Fußball:Tops und Flops: Deutscher Glanz und Beißer Suárez

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Rio de Janeiro (dpa) - Das 7:1 der deutschen Nationalmannschaft im Halbfinale gegen Gastgeber Brasilien überstrahlt die spektakuläre WM am Zuckerhut. Doch es gab mehr als schwarz-rot-goldenen Jubel.

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Rio de Janeiro (dpa) - Das 7:1 der deutschen Nationalmannschaft im Halbfinale gegen Gastgeber Brasilien überstrahlt die spektakuläre WM am Zuckerhut. Doch es gab mehr als schwarz-rot-goldenen Jubel.

Gedemütigte Spanier, einen beißenden Uruguayer, zu wenige Gelbe Karten und einen Sunnyboy aus Kolumbien, den vor der WM kaum jemand kannte. Eine Übersicht über Tops und Flops vor dem Finalwochenende.

TOPS:

DEUTSCHLAND: Was für ein Fußball-Rausch! Das 7:1 im Halbfinale gegen Brasilien lässt die schweren Tage nach dem Zittersieg gegen Algerien wie ein Trugbild erscheinen. Das schwarz-rot-goldene Glücksgefühl ist grenzenlos. Jetzt muss am Sonntag der Titel her.

KLOSE & MÜLLER: Für einen Salto fehlte Klose nach dem Rekordtreffer die Kraft. 16 WM-Tore, was für eine Bilanz. Der entthronte Ronaldo musste fürs brasilianische TV kommentieren. Doch Vorsicht Miro: Der Nachfolger steht bereit. Thomas Müller hat auch schon 10 WM-Tore.

JAMES: Hand aufs Herz. Wer kannte vor der WM James Rodriguez? Jetzt kennt den Sunnyboy aus Kolumbien die ganze Fußball-Welt. Sechs Tore und ein Lächeln zum Steine erweichen. Diesen Kerl will man zum Schwiegersohn oder noch besser, als Stürmer in seinem Fußball-Team.

KROOS: Sollte der Vertrag bei Real Madrid doch noch nicht fix sein, müssen sich die Königlichen beeilen. Nach dieser WM scheint jede Fabelsumme gerechtfertigt. Bei der EM 2012 deprimierter Reservist, ist der Noch-Münchner auf dem Weg zum besten WM-Akteur am Zuckerhut.

NEUER: Der beste Torwart der Welt. Das sagen auch die Gegner. Der Bayern-Schlussmann spielt eine irre WM. Auf der Linie und als Libero. Neuer führt die lange Liste von Top-Keepern in Brasilien an. Costa Ricas Superheld Keylor Navas könnte bald sein Bayern-Back-up sein.

COSTA RICA: Das schaffte noch keiner. Drei Ex-Weltmeister in der Gruppe und alle wurden gedemütigt. Los Ticos rockten die WM und mussten erst nach dem Elfmeter-Krimi im Viertelfinale gegen Oranje die Heimreise antreten. Ein neuer Punkt auf der Fußball-Weltkarte.

WEBB UND CO.: Nein, nicht alle Schiedsrichter waren schlecht. Deutschlands Felix Brych zum Beispiel pfiff ordentlich. Der Engländer Howard Webb im Achtelfinale Brasilien gegen Chile sogar überragend. Im Lichte der vielen krassen Fehlentscheidungen ging das unter.

SÜDAMERIKA: Der Gastgeber-Kontinent hatte mehr zu bieten als seine Großmächte Brasilien und Argentinien. Mit Leidenschaft und Teamgeist überzeugten vor allem Kolumbianer und Chilenen. Als es drauf ankam, eliminierten sich die Conmebol-Teams aber gegenseitig.

GLT & SPRAY: Drin oder nicht drin? Das ist keine Frage mehr. Die Torlinientechnik hat den Härtetest bestanden. Keiner hätte das Frankreich-Tor gegen Honduras erkannt. Das neue Freistoßspray überzeugte auch. Eine visuelle Hilfe für Schiedsrichter und Fans.

FANS: Was für eine Stimmung, was für eine Fußball-Freude. Die Fans aus Südamerika machen diese WM zu einem Fest in vollen Stadien und auf den Prachtstraßen von Rio bis São Paulo. Stimmgewaltig, friedlich und farbenfroh. Da ziehen auch die Gäste aus Europa fröhlich mit.

