Gladbach:Lieb gemeinte Beleidigungen fürs eigene Team

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Gladbach-Coach Daniel Farke mit seinem Spieler Jonas Hofmann. (Foto: IMAGO/Revierfoto/IMAGO/Revierfoto)

Gladbach schlägt Hertha mit 1:0 und klettert vorübergehend auf Platz eins der Bundesliga-Tabelle. Trainer Farke bleibt trotzdem bescheiden.

Von Ulrich Hartmann, Mönchengladbach

Der Mann, der von sich selbst behauptet, er habe am Freitagabend im Borussia-Park zahlreiche Fußballspieler der Heimmannschaft beleidigt und dies sogar mehrfach, wurde nicht zur Rechenschaft gezogen. Man hat ihn vielmehr bejubelt und ihm auf die Schulter geklopft. Es droht ihm auch kein Nachspiel, denn dieser Mann ist der Gladbacher Trainer höchstselbst.

Daniel Farke verriet die diversen (leise gemurmelten!) Beleidigungen nach dem Spiel augenzwinkernd in Form eines "Geheimnisses", um darauf hinzudeuten, dass er trotz eines 1:0-Sieges gegen Hertha BSC aus Berlin mit einigen Aktionen seiner Spieler nicht zufrieden war. "Ich beleidige eigentlich in jedem Spiel die ganze Mannschaft durch", frotzelte er, "weil ich als Perfektionist immer etwas finde, was mir nicht gefällt." Er tue dies allerdings so leise, dass mitunter nicht mal die Bank-Belegschaft in seinem Rücken etwas davon mitbekomme.

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Dies ist also eine nicht ganz ernst gemeinte Anekdote, zu deren Veröffentlichung sich der neue Gladbacher Coach in der Pressekonferenz wohl auch deshalb hinreißen ließ, weil seine Mannschaft nach drei Spielen mit zwei Siegen und einem Unentschieden zumindest die Nacht zum Samstag auf dem ersten Platz der Bundesliga-Tabelle verbringen durfte. Wer nun dachte, dies lasse den skeptischen Trainer in hohen Tönen jubeln, sah sich getäuscht. "Wir sind weit davon entfernt, uns eine Spitzenmannschaft nennen zu dürfen", sagte Farke streng.

Gladbach tat sich mit dem neuen Spielstil, der Ballkontrolle, sichtlich schwer, gute Chancen herauszuspielen. Es bedurfte zweier Hand-Elfmeter, um Berlin zu besiegen, und die Borussen erlaubten sich sogar, nur einen der beiden zu verwandeln. Der Franzose Alassane Plea traf in der 34. Minute (Handspiel: Maximilian Mittelstädt). Den zweiten Strafstoß in der 70. Minute nach einem Handspiel von Filip Uremovic schoss Jonas Hofmann so schwach, dass Berlins Torwart Oliver Christensen dank der richtigen Eckenwahl parieren konnte. Da Uremovic für sein Handspiel überdies per gelb-roter Karte des Platzes verwiesen wurde, spielten die Berliner für die letzte knapp halbe Stunde nur noch zu zehnt und waren umso überraschter, dass sie trotzdem die besseren Chancen herausspielten und um ein Haar den Ausgleich geschafft hätten. Die Flüche des Gladbacher Trainers in dieser Spielphase gingen im Lärm des Stadions unter.

Den neuen Berliner Trainer Sandro Schwarz fragte nach dem Spiel niemand, ob er seine Spieler angesichts von bloß einem Punkt aus den ersten drei Spielen und einer Platzierung im Elendsviertel der Tabelle still und heimlich beleidige, aber es deutete aus seinen Aussagen auch nichts darauf hin. Schwarz lobte seine Mannschaft und betonte, er habe angesichts des Fehlstarts und der Tabellenkonstellation "null Sorge, denn sorgen würde ich mich nur dann, wenn man nicht erkennen könnte, wie wir Fußball spielen wollen". Er erkenne dies allerdings sehr wohl, fand die Niederlage unverdient und erntete sogar ein Lob seines Vorgesetzten Fredi Bobic. Der Hertha-Geschäftsführer nannte den Auftritt der Berliner "sehr ordentlich" und sich selbst "eher stolz als traurig". Die Herthaner könnten ihre Hoffnungen nun gut verschieben auf die nächste Partie, ein Heimspiel, allerdings empfangen sie dazu am nächsten Samstag Borussia Dortmund, und das wird vermutlich schon wieder eine ganz schwierige Aufgabe.

Auch die Gladbacher gehen mit gedämpften Erwartungen ins Spiel am nächsten Samstagabend beim FC Bayern München. Trainer Farke arbeitet weiter an einer Stabilisierung und Harmonisierung jener Mannschaft, die er in den ersten drei Spielen identisch und jeweils fast bis zum Ende komplett hat durchspielen lassen. Er wolle nicht um des Wechselns Willen wechseln, sondern seine Stammformation lieber ihren Rhythmus finden lassen, erklärte er, deutete aber auch darauf hin, dass er so ganz viele Alternativen ja gar nicht besitze.

Und es könnten ihm bis zum Ende der Transferperiode sogar noch Spieler dieser Stammformation verlustig gehen, denn Torwart Yann Sommer, Linksverteidiger Ramy Bensebaini und Angreifer Thuram haben ein Jahr vor dem Vertragsende allesamt noch nicht verlängert. "Wir sind in sehr offenen Gesprächen", sagte nach dem Spiel etwa Sommer. Möglich ist, dass er bis zum 1. September weder verlängert noch fortgeht, sondern nächstes Jahr einen ablösefreien Wechsel anstrebt. Das wäre für die Borussia die schlechteste Lösung. Dann würde womöglich auch der neue Sportdirektor Roland Virkus mal einen Fluch ausstoßen. Einen ganz leisen.

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