Fußball:Scharfe Ansagen am Grill

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In Rio war noch alles in Ordnung für Melanie Behringer, nun beendet sie aufgrund einer Verletzung bald ihre Fußballkarriere. (Foto: Fernando Donasci/Reuters)

Ein gemeinsamer Restaurantbesuch? Oder doch eine Krisensitzung? Die deutschen Fußballerinnen haben nach durchwachsenen Leistungen eine Menge Gesprächsbedarf. Doch nach einem mühsamen 1:0 gegen China stehen sie im Halbfinale.

Von Jürgen Schmieder

Angesichts der Goldmedaille für die deutschen Dressurreiter wenige Minuten zuvor böte sich nun der Vergleich mit dem Pferd an, das stets nur so hoch springt, wie es muss. Weil es aber um die Teilnahme einer deutschen Mannschaft an einem Fußballturnier geht, könnte genauso gut der Begriff Turniermannschaft bemüht werden nach diesem mühevollen 1:0 der deutschen Fußball-Frauen im Olympia-Viertelfinale gegen China, bei dem Melanie Behringer ihre Kolleginnen mit einem wuchtigen Weitschuss erlöste - und die Chinesinnen kurz vor dem Ende noch einen Elfmeter verschossen.

Das Berufen auf die Tradition der Turniermannschaft wäre allerdings ein wenig irreführend, weil dieses olympische Turnier ja ehrlicherweise erst an diesem Donnerstag wirklich begonnen hat. In der Gruppenphase waren nur vier von zwölf Teilnehmern aussortiert worden - und die waren mit einem kumulierten Torverhältnis von 6:30 ausgeschieden. Es ging also erst vom Viertelfinale an so richtig los, für die favorisierten Amerikanerinnen war es dann auch gleich vorbei: Nach durchwachsenen Leistungen zuvor agierten sie auch gegen Schweden schwach und unterlagen im Elfmeterschießen. Solch ein Scheitern hatten die deutschen Frauen verhindern wollen und sich auch abseits des Trainingsplatzes vorbereitet. Sie wollten einen gemeinsamen Abend in einem Restaurant jedoch keineswegs als Krisensitzung interpretiert wissen und veröffentlichten lieber die verzehrten Köstlichkeiten (Grillspieße) als die besprochenen Themen.

Gleichwohl war aus den Aussagen von Trainerin Silvia Neid ("Wir müssen endlich die individuellen Fehler abstellen und auch im Spiel nach vorne besser werden") und Spielführerin Saskia Bartusiak ("Wir müssen die Kurve kriegen") herauszulesen, dass sie nicht zufrieden waren, wie dieses Turnier bislang verlaufen war.

Behringer prügelte den Ball aus 20 Metern unhaltbar in den rechten oberen Winkel

Zu den größten Irrtümern um diesen Mythos der Turniermannschaft gehört jener, dass die Verbesserung der Fähigkeiten auf zauberhafte Weise geschieht. Es liegt vielmehr daran, dass so eine Mannschaft unbedeutende oder bereits entschiedene Partien in der Vorrunde dafür nutzt, sich einzuspielen und Kräfte zu konservieren. Das ist bisweilen nicht besonders schön anzusehen, erfahrene Trainerinnen wie Neid wissen indes, dass es eine Goldmedaille nicht für einen Sieg beim ersten Gruppenspiel gegen Simbabwe gibt - und sie wissen, dass auch eine Turniermannschaft mal die scharfe Ansage braucht, dass es nun ernst wird. "Wir müssen ab sofort unsere Bestform abrufen", hatte Neid deshalb gesagt.

Es war gewiss keine Bestform, die die deutschen Frauen präsentierten. Aber sie haben die Kurve gekriegt, ein kniffliges Hindernis übersprungen. Die chinesische Elf beschützte das eigene Tor mit einem Zehn-Frau-Bollwerk und konzentrierte sich ausschließlich auf die Destruktion deutscher Angriffe - am Überschreiten der Mittellinie zeigte sie kaum Interesse. Das von der deutschen Elf gewählte Stilmittel waren aus dem Halbfeld in den Strafraum gebolzte Bälle. Das war in etwa so kreativ wie ein schwarzer Strich auf weißem Papier, führte jedoch zu drei Gelegenheiten durch Leonie Maier (7.), Alexandra Popp (12.) und Saskia Bartusiak (33.).

In der zweiten Halbzeit, vor allem nach dem Feldverweis für die Chinesin Shanshan Wang (57.), drang die deutsche Elf häufiger bis zur Grundlinie vor, die Flanken von dort aus waren gefährlicher, die Abwehraktionen hatten meist einen Eckball zur Folge. Das führte zum erst auf der Linie gestoppten Kopfball von Tabea Kämme (55.) und zu Chancen für Alexandra Popp (59.) und Sara Däbritz (70.).

Weil alles nichts half, vertraute Melanie Behringer eine Viertelstunde vor dem Ende auf die mindestens 500 Jahre alte Fußballweisheit, nach der eine Spielerin den Ball ins Tor schießen soll, wenn sie sonst keine Möglichkeit zur Spielfortsetzung sieht: Behringer prügelte des Spielgerät aus 20 Metern unhaltbar in den rechten oberen Winkel. Danach überschritten die Chinesinnen tatsächlich zwei Mal die Mittellinie, ein Mal kamen sie sogar in den Strafraum: Foul. Elfmeter. Doch Chen Gao setzte den Ball an den Innenpfosten.

Das Turnier geht weiter für die deutschen Fußballfrauen, sie spielen am Dienstag gegen den Sieger der Partie Kanada gegen Frankreich ( bei Redaktionsschluss noch nicht beendet) um den Einzug ins Finale. Das sind knifflige Gegner, aber die Elf von Silvia Neid hat nun gezeigt, dass sie in der Lage ist, ihre Sprungkraft der Höhe des Hindernisses anzupassen.

© SZ vom 13.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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