Golf:House of Carts

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Beim Ryder Cup geht es um die Ehre? Die Tradition? Die Emotionen? Ja, auch. Aber längst hat sich der Kontinentalkampf zu einem Multi-Millionen-Geschäft entwickelt. Und nicht immer sind die Deals transparent.

Von Gerald Kleffmann, Paris

Die Bässe wummern, Menschen schreiten hektisch umher, ihr Ziel ist offensichtlich: Ein Ungetüm von Stahlgerüst wird angesteuert. 6900 Plätze bietet die größte Tribüne, die es im Golf je gab. Sie steht hinter Abschlag eins. "Alles voll", sagt eine Dame vor einem Eingang. "Voll", eine zweite beim nächsten. Links außen immerhin sind noch Lücken. Der Mond scheint. Es ist noch mehr Nacht als Tag. "Hey Baby, uh, ah!", dröhnt aus den Boxen. Und: "We will rock you." Ein Moderator, eigentlich eher ein krakeelender Animateur, brüllt: "Are you ready?" Eine ulkige Frage.

Warum sind hier alle um fünf Uhr aufgestanden und auf mühsamen Wegen hinausgefahren, zur Anlage Le Golf National, unweit des Schlosses Versailles, westlich von Paris? Das Gelände wurde weiträumig abgeriegelt, selbst die 27 000 Einheimischen der Gemeinde Guyancourt könnten nicht zu Fuß oder mit dem Rad rüberschauen, was da los ist. Überall Absperrungen, Polizeikontrollen, Security. Und in der Luft ein Hubschrauber. Mit Shuttle-Bussen reisen Zuschauer und Medienvertreter an. Es ist so, als würden sie in Münster parken, um in Osnabrück ein Sportereignis zu besuchen. Der Ryder Cup ist eben eine spezielle Geschichte - was die jeweils zwölf Spieler Europas und der USA ja nun auch eine Woche lang jeden Tag beschworen hatten. Wer es nicht glaubte, gut, der weiß es seit diesem Freitagmorgen.

Es gab etliche prominentere Golfer am Freitag nahe Paris, aber keinen erfolgreicheren: Tomm y Fleetwood gewann mit Partner Francesco Molinari seine beide Partien. (Foto: Ross Kinnaird/Getty)

Es gibt zwar noch einen größeren Wahnsinn: In Scottsdale, Arizona, hat sich ein Turnier der US Tour zu einer Art Wiesn mit Golf entwickelt, am Schlusstag kommen 100 000 Fans, die meisten betrunken. Aber der Ryder Cup, 1927 eingeführt vom Saatguthändler Samuel Ryder, hat einen ganz anderen sportlichen Wert. Selbst Tiger Woods wurde klein wie eine Kirchenmaus, als er über die Bedeutung dieses alle zwei Jahre stattfindenden Kontinentalduells sprach. Man darf ihm das glauben. Am Freitagabend, bei der Eröffnungsfeier, hielten die Teamkapitäne gute Reden. Mit unverkennbar politisch einenden Botschaften. Weil der Anlass es gebot. Jim Furyk, 48, der knorrige, clevere Amerikaner, betonte, wie sehr die USA und Europa immer Verbündete waren. Man müsse zusammenhalten. Nur auf dem Platz solle fair gekämpft werden. Thomas Björn, 47, der grummelnde Däne, meinte, Europa sei gerade zerbrechlich, aber im Ryder Cup stünden alle zusammen - "wir spielen für eine Flagge". Das tun sie sogar umsonst. Es gibt keinen Euro Preisgeld. Wenngleich der eigene Marktwert der Spieler steigt.

