Glosse "Linksaußen":Schlau, schlauer, DEL, Türkgücü

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Während das Virus zurückkommt und den Sportbetrieb durchschüttelt, zeigen die Betroffenen große Kreativität bei den Lösungsansätzen.

Von Ralf Tögel

Gerade als man diesen unsichtbaren Fiesling, der die Menschheit seit mehr als zwei Jahren quält, vergessen wollte, steht er wieder auf der Matte. Kaum feiert die Nation mit dem sogenannten "Freedom Day" die Rückkehr der Normalität, da bläst uns der mikrobische Drecksack schon wieder um die Ohren. Vielleicht hätte man ihn mit dem depperten Begriff "Freedom Day" nicht reizen sollen, oder stand irgendwo eine Massenentlassung an? Waren die Busse und Restaurants nicht schon seit Längerem wieder voll? Und die verqueren Nichtdenker, die alles sowieso leugnen und gewusst haben, gehen der Menschheit unvermindert auf den, na, Sie wissen schon.

Immerhin, die neue Virusvariante ist nicht mehr so vernichtend, meist sind die Symptome milde, den Infizierten setzt sie dennoch außer Gefecht. Sehr gut ist das im hiesigen Sport zu beobachten. Die Basketballer des FC Bayern München zum Beispiel waren und sind teils im Zwangsurlaub. Was auf den ersten Blick ganz passabel klingt, sofern man nicht mit Atemnot oder sonstigen unschönen Begleiterscheinungen zu kämpfen hat. Ein paar Tage auf der faulen Haut kann man sich schon mal gefallen lassen, oder? Nicht so ganz, denn Leistungssport, gerade im Mannschaftsbetrieb, verlangt eine nachhaltige Herangehensweise. Wer rastet, der rostet, das wusste schon Turnvater Jahn (ja, er hat das Sprichwort nicht erfunden, also keine Zuschriften, bitte).

Solche Auszeiten werden also nicht nur von den Übungsleitern ungern gesehen, sie schaden den Aktiven, die dann eben zum Rosten verurteilt sind. Der Genesung folgen nicht nur Freitestung und eine ausführliche medizinische Untersuchung, sondern Eingliederung in den Trainingsbetrieb, Zurückfinden zu alter Form und Feinabstimmung im Kollektiv. Das kann bisweilen Auswirkungen auf die Ergebnisse zeitigen, wie so mancher schon erfahren hat. Einerseits eine plausible Ausrede, andererseits mit weniger schönen Auswirkungen finanzieller Natur.

Ganz abgesehen von dem Terminproblem. Nicht nur die Bayern-Basketballer müssen, wenn es so weitergeht, bald täglich ran. Das spart wenigstens das lästige Üben - nur ein betagter Trainer in Berlin, der gerade ein neues Amt übernommen hat, dürfte auf die Idee kommen, vormittags zu schleifen und nachmittags zu spielen. Auch die Handballer aus Coburg oder Großwallstadt fahren bereits Extraschichten, und ein Ende ist nicht abzusehen: Der HSC ist zum wiederholten Male im Isolationsmodus.

In der Volleyball-Bundesliga ist vorzeitig Schluss, es gibt keine Absteiger. Straubings Frauen profitieren - zum zweiten Mal

Dieser ganze Verzug bringt ein Instrument zurück ins Spiel, das eigentlich längst verabschiedet sein sollte: das Aussetzen handelsüblicher Mechanismen bei anhaltendem Misserfolg. Die Bundesliga-Volleyballerinnen aus Straubing dürften dies gar nicht so schlecht finden, eigentlich würde der Klub als Elfter von zwölf Konkurrenten absteigen - ist aber storniert. Zum zweiten Mal in Folge übrigens, spätestens jetzt sollte man den Begriff "die Unabsteigbaren" überdenken.

Einen anderen Lösungsansatz hat sich die Basketball-Bundesliga der Frauen einfallen lassen, da ist die Hauptrunde einfach vorzeitig beendet worden, zum Glück gibt es ja Playoffs. Die Nördlingerinnen dürfte das weniger freuen. Die waren nicht abstiegsbedroht, hätten aber noch gerne ein paar Spielchen in der Meisterrunde mitgemacht (siehe oben, finanzieller Aspekt), wofür extra noch eine Kanadierin verpflichtet wurde, die dann unvollendeter Dinge wieder nach Hause musste (siehe oben, finanzieller Aspekt).

Wer nicht so einfach aufgeben will, muss sich etwas Besseres überlegen, wie die Deutsche Eishockey-Liga (DEL). Zwar wurde die Saison um eine Woche verlängert, das dürfte aber nicht reichen, deshalb greift dann eine Koeffizienten-Regel, bei der sowieso keiner durchblickt. Irgendwie werden acht Mannschaften in die K.-o.-Runde einziehen, irgendwann ist eine Meister und gut. Als Nostradamus der Sportwelt hatte die DEL den Abstieg schon abgeschafft, ehe Corona überhaupt erfunden wurde, was für Cleverness spricht - ausgerechnet jetzt allerdings wird erstmals ein Absteiger gesucht.

Die Schlauesten sind mal wieder die Fußballer, Beispiel Türkgücü. Um dem ganzen Schlamassel um Auf- und Abstieg zu entgehen, hat sich der Investor entschieden, den Geldhahn einfach schon vorher zuzudrehen. Jetzt müssen die Spieler nicht mehr bangen, Türkgücü hat weit vor Saisonende Gewissheit - dass es so oder so vorbei ist. Bringt für die anderen Drittligisten ein bisschen Ungewissheit und für die Liga Rechenarbeit mit sich, weil keiner weiß, wie lange der Klub noch mitmacht und wem nach dessen Aus welche Punkte abgezogen werden.

Und wenn das alles vorbei ist, dann kommt der Winter. Und alle werden sich wieder erinnern.

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