Glosse:Würstel con patate fritte

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Vorsichtige Rückkehr zum normalen Leben - fürs Erste aber nur bis 18 Uhr: der Ortskern von Cortina d'Ampezzo vor Beginn der Ski-WM. (Foto: Denis Balibouse/Reuters)

Auch bei der Ski-WM soll jeder Gast in seiner eigenen Blase leben, aber ein Praxistext muss schon sein: Lässt sich in Italien zu Corona-Zeiten ganz gewöhnliche Pizza bestellen - in einem völlig gewöhnlichen Restaurant?

Von Johannes Knuth, Cortina d'Ampezzo

Sportliche Großereignisse arten für Reporter schnell in einen wochenlangen Triathlon aus, zwischen Hotel, Pressezentrum und Wettkampfstätte. Dieser Dreiklang bewährt sich in pandemiefreien Zeiten natürlich umso mehr. Aber ein Praxistest muss schon sein, natürlich streng im Dienst der hoch investigativen Recherche. Es sollte ja schon möglich sein, reklamiert die Kollegin E. zu Recht, in einem italienischen Ski-WM-Ort eine Pizza zu ordern. Oder?

Cortina d'Ampezzo ist seit ein paar Tagen wieder zona gialla, gelbe Zone. Nicht nur die einschlägigen Pelzmantelläden dürfen wieder öffnen, auch Restaurants und Bars. Letztere umgarnen die Kunden mit verwegen Angeboten wie physischem Hineinsetzen (!) und längerem Verweilen (!!!). Allerdings nur bis 18 Uhr, selbstverständlich mit Abstandhalten und strenger Hygiene. Alles wird desinfiziert, jeder Tisch nach jedem Gast, jeder Mozzarella vor jeder Bestellung, den Aperol gibt es auf Wunsch mit einem Schuss Desinfektionsmittel. Restaurantkandidat Nummer eins, eine Tavernetta (genauer Name ist der Redazione bekannt, Anm.), empfängt mit einem herzhaften "Aperto" am Eingang und einer Lichterkette, die eine Treppe hinab weist. Die Räume im Kellergeschoss sind allerdings so finster wie die sportliche Perspektive von Gelsenkirchener Erstligafußballern. Kandidat Nummer zwei bietet knapp eine Stunde vor Schließung leider nur noch Prosciuttohäppchen feil, Kandidat Nummer drei nistet sich in einem Hinterhof des Corso Italia ein, der Haupteinkaufsstraße. Die Essenspreise sind so, wie es sich gehört in der Nachbarschaft von Kunstgalerien und Hotels mit raufgerockten Preisen und runtergerocktem Mobiliar. Durch eine Lichterkette blickt man auf eingedeckte Tische, allerdings ist die Tür verschlossen. Offenbar ein neues Pandemie-Konzept: Hunde und Gäste müssen draußen bleiben.

Bleiben noch zwei Anlaufstellen: Der Lieblingsitaliener in Cortina, mit den Original-Startnummern von Kristian Ghedina als Wanddekoration, für die WM wurde das Restaurant allerdings zur Casa Italia umfunktioniert. Und eine allerletzte Option: Ein Lokal mit dem landestypischen Titel "Bierstube". Das Geschäftsmodell: Südtiroler Urigkeit oder zumindest das, was die Inhaber dafür halten. Helles Holz, "Tainted Love" röhrt aus den Lautsprechern, das Speiseangebot ist sonst wohl eher schmückendes Beiwerk für trinkfestere Gäste. Es gibt keine Pizzen, dafür Schinkenplatten, Kartoffelsalat, Würstel mit Sauerkraut und Pommes ( Würstel della val Pusteria con patate fritte). Erinnerungen an einschlägige Lokale in Monaco di Baviera werden wach - und zarte Wahlheimatgefühle.

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