VAN GAAL: Eitelkeit? Woher. Der Mann hat einfach Erfolg und ist sich nicht zu fein, sein Glück der Welt zu zeigen. Der Oranje-Coach hat bei der WM ein unglaubliches Händchen. Van Gott, Van Genial. Die Niederlande liegen ihrem Louis zu Füßen.

FLOPS:

SUÁREZ: Uruguays Superstürmer kann froh sein, nicht Ronaldos Sohn zu sein. Wenn seine Kinder beißen, sagte der Brasilianer, sperre er sie in einen dunklen Raum. Da akzeptiert Suárez für seinen erneuten krassen Ausraster bestimmt lieber die drastische FIFA-Sperre.

SELECAO: Ständig Gezeter, Geschrei und Geheule. Und dann so ein Desaster gegen Deutschland. Rekordchampion Brasilien hat bei der Heim-WM nie richtig ins Turnier gefunden und ist der große WM-Verlierer. Nix war's mit Hexacampeão - dem WM-Titel Nummer 6.

DILMA: Was für ein Rumgeeiere. Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff drückte sich vor ihrem Volk. Keine Rede bei der Eröffnungsfeier und lange Debatten, ob sie den WM-Pokal übergibt. Und: Es ist Wahlkampf. Diese Chance hätte sich Frau Merkel niemals nehmen lassen.

AFRIKA: Kein Mensch sagt mehr, dass der nächste Weltmeister aus Afrika kommt. Algerien und Nigeria kamen ins Achtelfinale, schön. Aber sonst wurden alle Negativklischees bestätigt. Prämienstreit und Korruptionsverdacht gehörten wieder zum Afrika-Repertoire.

GELBE KARTEN: Wo waren sie denn, man sah sie kaum. Seit 1986 wurden nicht mehr so wenige Gelbe Karten gezeigt. Ob nun FIFA-Anordnung oder nicht. Mehr Verwarnungen hätten mehr Demut bei den Spielern erzeugt. Ellbogenchecks, rüde Fouls und Schwalben gehören sanktioniert.

SPANIEN,ITALIEN,ENGLAND: Weltmeister raus, Ex-Weltmeister raus, Möchtegern-Weltmeister raus. Drei Großmächte aus Europa erlebten am Zuckerhut ein Desaster in der Gruppenphase. Die Ursachenforschung läuft. Zu starke Ligen in der Heimat könnten eine Erklärung sein.

WM-WETTER: Vielleicht lag es daran, dass der Kaiser von der FIFA gesperrt war. Im Gegensatz zu 2006 konnte Franz Beckenbauer kein Sommermärchen-Wetter herbeizaubern. Viel Regen störte manches Public Viewing. Kleiner Trost: Auch in Brasilien goss es oft wie aus Eimern.

NISHIMURA UND CO.: Haben die Tomaten auf den Augen? Die Leistungen vieler Referees waren WM-unwürdig. Los ging's beim Eröffnungsspiel mit dem Japaner Yuichi Nishimura. Doch woran lag's? Das Spiel ist zu schnell geworden, die Schiris brauchen wohl mehr Hilfe durch Technik.

MATCH AG: Es hätte eine schöne WM sein können für die FIFA. Doch dann deckt die Polizei Machenschaften auf - und eine Spur führt direkt zum FIFA-Partner Match AG: Illegaler Tickethandel! Kurz vor dem großen Finale steckt der Weltverband wieder einmal mitten in einem Skandal.

ASIEN: Null Siege, kein Team in der K.o.-Runde. Asien ist der Verlierer-Kontinent der WM. Wer geglaubt hätte, Klima und Spielstil würden Mannschaften wie Japan oder Südkorea entgegenkommen, der irrte sich. Es fehlte deutlich an Robustheit und Cleverness.

DISZIPLINARKOMMISSION: Die FIFA-Juristen soll einer verstehen. Harte Strafe gegen WM-Beißer Suárez, okay. Aber warum kommen andere mit Ellbogenchecks straflos davon? Das dicke Regelheft lässt Platz für alle von den FIFA-Oberen gewünschten Interpretationen, so scheint es.

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