Golf:Die Instinkte sind zurück

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"Ich den letzten Monaten wollte ich vielleicht jemand anderes sein, nur um besser zu werden, und ich begriff nun irgendwie: Wenn ich ich bin, ist das genug." Rory McIlroy in Las Vegas. (Foto: Christian Petersen/AFP)

Rory McIlroy ist einer der besten Profis der Welt, und doch gesteht er jetzt: Er hat sein Spiel zu lange zu kompliziert betrachtet. Dank dieser neuen Erkenntnisse gelingt dem Nordiren prompt ein besonderer Sieg in Las Vegas.

Von Gerald Kleffmann, Las Vegas/München

Rory McIlroy besitzt eine besondere Gabe. Zumindest für einen Leistungssportler. Er kann sehr ehrlich mit sich sein. Das bedeutet natürlich auch, dass er schon mal sehr kritisch mit sich selbst ist. Bemerkenswert sein Schluchzen beim Ryder Cup kürzlich. Da stand er beim Interview und meinte, er hätte seine Kollegen im Stich gelassen, so viele enttäuscht, sich am meisten. Der Nordire hatte bekanntlich in Whistling Straits/Wisconsin an den ersten beiden Tagen schlecht gespielt und damit auch zum stetig anwachsenden Rückstand der europäischen Auswahl beigetragen. Die USA gewann dann haushoch. Nun, drei Wochen später, flossen zwar keine Tränen. Aber McIlroy, eine der großen Ausnahmefiguren seines Sports, ließ mal wieder tief in seine Seele blicken. Nur war der Anlass ein erfreulicher für ihn.

Diesmal präsentierte er sich als Sieger eines Turniers, als Solist triumphierte er am Sonntag beim CJ Cup in Las Vegas. Nach einer starken Schlussrunde mit nur 66 Schlägen auf dem Par-72-Kurs hatte er nach vier Turniertagen einen Schlag Vorsprung auf den US-Amerikaner Collin Morikawa. Es war McIlroys 20. Titel auf der US PGA Tour, der wichtigsten Profiserie im Golf. Nach normaler Nachrichtenlage klingen solche Erfolgsmeldungen bei einem wie ihm, und doch ist es ja so, dass er auch eigenen Ansprüchen hinterherhinkt. Selbst als viermaliger Major-Gewinner. Im privaten Summit Club im Westen von Las Vegas gab McIlroy nun zu verstehen: Er hatte in der Vergangenheit übersehen, was ihn als Spieler stark macht. Wie er das Optimale aus seiner Begabung herausholt. Im Grunde waren seine Bekenntnisse das alte Kreuz des Golfsports: Im Streben, immer noch besser werden zu wollen, bleibt das Mögliche auf der Strecke.

In den letzten Woche habe er viel reflektiert, erklärte McIlroy. Er habe nun verstanden, was er tun müsse, um wieder so konstant gut zu spielen wie früher: "Ich muss einfach spielen. Ich muss es vereinfachen. Ich muss nur ich selbst sein." Er kam auch zur Einsicht: "In den letzten Monaten wollte ich vielleicht jemand anderes sein, nur um besser zu werden, und ich begriff nun irgendwie: Wenn ich ich bin, ist das genug." Genug, um um Titel zu kämpfen allemal. Denn McIlroy weiß, was ihn ja im Speziellen auszeichnet: "Das beginnt damit, wieder kreativ zu sein und das Spiel zu visualisieren und vielleicht auch Gedanken zur Technik auszusieben." Er hätte auch sagen können: mehr Instinktgolf wieder wagen. Wie der junge McIlroy.

"Ich muss nach nichts suchen. Es ist schon da"

McIlroy hatte ja die Golfbranche vor 14 Jahren als Teenager mit seinem außergewöhnlichen Ballgefühl und seiner forschen, direkten Spielweise im Sturm erobert. Sein Schwung, gerade der beim Abschlag mit dem Driver, gilt vielen noch heute als vorbildhaft. Aber zu viele Gedanken können eben auch schnell zu Verkrampfungen führen. Drawen, faden, hooken, slicen, shapen, es gibt so viele Varianten, den Bällen bestimmte Flugkurven mitzugeben, Golfprofis können sich verrückt machen dabei. Martin Kaymer, Deutschlands bester Golfer, wollte auch einmal seinen Schwung verändern, auf der Suche nach noch mehr Möglichkeiten. Die Suche führte eher zum Gegenteil für eine gewisse Zeit.

In diesem komplizierten Bewegungsablauf eines Golfschwungs leidet nun mal schnell die Präzision, wenn ein paar Millimeter nicht mehr stimmen, beim Ausholen, beim Durchschwingen, im Treffmoment des Balles. Letztlich geht es dann doch nicht darum, permanent Bälle mit Rekordweiten abzufeuern. Ansonsten würde dauernd Bryson DeChambeau siegen, der neue sogenannte Longhitter und Dauertüftler der Tour. Sich aus diesem aktuellen Trend, alle spielerischen Bereiche perfektionieren zu wollen, auszuklingen, setzt eine gestandene Persönlichkeit voraus, die McIlroy zweifellos besitzt. "Ich muss nach nichts suchen", sagte er jetzt, "es ist schon da." Das darf man nicht als arrogante Sicht verstehen. Sondern als rein realitätsbezogene.

McIlroy Stärken waren jedenfalls immer der Abschlag, mit dem er den Ball in Position brachte, und ein zweiter attackierender Eisenschlag, hoch ins Grün gespielt. Ganz einfach, und so schnörkellos, wie er nun seine Ziele definiert: "Ich will wieder dahin gelangen, dass ich drei, vier, fünf Siege im Jahr einfahre." Sein Sieg in Las Vegas ist so gesehen mehr als nur ein Jubiläumserfolg. Er ist auch als Start in eine neue Phase zu verstehen. Der junge McIlroy ist zurück. Auch wenn er jetzt 32 Jahre alt ist.

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