Golf:Schlagkünstler mit Übersetzer

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Alles im Griff: Sungjae Im beeindruckt auf der PGA Tour. (Foto: SAM GREENWOOD/AFP)

Der junge Südkoreaner Sungjae Im sorgt auf der PGA Tour für Aufsehen.

Von Felix Haselsteiner, Ponte Vedra Beach

Vollends wohl scheint sich Sungjae Im noch nicht zu fühlen, wenn er die Aufmerksamkeit des amerikanischen Publikums zu spüren bekommt. "You rock, man!", ruft ihm ein Zuschauer mit tiefem amerikanischem Akzent zu, während Sungjae Im ihm ein Autogramm schreibt. Er nickt dabei, freundlich, aber mit einer gewissen Skepsis, dann geht er weiter, wo ein Mädchen mit einem übergroßen Golfball steht. "Thank you so much, Mister Im", sagt die Mutter des Kindes; Im nickt und lächelt erneut, dann macht er sich auf den Weg zur Driving Range. Die Tochter sieht ihre Mutter derweil fragend an: Rickie Fowler, Phil Mickelson, die bekannten Golfgrößen hatte sie ja alle erkannt. Aber wer ist dieser Mister Im?

Auch mancher im Publikum bei der Players Championship in Ponte Vedra Beach, Florida, stellt sich vor dem Turnierstart an diesem Donnerstag immer noch die Frage, wer dieser 21 Jahre alte Südkoreaner ist, der da gerade die Golfwelt aufmischt. Sungjae Im führt im FedEx-Cup, der Rangliste der PGA Tour; er liegt auf Position 23 der Weltrangliste und fand in dieser Saison bei Turnieren bereits fünfmal unter die besten Zehn. Den Durchbruch in den Kreis jener Spieler, deren Autogramme gefragt sind, schaffte Im vor zwei Wochen beim Turnier in Palm Beach Gardens, als er erstmals auf der PGA Tour gewann. Seiner Konkurrenz war jedoch schon früher klar, dass der junge Südkoreaner ein Anwärter auf Siege ist.

Justin Thomas, Nummer vier der Welt, berichtete am Dienstag von einer Runde im vergangenen Oktober, als er zum ersten Mal mit Im in einer Gruppe spielte. Im habe bei schwierigen Bedingungen perfekte, flache Schläge gegen den Wind gespielt, dann wieder hohe, mit denen er den Rückenwind ausnutzte, es sei "unglaublich" gewesen: "Ich habe noch nie einen so jungen Spieler gesehen, der so viele verschiedene Schläge beherrscht", sagte Thomas, 26, der vor ein paar Jahren auf ähnlich erstaunliche Weise seine ersten Erfolge auf der Tour geschafft hatte. "Ich habe einige Zeit gebraucht, um mich bei Turnieren in schwierigen Situationen zurechtzufinden", sagte Thomas: "Er scheint sich aber genau dann sehr wohl zu fühlen."

2017 war Sungjae Im zum ersten Mal für ein Golfturnier in die USA gereist, er qualifizierte sich damals für die Korn-Ferry-Tour, die zweite Liga im amerikanischen Golf, und gewann diese Serie im Jahr darauf. 2019 wechselte er auf die große Tour und wurde zum "Rookie des Jahres", zum besten Neuling, gewählt.

Damals wie heute reist er immer mit seinen Eltern: "Sie kümmern sich um das Hotel, die Wäsche, sie tun das alles, damit ich mich aufs Spielen konzentrieren kann", erklärte er beim Portal Golf.com. Damals wie heute braucht er für Interviews einen Übersetzer, Englisch spricht er weiterhin nicht, was zwar den Kontakt zu Medien und Fans erschwert, für sein Spiel aber keine Rolle spielt. Er sucht die Heimat in der Fremde: Wo immer möglich, geht er zum Abendessen in ein koreanisches Restaurant, seine Zeit verbringt er meist mit den anderen koreanischen Golfspielern, die mittlerweile eine beachtliche Reisegruppe bilden.

Neun Südkoreaner spielen auf der PGA Tour, nur aus England und Australien, die jeweils zwölf Profis stellen, kommen mehr. Sie alle sind das Produkt der "Tiger-Manie" der frühen 2000er-Jahre, als Tiger Woods junge Menschen aus aller Welt zum Spielen inspirierte. Einige wenige Tiger-Fans von damals haben es in die Weltelite geschafft, Sungjae Im ist einer von ihnen. Als Jugendlicher blieb er nachts wach, um Woods zuzuschauen. "Er war ein Gott für uns", sagte er einmal über Woods, der damals unter anderem gegen K.J. Choi spielte, den ersten Südkoreaner auf der PGA Tour. Choi legte mit seinen Erfolgen das Fundament für die Entwicklung des Golfsports in Südkorea; heute sind die Männer auf der PGA Tour konkurrenzfähig; die Frauen dominieren die Turniere längst: 38 der besten 100 Spielerinnen der Welt stammen aktuell aus Südkorea.

Diesen Aufschwung soll Sungjae Im bei den Männern weiterführen, am besten schon in dieser Woche bei der Players Championship. Sowohl Choi (2011) als auch Ims größter nationaler Konkurrent aus Jugendtagen, der mittlerweile 24-Jährige Si Woo Kim (2017), haben das Turnier im Tournament Players Club Sawgrass gewonnen. Doch erst Im hat die Faszination der Amerikaner, die sich im Golf normalerweise vor allem auf die heimischen Profis beschränkt, geweckt: "Es gibt scheinbar überhaupt nichts, was ihn emotional aus der Ruhe bringt", sagte am Dienstag Justin Leonard, Major-Sieger und als mehrmaliger Ryder-Cup-Spieler mit dem US-Team ein Experte für mentale Fragen auf dem Golfplatz, im Gespräch über Im.

Hat er denn gar keine Schwächen? Justin Leonard musste nachdenken: "Er ruht so in sich, dass die Zuschauer vielleicht die Emotionen vermissen werden", sagte er dann. Doch das, fügt er umgehend an, sollte Ims geringste Sorge sein: "Als Golfspieler willst du genau diese innere Ruhe. Der Junge ist erst am Anfang einer großen Karriere."

© SZ vom 12.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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