Golf:Gehörloser überrascht alle

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„Sensationell“: Allen John spielte das Turnier seines Lebens. (Foto: Axel Heimken/dpa)

Richard McEvoy gewinnt die European Open, aber die Geschichte des Golfturniers liefert der Deutsche Allen John.

Von Gerald Kleffmann, Winsen an der Luhe/München

Ein Putt machte den Unterschied: zwischen einem Profi und einem Amateur. Der Engländer Richard McEvoy lochte den letzten Schlag bei der Porsche European Open auf dem 18. Grün ein, aus acht Metern. Der Golfprofi aus Shoeburyness, Essex, jubelte zum ersten Mal auf der European Tour. Die Veranstaltung in der Anlage Green Eagle in Winsen an der Luhe ist die zweite dieser Größenordnung in Deutschland; es gibt noch die BMW International Open. 39 Jahre alt ist McEvoy, viele dürften ihm den Sieg gönnen, er ist beliebt unter den Kollegen. Eine noch besonderere Geschichte wäre allerdings gewesen, einer der drei schlaggleichen Zweiten hätte triumphiert. Hätte sich der Deutsche Allen John, dem mit einer 67 die beste Runde des Sonntags gelang, durchgesetzt, hätte erstmals ein Gehörloser ein Profiturnier dieser Kategorie gewonnen. John kann von Geburt an kaum etwas hören. Er spielte mit Hörgerät.

Der Schlusstag war spannend, was an der Dramaturgie lag. In der Golfbranche prominente Namen hatten sich an der Spitze des Feldes getummelt, Masters-Champion Patrick Reed, Bryson DeChambeau, dieser spezielle Profi der US PGA Tour, der eine Kappe wie Nick Knatterton trägt und als früherer Physikstudent auf die Kraft der Naturgesetze baut; die Schäfte seiner Schläger sind alle gleich lang, so etwas macht kein Profi. Auch deutsche Profis gefielen. Von den 19 gestarteten hatten sieben den Cut geschafft, die Qualifikation für die Runden drei und vier. Viele von ihnen überraschten, etwa Benedikt Staben aus dem benachbarten Hittfeld. Der 28-Jährige versucht seit Jahren, sich durchzusetzen, er nutzte nun seine Wildcard und seinen Heimvorteil. In der ersten Runde gelang Staben eine 67er Runde, Zweiter war er für eine Nacht. Am Ende wurde er 72. unter den 74 verbliebenen Spielern. Oder Jonas Kölbing, 33. Der Profi aus Weilheim ist jemand, der in der deutschen Golfszene durchaus einen Namen hat, ihm glückten Amateurerfolge und Platzrekorde, doch dauerhaft konnte er sein Potenzial nicht umsetzen. Zwischenzeitlich studierte er Golfmanagement, absolvierte die Ausbildung zum Golflehrer beim Deutschen Golf-Verband. Zuletzt in Köln war er 59., nun wurde Kölbing 71. - respektabel.

Auch der Berliner Philipp Mejow, Mitglied der Challenge Tour unterhalb der European Tour überzeugte. Am Schlusstag zerstörte sich der 30-Jährige nur jenen guten Rang, den er sich nach drei Runden (69, 69, 73) aufgebaut hatte. Ein Doppelbogey und fünf Bogeys ließen ihn abrutschen, aber er kämpfte und landete dank dreier später Birdies auf Rang 29. Damit war er zweitbester Deutscher und der beste deutsche Profi, mit dem schlaggleichen Maximilian Kieffer. Wie das geht? Das hat wiederum mit der Geschichte von John zu tun.

Der 30-Jährige aus Ludwigshafen am Rhein war einst ein sehr guter Amateur, wurde Profi, doch die Fortune verließ ihn. Aufgrund einer langwierigen Verletzung am Schambein ließ er sich letztlich re-amateurisieren, was ein komplizierter Vorgang ist im Golf. John startete wie Staben dank einer Wildcard bei der European Open mit dem Status des Amateurs. Er kommt aber auch nicht aus dem Nichts. Die nationale Branche zumindest kennt ihn. Als Gehörloser war er in den letzten Jahren überdies erfolgreich, bei Turnieren der gehörlosen Golfer, für die er sich stark macht. 2017 etwa gewann John Gold bei den Summer Deaflympics. Der Platz in Winsen an der Luhe misst 6990 Meter, er ist lang, für John also gut - er kann die Bälle sehr weit schlagen.

Mit der 67 schlich er sich auf Rang zwei hoch, "sensationell" stufte er selbst beim Interview mit dem Sender Sky seine Leistung ein. Er habe einfach "versucht, Spaß zu haben". Die Aufregung habe er ausgeblendet, indem er sich "auf die Schlagroutine" konzentriert habe. Als Amateur freilich, so eisern sind im Golf die Regeln, darf er kein Preisgeld annehmen, ein sechsstelliger Betrag wäre ihm zugestanden. "Ich musste kurz schlucken", sagte John. Und ergänzte lächelnd: "Die Erfahrung und die Atmosphäre, die ich erleben durfte, sind unbezahlbar."

© SZ vom 30.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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