause. Spieth: "Gib mir noch einmal einen anderen Schläger". - "Sicher? Es wird die richtige Länge sein." - "Okay, Mike."

Greller sollte Recht behalten. Die Länge passte, der Wind kam nicht ins Spiel, ein paar Meter vor der Fahne landete der Ball, Spieth spielte auf dem 70. von 72 Löchern bei den Valero Texas Open ein Par. Zwei Löcher später war er zum ersten Mal seit 2017 wieder Sieger bei einem Golfturnier, was unspektakulär klingt, aber das Ende eines langen Tiefs bedeutete.

Dass er den Sieg in seinem Heimatstaat Texas als "monumental" bezeichnete, dass er seinen Caddie fest umarmte, seine Frau Annie innig küsste, das alles zeigte, wie tief das Tal war, das Spieth in den vergangenen vier Jahren durchschritten hatte. "Es war ein langer Weg mit vielen harten Tagen", sagte Spieth. Häufig sei er frustriert nach Hause gekommen, weil er nicht mehr fähig war, auf dem Niveau zu spielen, das nötig war, um Turniere zu gewinnen.

Sein Caddie war früher Mathematiklehrer

Das alles, so Spieth, hätten die Personen um ihn herum ausgeglichen. Annie, die er inmitten seiner tiefen Schaffenskrise heiratete. Sein Trainer Cameron McCormick, der Spieth seit dessen Jugend begleitet. Und Greller, der eigentlich mal Mathematiklehrer war, Spieth dann als Jugendlichen aus Spaß auf einer Amateur-Runde begleitete und seitdem über jeden einzelnen Schlag mit ihm diskutiert.

Ohne Greller, das hat Spieth immer wieder betont, wäre der Erfolg, den er in seiner Karriere hatte, nicht möglich gewesen. Anders als die meisten seiner Mitspieler sieht Spieth Golf nicht zwingend als Einzelsportart. In Interviews spricht er in der ersten Person Plural, "wir haben dort die Ruhe bewahrt", "wir haben einen Fehler begangen", kaum einer denkt auf dem Platz so sehr im Team wie Spieth.

Es ist ein unkonventioneller Ansatz, doch er führte zu einer Bilanz, die den Texaner zum erfolgreichsten jungen Golfspieler nach Tiger Woods werden ließ: 2013 wurde er noch Rookie des Jahres, 2015 war er bereits der beste Spieler der Welt und gewann das Masters, die US Open und den FedEx-Cup, die Saisonwertung der PGA Tour. Spieth gewann auch den Ryder Cup 2016 mit den USA, zehn weitere Turniere und 2017 die British Open, ihm fehlt nur noch die PGA Championship in der Reihe der vier Majors.

Spieth gewann seine Turniere jedoch nie so wie Woods, der eine Aura des Übermenschlichen, des Perfekten ausstrahlte. Woods' große Triumphe waren mystische Golf-Momente, weil niemand fassen konnte, wie einer derart fehlerlos spielte. Es war faszinierend, doch nahbar war er vor allem in der frühen Phase seiner Karriere nicht. Woods veränderte den Sport, Spieth hatte diesen Anspruch nie.

Spieth versucht gar nicht erst, seine Gefühle zurückzuhalten

Er spielte technisch unperfektes, aber immer spektakuläres Golf: Spieth schlug die Bälle weit nach rechts und links, er rettete sich oft, er dominierte selten. Die British Open gewann er 2017 trotz unglaublicher Fehlschläge in der finalen Runde, weil er mit seinem schwarzen Putter, den er seit über zehn Jahren spielt, auf den Grüns besser war als der Rest der Welt.

Spieth kann auf einem Golfplatz hadern, er versucht gar nicht erst, seine Gefühle zurückzuhalten. Den kräftezehrenden Kampf, den jeder Spieler gegen den Platz führt, sieht man den meisten nicht an. Spieth schon, etwa dann, wenn er so unsicher ist, dass er minutenlang mit Greller debattiert oder seinem Ball nach dem Schlag hinterherruft, was er in der Luft tun soll.

Lange Zeit hatte es den Anschein, als würde Spieth diesen Kampf häufiger gewinnen als verlieren, doch nach 2017 verlor er die Mittel dazu: Seine Fehler blieben die gleichen, doch sein Putter funktionierte nicht mehr so gut. Er verlor seinen kompletten Schwung.

Selbst in der schlechtesten Phase hielt er an seinem Team fest

Wenn Spieth von Tagen spricht, an denen er nicht wusste, wie es weitergehen sollte, könnte er an den August 2019 gedacht haben. Vor einem Turnier stand er auf der Übungsrange, versuchte den Schläger zu heben, schaute die Schlagfläche an, brach ab, versuchte es wieder. Eineinhalb Minuten lang ging das so, dann gab Spieth auf. "Ich brauche eintausend Bälle, bis ich das wieder in den Griff bekomme", sagte Spieth damals, so tief war die Unsicherheit.

Es wurden sogar -zigtausende Bälle und Stunden, die der heute 27-Jährige aufbringen musste, um wieder zu seiner Spielweise zurückzufinden, die nur dann funktionieren kann, wenn er sich selbst zutraut, Auswege aus schwierigen Situationen zu finden. Andere hätten ihr gesamtes Team ausgetauscht - Spieth hielt an seinen Vertrauten fest. Und Annie habe er immer wieder erklärt, er müsse diese vielen Stunden Training aufbringen, um "wieder ich selbst zu werden", verriet Spieth.

Kurz vor dem Masters scheint sein Tief wieder beendet. Das passt, denn: Spieths gesamte Karriere war eng mit Augusta verbunden: Sein sensationeller zweiter Platz 2014, mit gerade einmal 21 Jahren. Der erste Major-Sieg im Jahr darauf. Und die Blamage 2016, als er den sicheren Sieg auf den letzten Löchern vergab. Spieth, der Spektakuläre, passt nach Augusta, wo es darauf ankommt, Fehler in Kauf zu nehmen, mit dem Platz zu ringen - und mit Emotionen zu gewinnen.

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