Golf:Am Hebel der Macht

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Eröffnungsgala im Schloss Versailles: Der Däne Thomas Björn (links; mit Freundin Grace Barber) und der US-Amerikaner Jim Furyk (mit Ehefrau Tabitha) bei der offiziellen Treppenpräsentation der Ryder-Cup-Teams. (Foto: Richard Heathcote/Getty Images)

Die Kapitäne Thomas Björn und Jim Furyk beeinflussen den Ryder Cup wie niemand sonst beim Duell Europa - USA.

Von Gerald Kleffmann, Paris

Die zwei wichtigsten Personen, die über Sieg und Niederlage in den nächsten drei Tagen entscheiden, werden bis zum Sonntag selbst keinen Golfschwung machen. Der eine hatte früher den Ruf, ein Ekelpaket zu sein. Der andere hat eine katastrophale Bilanz in diesem größten Mannschaftswettbewerb namens Ryder Cup. Nun soll er seiner Auswahl helfen. Sie werden beide keinen Schläger in die Hand nehmen, keine Bälle aus den Taschen holen. Und doch sind Thomas Björn, 47, und Jim Furyk, 48, der Däne aus Silkeborg und der Amerikaner aus West Chester/Pennsylvania, jene zwei, die das Pendel in die eine oder andere Richtung ausschlagen lassen. Sie sitzen am Hebel der Ryder-Cup-Macht wie niemand anderes auf der Anlage Le Golf National südwestlich von Paris.

2004 war Bernhard Langer Europas Kapitän - ein Kontrollfreak, der Erfolg hatte

Der Begriff Kapitän klingt ja irgendwie nach Armbinde oder Wimpeltragen. Beim Ryder Cup aber ist das komplexer. Die Kapitäne sind Führungskräfte wie in einem Unternehmen, in dem im Idealfall eine verschworene Einheit geformt und taktische Züge wie beim Schach durchdacht werden. Klappt das nicht, kann das Unterfangen schiefgehen wie 2014 im Gleneagles in Schottland, als US-Kapitän Tom Watson, damals 65, es nicht geschafft hatte, die jüngere und die ältere Generation zu verbinden. Watson wurde gegeißelt, auch von eigenen Akteuren wie Phil Mickelson. Der Nordire Paul McGinley, Kapitän Europas, konnte daher jubeln, seine Strategie des modernen Motivierens hatte gefruchtet. Er hatte Sir Alex Ferguson eingeladen, die Trainerikone von Manchester United, um über Siegermentalität zu referieren.

Besser meisterte die Aufgabe Bernhard Langer 2004, wobei sich der Deutsche, akribisch wie er ist, völlig anders als Watson vorbereitet hatte. Der zweimalige Masters-Sieger hatte sich mit allen Charakteren seiner Spieler wie ein Psychologe befasst und ausgelotet, wer mit wem in den Formaten Vierball (jeder schlägt seinen Ball, das beste Ergebnis zählt jeweils pro Team-Duo) und Vierer (zwei aus einer Nation schlagen abwechselnd einen Ball) am besten zusammenpasste. Langer wollte alles, was er kontrollieren konnte, kontrollieren. Es gelang in Perfektion, 18,5:9,5, eine Demütigung damals für die USA im Oakland Hills Club in Michigan.

Die Rolle des Kapitäns ist deshalb von so zentraler Bedeutung, weil sie so verschieden interpretiert werden kann. Erfahrung ist ausschlaggebend dafür, wer Kapitän werden darf. Björn wie Furyk sind natürlich keine Frischlinge. Björn gewann zwar nie ein Major-Event, aber 21 Turniere, dreimal den Ryder Cup, war zweimal Vize-Kapitän. Furyk wurde 2003 US-Open-Champion und spielte bei neun Ryder Cups mit - bei denen er unrühmliche 17-mal verlor, in Einzeln wie in Vierern. Trotzdem ist er eine Respektsperson.