Damit kein Missverständnis aufkommt: Natürlich ist das Event eine dieser üblichen Cashcows, Gelddruckmaschinen, irgendeiner im Sportbusiness macht ja immer Reibach. Im Fall Ryder Cup, der alle zwei Jahre ausgetragen wird, abwechselnd in den USA und Europa, ist das einerseits die PGA of America - sie räumt ab, wenn das Turnier in den USA stattfindet. Vor allem über TV-Rechte, Merchandising, Lizenzgebühren. In Europa führt, wie jetzt gerade in Paris, die Firma Ryder Cup (RC) Europe die Kasse, ein Joint Venture der European Tour (60 Prozent), der PGA of Great Britain and Irland (20 Prozent) und der PGA of Europe (20 Prozent). Blechen müssen vor allem die Ausrichter, die heimischen Verbände wie der französische, der sich 2011 in der Bewerbung auch gegen den Deutschen Golf-Verband durchgesetzt hatte. Paris, der Eiffelturm, Versailles, Zusagen von höchster Politik, das war ein anderer Aufschlag als der des DGV mit Neuburg an der Donau als Bewerberort, wo es den Platz nur virtuell gab, als Entwurf. Und der Bund in Berlin, ach, darüber können sich die deutschen Golffunktionäre noch heute aufregen, der sagte doch glatt nein zu Geldspritzen oder Bürgschaften. Bis heute fürchten viele deutsche Politiker ja ernsthaft um noch weitere Imageverluste, wenn sie zu sehr mit Golf in Verbindung gebracht werden. Was auch einiges über das Image von Golf erzählt.

Zu erfragen, wie hoch wiederum die Gewinne sind (gerüchteweise 200 bis 250 Millionen), ist so aussichtsreich, wie die Queen um ihre Handynummer zu bitten. Nichts wird verraten, und oft genug wirkte es so, als wollten sich die Anzugherren, die in den Gremien bei RC Europe sitzen, nicht mal Mühe geben zu verbergen, dass sie ihre Ryder-Cup-Spielorte so intransparent festlegen, wie die Fifa ihre Fußball-WM vergibt. In der Blase namens Golfwelt scheint das nicht viele zu stören. Beim nächsten Deal ist man dafür vielleicht am Tisch.

Eine wichtige Figur in diesem House of Golfcarts ist Keith Pelley, ein kleiner Kanadier mit poppiger Elton-John-Brille, der belächelt wurde als Quereinsteiger aus dem Eishockey-Geschäft, nun aber als Boss der European Tour viele glücklich macht, weil er immer noch die eine oder andere Million irgendwo rausholt für die Familie. Der monetäre Appetit ist enorm, der französische Verband bat notgedrungen, weil man diesen Ryder Cup wie Olympia 2024 partout wollte, die eigenen Golfer um ihren Beitrag. 13 Jahre lang zahlt jeder der 410 000 Amateure drei Euro Gebühr extra. Die Einnahmen von 17 Millionen reichen wohl nicht mal für die Lizenzgebühr von rund 20 Millionen Euro.

Aufgeladen mit viel Pathos: Jim Furyk, Teamkapitän der Amerikaner, betont in seiner Rede, Europa und die USA müssten zusammenhalten. (Foto: Ross Kinnaird/Getty)

Der DGV wollte übrigens auch eine Umlage einführen, für den Fall der Fälle. Aber selbst die eigene Klientel war da gespalten. Immerhin: Die zweite deutsche Bewerbung war dann besser, aber auch in vielen Details unprofessionell, klüngelig und am Ende chancenlos. 2022 trägt nun Rom den Ryder Cup aus, dank hoher Millionenzusagen. Ob die eingehalten werden, muss sich nun allerdings erweisen, erste Probleme gab es bereits.

Der französische Verband ließ bislang verlauten, die Rechnung ginge auf, es blieben ja Steuereinnahmen hängen, man habe 100 Kurzplätze gebaut, 45 000 Kinder für Golf interessiert, die 51 000 Tickets pro Tag sind verkauft, rund 270 000 werden es in dieser Woche. Die pilgernden Massen wirken wahrlich erdrückend an den Bahnen am Freitag, an denen gespielt wird, die Stimmung ist fantastisch, nur die Gesänge waren nicht so witzig wie 2014 in Gleneagles. Manchmal herrschte Stille beim Pariser Opéra-Publikum. Ein Reporter der Sportzeitung L'Équipe meinte auf der Tribüne, das liege auch am krakeelenden Einheizer, die Französen mögen es nicht, vorgesagt zu bekommen, was sie tun sollen. Um den Ryder Cup zu erhalten, mussten sie aber genau dies machen: die durchaus gierigen Vorgaben seiner Besitzer erfüllen.

© SZ vom 29.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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