Golf:Hilfe vom  Weißen Hai

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„Ich habe jetzt eine reelle Chance“: Bernd Ritthammer, der auf dem schweren Kurs bei Hamburg nur einen Schlag mehr als der Sieger brauchte. (Foto: Matthew Lewis/Getty Images)

Als Zweiter der European Open bei Hamburg sorgt der Nürnberger Golfprofi Bernd Ritthammer für Furore.

Von Jörg Marwedel, Winsen an der Luhe

Eine Woche vor dem Start des Zwei-Millionen-Euro-Turniers auf der nahe Hamburg gelegenen Clubanlage in Winsen an der Luhe hat Bernd Ritthammer, 32, offenbar gewusst, dass sein Durchbruch nach 13 Jahren als Golfprofi doch noch unmittelbar bevorsteht. Auf seiner Internetseite hat er diese Sätze gepostet: "Was mir bleibt, ist hart zu arbeiten. Dann komme ich vielleicht doch dort hin, wo ich hin möchte." So viel Zuversicht ist nach zwei relativ mäßigen Jahren erstaunlich. Hatte er sich der in Nürnberg geborene und in München lebende Ritthammer doch nur mit einem sechsten Platz in der Qualifikation die Teilnahme an der European Tour gesichert.

Dann passierte am Sonntag das, was der neue Turnierdirektor der Porsche European Golf Open, Richard Atkinson, sich gewünscht hatte: Einen einheimischen Helden wollte er präsentieren, einen Spieler, den "die tollen deutschen Fans zum Sieg pushen". Und fast hätte sich Atkinsons Traum am Schlusstag sogar bis ins letzte Detail erfüllt: Nur einen Schlag mehr als der Sieger, der dreimalige englische Ryder-Cup-Gewinner Paul Casey, der 14 unter Par blieb, benötigte Bernd Ritthammer auf dem Kurs nahe Hamburg. Damit belegte er mit dem Österreicher Matthias Schwab und dem Schotten Robert MacIntyre bei jeweils 275 Schlägen den geteilten zweiten Platz bei diesem deutschen Turnier der Europa-Tour. Ein Erlebnis, das ihn, wie er sagte, "überwältigte".

Es ist tatsächlich der größte Erfolg in Ritthammers Karriere, erstritten auf einem Parcours, der weltweit zu den schwierigsten zählt. Ein Stechen mit Paul Casey hat er zudem nur knapp verfehlt: Auf Bahn 18 verpasste den Birdie, weil sein Putt wenige Zentimeter zu kurz war.

Ritthammer ist also plötzlich auf dem Weg dorthin, wo er immer hinwollte. Erstmals hat er bei einem hochdotierten Turnier den Wandel vom Außenseiter zum Siegaspiranten erlebt. Bis Sonntag war er in der Weltranglistenplatz auf Position 924 notiert, und vielleicht war es ihm deshalb "sehr leicht" vorgekommen, als er eine 66-er Runde in Winsen spielte: Bis dahin hatte er ja nichts zu verlieren. Vor dem Schlussdurchgang fand er sich dann überraschend mit MacIntyre an der Spitze des Klassements wieder: "Die Gedanken sind gewandert, die ganze Nacht", erzählte er - wobei er derzeit ohnehin nicht so gut schlafe, weil er einen einjährigen Sohn hat. Er habe versucht, alle Situationen, auch die schlimmsten, am Sonntag zu antizipieren, entsprechend "nervöse Stunden vor dem Start" habe er verbracht. Die Angespanntheit steigerte sich bis zum Mittag, als ihn das norddeutsche Publikum schon beim ersten Loch mit Sonderapplaus bedachte.

Nicht wenige Experten hatten erwartet, dass er an der ungewohnten Herausforderung mental scheitern würde. Doch ausgerechnet beim seinem "grottenschlechtesten Schlag", wie er fand, als er den Ball vor dem elften Loch, das "White Shark" (Weißer Hai) heißt, im Wasser versenkte, retteten ihn die Gedankenspiele der Nacht. Dieser einzige Bogey sei ein Schlüsselmoment gewesen, bilanzierte er. Hätte er sich hineingesteigert in Versagensängste, hätte diese Schlussrunde ganz anders ausfallen können. So aber schüttelte er die Zweifel ab und spielte einfach weiter auf höchstem Niveau. Allerdings verkniff er sich am Schluss, Casey noch einmal anzugreifen - es sei ihm nicht egal gewesen, ob er Zweiter oder Achter werde, bekannte er.

Es war tatsächlich nicht egal: Denn seine Chance, ohne Qualifikation an der European Tour 2020 mitzuwirken, ist erheblich gestiegen. 110 Spieler erhalten nach der Jahresendwertung das Startrecht. Vor den European Open in lag Ritthammer auf Rang 169, nun ist er schon auf Rang 117 vorgerückt. In 13 Jahren hat er vergleichsweise bescheidene 565 930 Euro eingesammelt, am Sonntag hat er 149 140 Euro dazu verdient. Vor allem sagte er: "Ich habe jetzt eine andere Perspektive." Der Weg ist kürzer geworden, aber immer noch lang: Am Montagmorgen kam die neue Weltrangliste heraus. Dort liegt Bernd Ritthammer, der Sensationszweite von Winsen, jetzt auf dem 480. Platz.

© SZ vom 10.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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