Golf:Herrscher der reinen Bühne

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Zach Johnson belohnt sich mit dem zweiten Karriere-Coup - sein Triumph bei der Open Championship bringt ihn prompt zum Weinen.

Von Gerald Kleffmann, St. Andrews/München

Als er davon sprach, er habe nur das bessere Ende der Welle erwischt, ging es noch, seine Stimme war fest. Auch klang sie stark, als er schilderte, wie er auf den letzten Bahnen aggressiv blieb. Als Zach Johnson aber grundsätzlicher wurde und sich als "Typ aus Iowa" umschrieb, der "nur mit Talent gesegnet" sei, der sich nichts darauf einbilde, gerade eines der vier größten Golfturniere weltweit gewonnen zu haben, sein Vermächtnis seien nicht Siege, sondern seine Kinder, seine Familie - da fing er zu schlucken und zu schluchzen an, schon wieder.

"Ich bin mehr der klassische Typ": Open-Champion Zach Johnson. (Foto: Peter Morrison/AP)

Spätestens seit diesem 20. Juli, als die Open Championship in St. Andrews nach Wetterkapriolen erst am Montag zu Ende ging, weiß die Golfwelt: Zach Johnson ist einer der am meisten unterbewerteten Topprofis - und nah am Wasser gebaut.

Im Stechen hatte sich der 39-Jährige aus Iowa City, der mit Frau Kim und den drei Kindern in Georgia lebt, gegen den Australier Marc Leishman und den Südafrikaner Louis Oosthuizen durchgesetzt. Nach vier von Pausen zerklüfteten Runden waren diese drei mit je 15 unter Par für ein Vier-Loch-Playoff übrig geblieben; Jordan Spieth, 21, der Überflieger, der das Masters und die US Open zuvor gewonnen hatte, verpasste das Finale um einen Schlag , weil er "ein bisschen zu aggressiv spielte, als es nicht notwendig war", wie er meinte. Johnson dagegen blieb seiner Linie treu, spielte mutig, aber auch "auf den letzten Bahnen ruhig und aufgeräumt", wie sein Caddie Damon Green befand, "es war wie in Augusta". 2007, beim Masters, da hatte der religiöse Johnson sein erstes großes Ding abgeräumt, nun also, acht Jahre später, die Open Championship. Damals war er ein Nobody, der sich weigerte, die Grüns auf den Par-5-Bahnen mit dem zweiten Schlag anzugreifen, stur legte er die Bälle mit den Wedges vor, diese Schläger für kurze Distanzen beherrscht er wie Zauberstäbe. Heute ist er kein Niemand mehr, auf der US PGA Tour gibt es nur vier Spieler, die in den vergangenen zehn Jahren zehn oder mehr Siege feierten, Tiger Woods, Phil Mickelson, Rory McIlroy - und Johnson. Sein erspieltes Preisgeld beträgt 37,5 Millionen Dollar. Und doch weigert er sich, als Star zu gelten. Dass er oft unter dem Radar sei, wenn die Favoriten aufgelistet werden, störte ihn auch jetzt kein bisschen.

"Du wirst im Sport keinen anständigeren Typen finden", twitterte der lustig-feinsinnige Profikollege Ben Crane. Vieles spricht für diese Behauptung. Von Johnson sind keine Eskapaden bekannt, als er 2008 nach Augusta als Titelverteidiger zurückkehrte und von einer Zeitung abfällig dargestellt wurde, nahm er das gutmütig hin. Johnson redet öffentlich nie schlecht über andere, er ist loyal. Mit Schwungtrainer Mike Bender arbeitet er seit Anfang seiner Profikarriere Ende der Neunzigerjahre zusammen, mit Manager Brad Buffoni seit 2002. Über seine Gattin, die er nun mit Tränen in den Augen als "Fels" ehrte, kam er in Kontakt zu einer Baptistengemeinde. Wenn er auf die Runde geht, hat er Ballmarker dabei, die Kim angefertigt hat und die mit Sprüchen versehen sind, mal aus der Bibel, mal doppeldeutig wie "trust your line", vertrau deiner Linie. Während seiner Runden in St. Andrews hatte er sich gar einen Psalm ins Gedächtnis gerufen. Bei der Siegerrede indes machte er sich so klein, dass man sich fragte, wie konnte er sich am Montag auf dem Old Course so groß machen? Weil Johnson seiner Linie vertraute, die diesmal in Vollendung aufging. Und auf unspektakuläre Weise spektakulär ist.

Johnson ist keiner mit viel Talent, er hatte eine mäßige Amateurkarriere. Nur weil ihn Geschäftsleute unterstützten, wurde er Profi. Er schuftete sich hoch, über kleine Touren, die in der Prärie Halt machten, stieß er 2004 zur US PGA Tour. Seitdem ist sein eigenwilliger Schwung - eine hastige Ausholbewegung, gefolgt von einem oft abrupt endenden Durchschwung - zu bestaunen. Bestechend konstant sind seine kurzen Schläge sowie das Putten, das ausgerechnet in St. Andrews zur Entfaltung kam. Johnson liebt solche historischen Orte, die Open-Schauplätze haben es ihm angetan. Er hält sie für "rein", für Bühnen, die dem unverfälschten Golfsport ganz nahe kommen. "Ich bin mehr der klassische Typ", hat er noch gesagt, und auch das darf man diesem ehrenwerten Champion absolut glauben.

© SZ vom 22.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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