Fußball-WM: Nigeria - Griechenland:Zementatis lebt!

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Die defensiven Griechen des Trainers Otto Rehhagel verhindern mit einem 2:1 gegen Nigeria das vorzeitige WM-Aus auch deshalb, weil Afrikas Fußball offenbar zur Selbstzerstörung neigt.

Ach, es ist ermüdend, immer wieder Witze über Otto Rehhagel und seine antiken Griechen lesen zu müssen, und noch ermüdender ist, sie selbst zu machen. Es wäre doch phantastisch, würde Rehhagel, 71, sollte er tatsächlich Griechenland nach dieser Weltmeisterschaft verlassen müssen, noch einmal irgendwo anders anheuern, vielleicht in einem modernen Land wie Indien oder Estland. Deren Regierungen setzen auf das E-Government, also das elektronisch transparente Parlament, und sie fördern den Fortschritt in Forschung und Technik. Es gibt dort sehr viele junge Menschen in den Städten.

Jubel bei den griechischen Spielern: Durch den ersten Sieg bei einer WM kann die Elf noch das Achtelfinale erreichen. (Foto: afp)

Vielleicht würde ihn das inspirieren, den alten Deutschen - wahrscheinlich aber nicht. Der alte Deutsche macht alles so, wie er es immer gemacht hat, und zusammen mit seinen ziemlich alten Griechen kann er bei der WM damit - Überraschung, Überraschung - tatsächlich noch etwas gewinnen: Nach dem 2:1 (1:1) gegen Nigeria könnte der Europameister von 2004, zum Auftakt von Südkorea gedemütigt, die Vorrunde doch noch überstehen. Der nächste Gegner heißt allerdings Argentinien.

Es ist recht schwierig, den Anteil Rehhagels an dem von seinen Spielern leidenschaftlich gewendeten Spiel gegen Nigeria zu bemessen. Die Antwort des Trainers auf das 0:2 gegen Südkorea hieß ja nur, die Defensive zu verstärken, was dann eine gute Idee gewesen wäre, wenn es denn schon eine nennenswerte griechische Offensive gegeben hätte, die so etwas hätte verkraften könnte. Doch offensiv war keine Elf bisher erbärmlicher als die Griechen, und auch in diesem Spiel deutete sich an: Solange diesen elf Zementatis, Betonidis und Blockanadis noch elf Nigerianer gegenüber standen, hatten sie keine Chance. Sie wirkten nicht einmal in der Abwehr sonderlich sicher, als seien sie einem fatalen Trugschluss erlegen: Wir sind ja so viele, da wird schon nix passieren.

Bei einem Freistoß in der 15. Minute bauten die fahrlässigen Griechen trotz des üppigen Abwehrmaterials eine sehr spärliche Mauer von nur zwei Mann, die Nigerias Kalu Uche aus 25 Metern mit Leichtigkeit überwand. Den so in den Strafraum gehobenen Ball berührte auch dort keiner der zahlreich anwesenden Griechen mehr und auch kein Nigerianer, die aber Griechenlands Torwart Tzorvas mit angedeuteten Kopfbällen derart getäuscht hatten, dass dieser sich voreilig in die rechte Ecke des Tores verfügte, der Ball jedoch in die leere linke Ecke fiel wie ein reifer Apfel vom Baum. Für die Griechen war es der Baum der Erkenntnis, dass es jetzt ganz schön eng für sie werden könnte.

Rehhagels ausgegebene Taktik, hinten abzuriegeln, war bereits früh nicht mehr zu retten, und wer weiß, was geschehen wäre, hätte nicht Sani Kaita seine freundliche Unterstützung angeboten. Kaita ist Nigerianer, und nachdem im Teamhotel am Morgen der Strom ausgefallen war, brannte auch ihm noch eine Sicherung durch. Er schubste und trat Vasilis Torosidis vor den Augen des Schiedsrichters, der für solche Fälle ein kleines rotes Kärtchen bei sich trägt, das er Kaita zeigte. Der Platzverweis in der 33. Minute kam früh genug, um Griechenlands Restmoral wiederzubeleben. Ab diesem Moment spielte Lazarus als zwölfter Mann in Rehhagels Team, das eine Auferstehung erlebte. "Herr Otto", wie ihn die griechischen Medien respektvoll nennen, auch wenn sie Storys bringen, wonach sein Nachfolger feststehen soll, Herr Otto sah in der 44. Minute den Ausgleich durch Samaras' abgefälschten Schuss.

Bei dieser WM hatte zuvor noch keine Mannschaft einen Rückstand in einen Sieg verwandelt, und es hatte vor dieser WM auch noch nie eine griechische Elf einen Sieg bei einem Weltturnier erreicht. Rehhagels Griechen schafften beides, weil Afrikas Fußball in diesen kalten Tagen von Südafrika kein Selbstvertrauen und keine Klasse besitzt, dafür einen gewissen Hang zur Selbstzerstörung. Es ist nicht so, dass sie in Unterzahl chancenlos gewesen wären oder dass sich das Schicksal gegen sie verschworen hätte. In der 59. Minute etwa hatte zuerst der nigerianische Kapitän Yobo im eigenen Strafraum einen Querpass auf Gekas gespielt, der künftig für Eintracht Frankfurt stürmen wird - aber vollkommen frei nur den Torwart traf. Im direkten Konter hätte Nigeria durch Obasi in Führung gehen müssen, aber er verfehlte das leere Tor um mehrere Meter.

Die Entscheidung fiel letztlich den Gesetzen des Turniers entsprechend nach einem Torwartfehler, Torosidis staubte einen von Enyeama fahrlässig in die Mitte gepatschten Ball ab zum 2:1 (71.). Endstand, aus - die antiken Griechen leben noch. "Jetzt freuen wir uns erst einmal über den Sieg, und gegen Argentinien sind wir dann klarer Außenseiter", sagte Rehhagel und lächelte wissend. Man sollte sich lieber schon mal ein paar Witze über den alten Maradona überlegen.

© SZ vom 18.06.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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