Golf:Furcht vor dem Knall

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Der Tiger bleibt in der Golftasche: US-Golfprofi Woods bei seinem glücklosen Turnier in Dubai. (Foto: Warren Little/Getty Images)

In den USA mehren sich Stimmen, die Tiger Woods zum Karriere-Ende raten. Auslöser sind die seltsamen Auftritte des einstmals besten Golfprofis seit seinem Comeback.

Von Gerald Kleffmann, München

Es ist nicht so, dass es über den einst erfolgreichsten Golfprofi der Welt nicht positive Nachrichten gäbe. Im März wird Tiger Woods ein Buch herausgeben, und es müsste ein Wunder eintreten, wenn "The Masters and Me" kein Bestseller wird. In dem Werk, das der 41-Jährige mit Golfbuch-Autor Lorne Rubenstein anfertigt, geht es um den ersten Major-Triumph von Woods, mit dem er 1997 wie ein Komet aufschlug. Er war mit 21 der erste afro-amerikanisch-asiatische Spieler, der je beim ehrfürchtigen Turnier in Augusta siegte. Er gewann mit zwölf Schlägen Vorsprung. Eine Deklassierung für all die etablierten Größen - danach war nichts mehr in der Golfhierarchie, wie sie mal war.

So ähnlich ist es jetzt auch. Nur liest sich die Geschichte 20 Jahre später so, als hätte man sie auf den Kopf gestellt. Woods jagt jetzt verzweifelt die Jungen. Bezeichnend für den entgegengesetzten Trend fragte nun ein CBS-Experte fast respektlos direkt in einem Artikel: "Was will Woods genau mit dem Rest seiner Karriere anfangen?"

"Er sieht aus wie der älteste 41-jährige Mann", sagt ein Experte

Wenn der Weg des Kaliforniers, der in Florida lebt, eine Aneinanderreihung von Meilensteinen war, so hat sich seiner Vita am jüngsten Wochenende ein weiterer, jedoch bizarrer hinzugefügt. Noch nie setzte ein derartiger Abgesang auf ihn ein wie in diesen Tagen. Die veröffentlichte Meinung in den US-Medien lautet nicht: Er könnte bald aufhören. Sondern: Er sollte bald aufhören. Auslöser der Spekulationen war die Art seiner Aufgabe vor der zweiten Runde beim Turnier in Dubai. Zwischen dem, was Woods sagt, und dem, was Woods auf dem Platz zustande bringt, klafft schon viel zu lange ein himmelweiter Graben.

Was alle immerhin wissen: Woods hatte ja eine schwierige Zeit hinter sich, mit allein zwei großen Operationen am Rücken. Zwischen August 2015 und Dezember 2016 bestritt er kein Turnier. Im November 2016 wurde er in der Weltrangliste auf Platz 898 geführt. Im US-Sender CNN hatte er noch vergangene Woche erzählt, wie sehr er gelitten habe, an manchen Tagen wusste er nicht, wie er aufstehen sollte. Gerade aber gehe es ihm gut. Seine miserable Auftaktrunde mit 77 Schlägen, die ihn fast ans Ende des Feldes bugsierte, begründete er daher nicht mit gesundheitlichen Defiziten. Umso merkwürdiger wirkte tags darauf sein Rückzug vom Turnier. Krämpfe im Rücken hätte ihn dazu bewogen, teilte sein Manager Mark Steinberg lediglich mit.

Was alle eben nicht wissen: Wie es wirklich um ihn steht. Mysteriöserweise schwankt Woods in der Selbstreflexion zwischen extremen Polen. Offenbar ahnt er selbst nicht, wohin die Reise geht. Vor Dubai hatte er - sein alter, typischer Reflex - versichert, er sei gekommen, um zu gewinnen. Kurz darauf ließ er wissen: "Ich will einfach keine Schmerzen mehr haben. Ob mein Schwung dadurch klassisch, rhythmisch oder unorthodox aussieht, ist mir vollkommen egal." Das sagte tatsächlich jener Mann, der als der penibelste Perfektionist galt, der mit seiner Technik eine oder zwei Spielergenerationen prägte.

Fluchtartig, auch dies passte zum Gesamtbild, reiste Woods samt seinem Tross ab, die Kritiker fielen scharfzüngig wie selten über ihn her. "Ich sehe Tiger, und ich kann mir nicht helfen: Er sieht wie ein alter Mann aus", sagte der Analyst Brandel Chamblee vom Golf Channel und meinte sogar: "Er sieht aus wie der älteste 41-jährige Mann in der Geschichte dieses Sports." Sein früherer Trainer Butch Harmon klang richtig melodramatisch, als er sprach: "Ich bin sehr besorgt, dass jemand, den ich so lange bewundert habe und der für mich der beste Spieler jemals war, vielleicht nie mehr auf irgendeinem höheren Level wird spielen können."

Woods, der betont hat, dass sein anderes Leben als Familienvater und Unternehmer deutlich an Bedeutung gewonnen hat, ist als Nächstes für das US-PGA-Turnier in Pacific Palisades Mitte Februar gemeldet. Ob er wirklich startet, ließ Steinberg noch offen. "Keine Nachrichten sind gute Nachrichten", schrieb sofort erleichtert der Golf Channel im Internet. Die Branche fürchtet ja zugleich diesen Knall, wenn Woods sein Karriere-Ende verkünden könnte. "Ich denke, wir sind nahe dran", glaubt die frühere Majorsiegerin und ESPN-Expertin Dottie Pepper.

© SZ vom 08.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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