Glosse "Linksaußen":Der grünste Klub der Welt

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Für die Zukunft: Diese Kunstinstallation mit 300 Bäumen war 2013 im Klagenfurter Wörthersee-Stadion zu sehen. (Foto: dpa)

Der FC Bayern fliegt Kurzstrecke im Privatjet - ins 230 Kilometer Luftlinie entfernte Villingen. Sind die noch zu retten?

Von Sebastian Winter

Rund 230 Kilometer Luftlinie sind es von Oberpfaffenhofen nach Donaueschingen, ein Katzensprung, gerade für die weltreisenden Kicker vom FC Bayern München. Drei, vier Stunden Fahrt mit Zug, Auto oder Bus - und nichts im Vergleich zu sonstigen Ausflügen nach Dortmund oder gar nach Doha zur Klub-WM. Und was machen die Bayern, die mit ihren E-Autos werben und sich im Frühjahr erst wieder als Annalena-Baerbock-Fans outeten mit ihrer Entscheidung, künftig nur noch digitale Tickets zu verkaufen? Düsen fürs Testspiel gegen den 1. FC Köln per Privatjet von Oberpfaffenhofen ins Schwarzwald-Örtchen Villingen.

Folgerichtig verlor der FC Bayern gegen den Effzeh 2:3, das Klima danach war nicht nur teamintern ziemlich, nun ja, vergiftet. Ein Twitter-Nutzer traf mit seinem Anti-Kerosin-Kommentar direkt ins rote Herz: "Man schafft die physische Jahreskarte aus angeblichen Umweltgründen ab - fliegt aber nach Baden mit dem Flieger. Wie lächerlich #fcbayern."

Dass der gegnerische Effzeh als erster Profiklub das Zertifikat "Nachhaltiger Wirtschaften" bekommen hat, von diesem Jahr an klimaneutral arbeiten will und kommende Saison Trikots aus recyceltem Polyester trägt, dürfte die Bayern noch mehr schmerzen als die peinliche Testspiel-Pleite. Sowas hätte der bekennende Naturliebhaber und Plastikverpackungsgegner Julian Nagelsmann bestimmt auch gerne.

Die Forest Green Rovers sind ein leuchtendes Vorbild: Schienbeinschoner aus Bambus, Solar-Rasenmäher, künftig ein Stadion aus Holz

Man muss ja nicht gleich in Konkurrenz zu den Forest Green Rovers treten, die es in England zwar nicht in den Profifußball geschafft haben, dafür aber ins kollektive Gedächtnis der Fans. Seit ein paar Jahren bietet der Viertligist nur noch vegane Speisen und veganes Bier an, Trikots und Schienbeinschoner sind aus Bambus, der Stadionrasen wird ohne Pestizide gepflegt und mit Solar-Rasenmäher geschnitten - das Ziel: der "grünste" Fußballverein der Welt werden. Der Eco-Park, ein Stadion aus Holz für 5000 Zuschauer, soll in naher Zukunft die grünste Arena des Planeten werden, die Pläne dazu stammen von der weltbekannten Architektin Zaha Hadid.

Das alles ist vielleicht ein bisschen übertrieben aus Sicht der Roten aus Bayern. Aber in einer Zeit, in der selbst die 5000 Olympia-Medaillen in Tokio recycelt sind - Edelmetalle aus elektronischen Altgeräten und Computerplatinen wurden dafür verwendet -, sollte auch der deutsche Vorzeigeklub Abstand nehmen von der kerosinhaltigen Kurzstrecke in den Schwarzwald. Immerhin verzichtet der Rekordmeister in diesem Sommer auf sein "Trainingslager" in den USA, in China oder bei den Scheichs. Ein ökologischer Fußabdruck im Trainingsrasen an der Säbener Straße - vielleicht wird das die wütenden Kritiker ein wenig besänftigen.

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