Es gibt kein Recht darauf, Kapitän zu werden. Auch Tiger Woods, erstarkt als Profi zurückgekehrt nach turbulenten Jahren, fiele ein solches nicht automatisch zu. Was es gibt: eine Art natürliche Erbfolge. Wer strahlend erfolgreich als Spieler war und sich nicht völlig daneben benimmt, wird eines Tages Kapitän. Woods war 2016 einer der Vizes. Sollte er sportlich nicht mehr in Frage kommen, ist er sicher dran.

Die Arbeit des Kapitäns ist, gerade in der Woche des Ereignisses, ein 24/7-Job. Da sich aber auch Golfgrößen nicht vierteilen können, wurde über die Jahre die Anzahl der Vizes erhöht. Für Björn sind Luke Donald, Padraig Harrington, Lee Westwood, Robert Karlsson und Graeme McDowell die weiteren Befehlsgeber, allesamt etablierte Profis. Furyk assistieren David Duval, Steve Stricker, Zach Johnson, Matt Kuchar und Davis Love III; Letzterer war beim Sieg der USA vor zwei Jahren in Hazeltine der Chef, er will seine Erfahrung einbringen. Die USA sind zwar Titelverteidiger, aber insofern unter Druck, als das Team letztmals vor 25 Jahren auswärts triumphieren konnte; der Ryder Cup findet alle zwei Jahre statt, der Austragungsort wechselt zwischen den Kontinenten.

Vordergründig sieht die Aufgabe eines Kapitäns entspannt aus. Es gibt schicke Empfänge, Polizeieskorten, Hunderte Journalisten fragen permanent, wie denn die Verfassung sei. Die meiste Zeit sitzen die Kapitäne dann in einem dieser putzigen elektrischen Carts, mit dem Walkie-Talkie in der Hand (das ist abhörsicherer). Sie fahren von einer Bahn zur anderen, und manchmal gehen sie auch zu Fuß mit, bei Spielern, die mehr Zuspruch brauchen. Oder weil sie eben zu Fuß gehen wollen. Besser als sie verfolgt wirklich keiner den Ryder Cup, nicht mal die Prominenz wie Samuel L. Jackson und Condoleezza Rice, die kommen. Was man aber nie sieht, sind die planerischen Sitzungen. So wie es für den US-Präsidenten einen "Situation Room" gibt", um im Geheimen übers weitere Vorgehen zu beraten, so ziehen sich die Kapitäne samt Vizes immer wieder zurück. Und dann wird gebrütet.

Im Fußball heißt es manchmal, eine Mannschaft habe zu einem Plan A noch einen Plan B. Darüber können Ryder-Cup-Kapitäne nur schmunzeln. Sie müssen einen Plan A bis L oder M haben. Oder am besten bis Z. Die Anzahl der Notfallpläne ergibt sich allein anhand der unzähligen Möglichkeiten, die Zweier-Teams für den Vierball und Vierer (ein Ball pro Zweier) zu mischen. Jeder der zwölf Spieler darf mit jedem im Team als Duo antreten. Aber soll der Rookie mit dem Erfahrenen ran? Ein Ruhiger mit einem Brüller? Wer passt zu Woods? Zu Sergio Garcia? Wer pausiert? Keiner muss ja, bis aufs Einzel, eingesetzt werden. Hinzu kommt: Die Kapitäne stellen die Paarungen für die Vierer für Freitag und Samstag erst vor Beginn jedes Turnierblocks auf (es gibt eine Vormittags- und Nachmittagsschicht), wie sie erst nach den 16 Vierern festlegen, in welcher Reihe die zwölf Spieler am Sonntag zum Einzel rausgehen. Ständig kann justiert werden.

Man könnte verrückt werden ob der möglichen Gedankenspiele. Oder man sagt das, was alle sagen, auch Björn, der inzwischen umgängliche Seebär, auch Furyk, der Ernste: Es ist die größte Ehre, Kapitän zu sein. Weil der Ryder Cup so riesig im Golf ist und eine solche Tradition besitzt.

© SZ vom 28.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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