Golf:Schluss mit Petzen

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Golfer werden ab sofort nicht mehr von jedem Fernsehzuschauer überwacht. (Foto: AFP)

Bisher konnte bei Golf-Turnieren jeder Fernsehzuschauer per Telefon Regelverstöße von einzelnen Spielern melden. Nach 30 Jahren Debatte wird diese Möglichkeit nun abgeschafft. Es ist höchste Zeit.

Kommentar von Gerald Kleffmann

Mit einem Handtuch fing es an. Craig Stadler hatte eine knifflige Lage zu lösen. Sein Ball lag bei einem Turnier in Kalifornien unter einem Baum. Der Amerikaner entschied sich fürs Niederknien und legte sich ein Handtuch zurecht, damit er "nicht wie ein Gärtner" beschmutzt weiterspielen müsse, wie er beschied. Ein TV-Zuschauer sah dies am nächsten Tag, erinnerte sich an eine Regel, die besagte, Golfer dürften sich keinen besseren Stand durch Dinge verschaffen, rief beim Turnier an - Stadler wurde disqualifiziert.

30 Jahre ist der Vorfall her, und wer ein Gefühl dafür erhalten will, wie reformwillig die Golfbranche ist, darf sich an Lexi Thompson erinnern. Die Amerikanerin führte am Schlusstag eines Majors, da wurde ihr eröffnet: Ein Zuschauer habe angerufen, Thompson habe tags zuvor einen Ball auf dem Grün nicht an exakt jene Stelle zurückgelegt, an der sie den Ball aufgehoben hatte. Die Bilder wurden überprüft. Das Urteil: zwei Strafschläge plus zwei weitere, da sie die Scorekarte der dritten Runde mit einem falschen Ergebnis unterschrieben hatte. Eine Koreanerin gewann. Thompson erntete Mitgefühl - und kann für sich wenigstens beanspruchen, dass sie es war, die jene Debatte einleitete, an deren Ende jetzt doch feststeht: Hinweise von Außenstehenden zu möglichen Regelverstößen von Golfprofis sind nicht mehr erlaubt, von 1. Januar 2018 an. Dieses Novum ist nicht nur gut. Es ist vor allem: höchste Zeit. Thompsons Schicksal ereignete sich noch im April 2017.

Statt gerechter machten Anrufer den Golfsport ungerechter

"Zuschauer daheim sollten keine Offizielle mit Streifen sein", twitterte dazu Tiger Woods, selbst mal Opfer eines Anrufers, und charakterisierte damit trefflich den einen Kritikpunkt, den sich die Golf-Regelkunde-Instanzen ankreiden lassen mussten, die R&A in Schottland sowie die USGA in den USA. Vor allem bot das 30 Jahre erlaubte Petzen theoretisch die Möglichkeit, dass auch Konkurrenten oder Beauftragte jemanden anschwärzen konnten. Den anderen Kritikpunkt implizierte die damalige Weltranglisten-Erste Lydia Ko mit den Worten: "Man muss etwas dagegen tun, dass Leute sich melden." Der Sport, so die indirekte Aufforderung, müsse allein die Bedingungen setzen, unter denen er abgehalten wird. Ansonsten, so die Schlussfolgerung, werde das maßgebliche Kriterium eines Wettkampfes konterkariert: die Vergleichbarkeit von Leistungen.

Die bisherige Anrufer-Regel etwa war vor allem deshalb so paradox, weil Zuseher zwar zu korrekten Abläufen im Golfsport beitragen wollten, ihn aber nur ungerechter machten. Sie konnten ja nur über jene Spieler im TV-Bild richten, das waren und sind meist die Besten. Die Unbekannteren fielen stets durchs Fahndungsraster, weil nie im Bild. Eine gute Nachricht indes bleibt Golf-Fans, die Freude an Überwachung haben. Bei Profiturnieren werden nun vermehrt Regelkontrolleure gesucht, die gezielt vor dem Bildschirm sitzend ihres Amtes walten. Und das offiziell im Dienste des Sportes.

© SZ vom 19.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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