Fußball: WM-Qualifikation:"Es lebe Italiadze!"

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Georgiens Kapitän Kakhaber Kaladze vom AC Mailand erlebt ausgerechnet gegen Italien den schwärzesten Abend der Karriere - dem Verteidiger unterlaufen zwei Eigentore.

Birgit Schönau

Kakhaber Kaladze ist Georgiens berühmtester Fußballer. Eine Symbolfigur wie Schewtschenko für die Ukraine oder weiland Boniek für Polen, Stoitschkow für Bulgarien. Wenn man sich überhaupt etwas unter Fußball in Georgien vorstellen kann, dann hat man Kaladze vor Augen, einen melancholischen wirkenden Lulatsch ohne Frisur, Verteidiger zudem. Seit 2001 ist er beim AC Mailand unter Vertrag - damals sahen ihn Berlusconis Emissäre bei einem Pokalspiel und heuerten ihn für eine in Georgiens Fußball nie gesehene Rekordsumme gleich nach Abpfiff an. Seit mehr als einem Jahrzehnt ist Kakhaber Kaladze Kapitän seiner Nationalelf. Er hat mit Georgien nie etwas erreicht, sich aber immer wacker geschlagen. Sein Einsatz am Samstag war der erste nach sieben Monaten Verletzungspause. Es ging gegen Italien.

Zerzauste Frisur, beschädigter Ruf: Georgiens Kapitän Kaladze (re.) netzte zweimal am falschen Ende ein. (Foto: Foto: AP)

Das WM-Qalifikationsspiel endete vor dem zunächst frenetisch jubelnden, dann in Schockstarre verstummten Publikum im Stadion von Tiflis mit einem 2:0 für Italien. Ein kaum überraschendes Ergebnis, eine Fußnote in den Annalen eigentlich: Noch-Weltmeister schlägt Fußballzwerg. Glatt, eindeutig, ohne übertriebene Demütigung.

Per Kopf, nach einer 30-Meter-Flanke

Kakhaber Kaladze aber wird dieses Spiel nie vergessen. Es markiert den schwärzesten Abend seiner langen Karriere, denn die beiden Tore waren: von ihm. Zwei Eigentore für Italien, nicht einfach unglücklich erstolperte, sondern schön herausgespielte Treffer. Der erste per Kopf nach einer 30-Meter-Flanke von Angelo Palombo. Der zweite stramm mit rechts abgezogen nach präzisem Zuspiel von Domenico Criscito. Unerreichbar für Georgi Lomaia, den Schlussmann, der die Welt nicht mehr verstand: Jedesmal, wenn sein Kapitän allein vor dem eigenen Tor stand, donnerte er Lomaia einen rein. 600Sekunden nur brauchte Kaladze, um sich und Georgien zwischen der 57. und 67.Spielminute in einen Abgrund zwischen Tragik und Lächerlichkeit zu stürzen.

Dass Italiens Criscito in der Schlussphase versuchte, es ihm gleichzutun und Torwart Gigi Buffon zur einzigen echten Parade des Abends zwang, änderte nichts: Ausgerechnet gegen Italien hat Kakhaber Kaladze seinen Ruf beschädigt. Bis zum Schluss ließ ihn sein derzeitiger Trainer, der Argentinier Hector Cuper, auf dem Platz. Es gab kein Erbarmen, kein Entrinnen. "Meine Mannschaft hat versucht, mich zu trösten", sagte Kaladze, "sie haben gezeigt, dass sie Charakter haben. Aber ich bin am Boden zerstört."

Ideenlose Italiener

Dabei hatten die Italiener bis zum Harakiri des georgischen Kapitäns so viel schlechter ausgesehen als ihre harmlosen Gastgeber. In ihrem vierten Spiel ohne selbst fabriziertes Tor wirkte die Squadra ausgepumpt, ideenlos. "Meine Mannschaft ist Italien egal", hatte Nationaltrainer Marcello Lippi am Vorabend geklagt - die erste Halbzeit gegen Georgien ließ erahnen, warum. Es war Fußball zum Weggucken, eine elende Zeitschinderei, mit einem Däumchen drehenden Mittelfeld und einer Abwehr, die in das Ausbremsen der naiven Georgier ein Pathos legte, als sei das Vaterland ernsthaft in Gefahr. "Peinlich", urteilte die Gazzetta und titelte voller Schadenfreude: "Es lebe Italiadze!"

Wer so spielt, muss nehmen, was er kriegen kann. Manchmal reicht das im Fußball: abwarten und ein Pokerface, um drei Punkte und die Gruppenführung zu ergattern. "Wir haben verdient gewonnen", behauptete Lippi, "wenn ein Abwehrspieler solche Fehler macht wie Kaladze, bedeutet das doch, dass unsere Leute ihn in Schwierigkeiten gebracht haben." Tutto fa brodo, alles gibt Brühe. Der arme Kaladze hat in seinem Alptraum-Match einen Italiener erreicht, dessen Name unrettbar mit einem Eigentor-Rekord verbunden war: Sandro Salvatore schenkte in einem Testspiel im Februar 1970 den Spaniern zwei Tore. Das Match endete 2:2. Und Sandro Salvatore spielte nie wieder für die Squadra Azzurra.

© SZ vom 07.09.2009/jbe - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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