Fußball:Report: Deutscher findet im Dschungel sein Glück

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Manaus (dpa) - Das vielleicht exotischste Public Viewing der Welt erreicht man nur mit einem Boot. Rund 30 Minuten von der Küste der Millionenmetropole Manaus entfernt im Dschungel liegt der Ort Tupé, wo Christian Blankenhorn sein Glück gefunden hat.

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Manaus (dpa) - Das vielleicht exotischste Public Viewing der Welt erreicht man nur mit einem Boot. Rund 30 Minuten von der Küste der Millionenmetropole Manaus entfernt im Dschungel liegt der Ort Tupé, wo Christian Blankenhorn sein Glück gefunden hat.

Der Deutsche verliebte sich während eines Urlaubs Knall auf Fall in die Tochter eines Tucano-Häuptlings, heiratete sie und lebt mit ihr in dem kleinen Dorf mit seinen rund 100 Einwohnern im Nirgendwo des Amazonasgebiets. „Meine Frau ist der größte Traum, den ich mir erfüllen konnte“, erzählt der Ingenieur der Nachrichtenagentur dpa.

Für die WM in Brasilien hat Blankenhorn das TV-Gerät in das luftige, aber zumindest überdachte Wohnzimmer gestellt. Blankenhorns Frau sorgt für die passende Schminke in den jeweiligen Nationalfarben, an einer Wand hängt der Spielplan und die Nachbarn kommen zum Gucken. Es ist wie ein Public Viewing im Paradies.

Blankenhorn kam vor vier Jahren als Tourist hierher, auch er wollte sich eine der Vorführungen der Indianer ansehen. Dann sah er Giseli Umussy. Der heute 40-Jährige wollte nur ein Wort mit ihr wechseln, was für ihn schwierig genug war, denn er sprach kein Portugiesisch. Über Facebook kamen sie sich später näher, mittlerweile sind sie nach ungeschriebenem, aber innerhalb der Gemeinschaft geschütztem Gesetz verheiratet und haben eine kleine Tochter namens Luna Whissu Eowyu.

„Ich war damals viel zu schüchtern“, erinnert sich Blankenhorns Frau an das erste Treffen. Ihr Vater, Raimundo Kissibi Kumu, sei ziemlich misstrauisch gewesen, erzählt der Abenteurer. „Sie hat sich aber für mich entschieden, und er hat das angenommen.“ Sein Schwiegervater, der früher an der kolumbianischen Grenze lebte, hat das Sagen im Dorf. Immer wenn die kleinen Boote die Touristen am Ufer ausspucken, präsentiert er festlich geschmückt zusammen mit den zahlreichen weiteren Einwohnern im Ritualhaus die traditionellen Tänze.

Blankenhorn und seine Familie leben in sehr einfachen Verhältnissen, einen Kühlschrank haben sie jedoch mittlerweile. Werkzeug und technische Ausrüstung hat er aus Deutschland mitgebracht. Das neue Klo ist erst vor kurzem fertig geworden, das Haus mit Veranda steht. „Ich will die Infrastruktur schaffen, um hier länger bleiben zu können“, erzählt der gebürtige Starnberger.

Drei Monate im Jahr erlaubt es ihm sein Job, in Brasilien zu bleiben. Den Rest verbringt er mit Arbeiten. Gegen ein Angebot aus São Paulo hat sich seine Frau ausgesprochen. „Die Frauen dort sind zu aggressiv, sie würden mich vom Markt nehmen“, erläutert Blankenhorn die Bedenken seiner Gattin. Vielleicht kann er ab kommendem Jahr mehr Zeit in Tupé verbringen. Für seine Arbeit braucht er aber Elektrizität. Strom ist jedoch im Dorf nur bedingt verfügbar, eine Internetverbindung kaum zuverlässig.

Warum entscheidet man sich für so ein Leben? Ist es der Traum von einem paradiesischen Blick auf das Wasser? Die Sehnsucht nach Abgeschiedenheit? Oder der Wunsch nach einer Urtümlichkeit, die Jaguare, Affen und Krokodile in unmittelbarer Nachbarschaft vermitteln? „Ich wollte schon als kleiner Junge später mal als Geologe in die Bäume im Urwald klettern“, erklärt er seine Sehnsucht. In den vergangenen zehn Jahren sei er durch die Welt gereist und habe verschiedene Abenteuer erlebt. „Glücklicherweise ist meine Reise hier im Urwald gelandet, mit einer Frau, die wie Pocahontas aussieht und quasi die Prinzessin von diesem Dorf ist.“

Die Anfänge waren auch für Blankenhorn gewöhnungsbedürftig. Da das Haus damals noch lange nicht fertig war, schlief er zusammen mit seiner heutigen Frau zunächst hinter dem Ritualhaus in einer doppelten Hängematte mitten im Urwald. Bis auf fünf Meter näherte sich eines Nachts einmal ein Jaguar an. „Da war ich das erste Mal richtig steifgefroren“, berichtet Blankenhorn.

Die Angst ist das eine, die Nachhaltigkeit das andere. Blankenhorn ist kein Zivilisationsverweigerer, aber er weiß um den Wert von Tradition - auch und Pragmatismus. Dem Stamm hat er beigebracht, seine Einkaufstouren per Boot auf einmal alle zwei Wochen zu takten, um Geld zu sparen. Seine Tochter soll ihre Herkunft immer in sich tragen. „Sie muss ihre Wurzeln hier haben“, betont er. „Sie muss immer wissen, dass sie eine Tucano ist.“

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