Golfer Thomas bei Players Championship:Ein Hauch der alten Leichtigkeit

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Wieder alles im Griff: Justin Thomas bejubelt einen gelungenen Putt. (Foto: John Raoux/dpa)

Justin Thomas war zu Jahresbeginn mit Homophobie-Vorwürfen konfrontiert und verlor einen wichtigen Sponsor. Jetzt gewinnt der 27-jährige Profi das prestigeträchtige Players Championship.

Von Felix Haselsteiner, Ponte Vedra Beach/München

Irgendwo zwischen dem 18. Grün und dem mächtigen Klubhaus des TPC Sawgrass, beiläufig auf einem Kamerapodest sitzend, vergrub Justin Thomas sein Gesicht in seinen Händen. Er schluchzte kurz, seine Augen waren nach dem Siegerinterview, das er soeben gegeben hatte, noch gerötet.

Golfspieler werden häufig nach Siegen von ihren Emotionen übermannt. Dann, wenn nach manchmal wochen-, manchmal jahrelanger Planung und Vorbereitung, nach vier Tagen Turnier und gut vier Stunden Spielzeit der gewaltige mentale Fokus der Entspannung weichen darf, wenn also endlich klar ist: Der Gegner, der im Golf nicht der Mitspieler, sondern der Platz ist, hat heute nicht gewonnen. Und den Platz zu besiegen, ist kaum an einem anderen Ort so schwer wie in Sawgrass, wo allein auf den Schlusslöchern der Druck zur Perfektion - man sieht den Golfplatz kaum, so viel Wasser umgibt einen - größer ist als auf den meisten Plätzen.

Justin Thomas hatte noch weitere Gründe, warum sein Sieg beim Players Championship in Ponte Vedra Beach im nördlichen Florida Tränen auslöste. Der 27-Jährige, der am Sonntag mit einem Score von 14 Schlägen unter Par gewann, hat die schwierigsten Monate seiner Karriere hinter sich. Der Justin Thomas, der am Sonntag Players Champion wurde, ist nicht unbedingt der Justin Thomas, der er zu Beginn des Jahres war.

Plötzlich musste sich Thomas mit Fragen nach seinem Charakter auseinandersetzen

Im Januar, bei einem Turnier in Hawaii, war Thomas nach einem missglückten Putt die an den Ball gerichtete und im Fernsehen deutlich hörbare Beleidigung "Faggot" - Schwuchtel - entwichen. Er entschuldigte sich nach der Runde umgehend, doch da schwirrte das Video längst durch die sozialen Medien. Kurz darauf kündigte sein Kleidungssponsor den Vertrag; Thomas sagt von sich selbst, er musste sich nach dem Vorfall charakterlich hinterfragen. Innerhalb von Tagen wurde aus Thomas, der im Urlaub gerne barfuß Privatrunden mit seinen Freunden Rickie Fowler und Jordan Spieth spielt und bekannt für jegliche Arten von Scherzen ist, in der Öffentlichkeit ein nachdenklicher Mensch. Er postete keine Videos von seinem Hund mehr auf den einschlägigen digitalen Plattformen, sondern musste sich dort mit Homophobie-Vorwürfen auseinandersetzen.

In seiner Karriere hatte Thomas in schwierigen Zeiten drei Ansprechpartner, die ihn stets unterstützten: seinen Vater Mike, einer der bekanntesten Golf-Schwungtrainer der USA, der Justin seit der Kindheit trainiert, sowie seinen Großvater, Paul Thomas, ebenfalls Golftrainer - und Tiger Woods, den Thomas als "Mentor" und engen Freund bezeichnet. Der Tod seines Großvaters im Februar und Woods' schwerer Unfall wenige Wochen darauf trafen Thomas daher schwer. "Ich bin okay", hatte er vor Turnierstart gesagt: "Aber mir ging es definitiv schon besser." Nach dem Sieg sagte er nun über seinen Großvater: "Ich wünschte, er könnte mir heute zuschauen."

Über die vier Turniertage hatte er sich seinen 15. Sieg auf der PGA Tour nun auf so beeindruckende Weise verdient, dass wohl selbst Woods in seinen besten Zeiten kaum eine Chance gehabt hätte. Thomas startete solide am Donnerstag und Freitag, am Samstag zeigte er, dass er zu den wenigen Spielern gehört, die ein komplettes Turnierfeld innerhalb von 18 Löchern aufholen können. Seine 64er-Runde vom Samstag, acht Schläge unter Par, war die beste Runde, die in diesem Jahr auf dem Stadium Course in Sawgrass gespielt wurde. Und in der Dramaturgie eines wilden Sonntags, dessen Atmosphäre ein Jahr nach dem Sport-Lockdown auch von den gut 10 000 Zuschauern auf der Anlage geprägt war, war Thomas eindeutig der Spieler, der mit seinen technisch perfekten Eisenschlägen am besten mit dem Platz zurechtkam. "Ich hatte heute die totale Kontrolle über den Ball", sagte Thomas.

Drei Schläge Rückstand hatte er vor der Schlussrunde auf den Engländer Lee Westwood gehabt. Westwood, 47, schlägt zwar längst nicht mehr so weit wie die meisten anderen, ist spät in seiner Karriere aber noch einmal in der Form seines Lebens - und spielte in der letzten Gruppe erneut mit Muskelmann Bryson DeChambeau, seines Zeichens Revolutionär einer Sportart. Doch so unterschiedlich ihre Golfphilosophien waren, beide einte am Sonntag, dass sie sich schon früh auf der Runde spektakuläre Fehlschläge leisteten, die selbst bei Amateurgolfern für Kopfschütteln gesorgt hätten: DeChambeau traf auf dem fünften Loch den Ball nicht richtig und musste vom Frauenabschlag weiterspielen - und Westwood schoss ihn meilenweit nach rechts in Wasser. So ergab sich die Gelegenheit für einen Angriff von Thomas, der auch in Hochdrucksituationen wie bei einem Zwei-Meter-Putt zum Par auf dem Inselgrün von Loch 17 die Nerven behielt.

So ernst ihn die Ereignisse der vergangenen Monate vielleicht haben werden lassen - bei genauem Hinsehen am 18. Loch zeigte sich inmitten all der Anspannung ein Hauch der alten Lockerheit. Als Thomas' Ball nach einem der schlechteren Schläge des Tages gefährlich nahe am Wasser entlangkullerte und schließlich mit einigem Glück gerade so zum Liegen kam, als Thomas daraufhin das Fairway entlangschritt, im Wissen, so gut wie sicher gewonnen zu haben - da entfuhr ihm ein breites, leicht peinlich berührtes Grinsen.

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