Golf:Die Tasse Kaffee seines Lebens

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„Ich war ganz ruhig“: der Ire Shane Lowry, 32, mit der British-Open-Trophäe, der Claret Jug. (Foto: Jason Cairnduff/Reuters)

British-Open-Champion Shane Lowry überwindet seine Zweifel: Bis zum Sonntagmorgen war der Ire selbst noch unsicher, ob er gut genug ist, um ein Major zu gewinnen.

Von Gerald Kleffmann, Portrush/München

Shane Lowry ist kräftig, mit seinem dicken Bart sieht er kernig aus. Was man nicht sieht: Er ist ein Mann mit Zweifeln. Am Sonntagabend, als er seine größte Tat vollbracht und die British Open gewonnen hatte im Royal Portrush Golf Club in Nordirland, berichtete der Ire von einem Gespräch. Er sei vor dem Turnier - für ihn quasi ein Heimauftritt - so nervös gewesen, dass ihn sein Schwungcoach Neil Manchip zur Seite nahm auf eine Tasse Kaffee. Ein Pep Talk folgte, wie die Briten sagen.

Lowry, 32, der zuvor vier Turniere auf der European Tour gewann, fühlte sich verkrampft. Er wollte vor der Familie und den Fans nicht enttäuschen. Die British Open begann - und er qualifizierte sich nach den ruhigen Worten Manchips nicht nur für die zwei Runden am Wochenende - er glänzte am Samstag mit einer 63 und führte gar mit vier Schlägen Vorsprung. Doch wieder meldeten sich Zweifel. "Ich wusste diesen Morgen nicht, ob ich gut genug bin, ein Major zu gewinnen", gab Lowry am Sonntag preis. Zu präsent war ihm die US Open 2016. Damals führte er auch vor dem Schlussakt und brach ein. Diesmal nicht.

Tausende sangen "olé, olé, olé", als Shane Lowry auf die letzte Bahn einbog

"Shane hat die richtigen Schläge gemacht, auch wenn es nicht immer großartige Schläge waren", zollte ihm Tommy Fleetwood, 28, Respekt; der Engländer mit der Mähne, am Ende Zweiter mit sechs Schlägen Rückstand, hatte als Flightpartner Lowrys Triumphmarsch direkt miterlebt. Etwa, wie Lowry seine kritischste Phase meisterte. "Der Schlüsselputt war sein Drei-Meter-Putt zum Bogey an Bahn eins", beschrieb Altmeister Jack Nicklaus den entscheidenden Moment. Lowry wirkte zunächst angespannt. Nachdem die Nordiren Rory McIlroy, Darren Clarke (am Cut gescheitert) und Graeme McDowell (57.) aus dem Titelkampf waren, geriet er in den Fokus der Fans. Insgesamt 215 000 waren zum ältesten Turnier der Welt gepilgert. Und Tausende sangen "olé, olé, olé", als Lowry auf die letzte Bahn einbog. Wie alle musste er mit Regen und Böen kämpfen, die 72 war seine schlechteste Runde. Aber sie reichte für den Erhalt der Claret Jug, der Weinkaraffe, sowie des Siegerpreisgeldes von 1,7 Millionen Euro.

Lowry war zuvor keine dieser schillernden Personen im Golfkosmos wie McIlroy, in dessen Schatten er, wie er sagte, viel lernte. Bodenständig wie er ist, wird er auch nicht abheben. Vater Brendan war ein erfolgreicher Gaelic-Football-Spieler, jemand im Internet legte gar den Ton eines Kommentators, der einen wichtigen Sieg Brendans anno 1982 bejubelte, über die TV-Sequenz des letzten Putts von Shane. Diese Familie genießt höchste Wertschätzung, für die Iren sind sie Männer aus ihrer Mitte, aber auch namhafte Profikollegen huldigten im Internet dem "Champion Golfer of The Year", wie er sich nun nennen darf.

Dass Lowry das Spiel hat, um Großes zu gewinnen, ließ sich früh erahnen, 2009 siegte er, noch Amateur, bei der Irish Open. Legendär die Geschichte, die Trainer-Guru Pete Cowen erzählte. Vor Jahren begutachtete er eine Auswahl von Talenten auf der irischen Insel, er schwärmte wie alle von McIlroy - aber auch von einem "kleinen dicken Jungen mit Brille": Lowry.

Präzises Spiel trug diesen nun zum Erfolg, vor allem agierte er mental stabil. Bei der British Open 2018 hatte er noch geweint, nach der ersten verpatzten Runde. "Ich war ganz ruhig", sagte Lowry am Sonntag. Diesmal hatte er alle Szenarien durchgespielt. Auch der mögliche Sieg erschrak ihn nicht mehr.

© SZ vom 23.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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