Fußball-Regionalliga:Eine Erkenntnis und ein Punkt

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Beim 1:1 im Regionalliga-Spitzenspiel gegen Türkgücü München zeigt der FC Schweinfurt 05, dass er es inzwischen versteht, mit Rückschlägen umzugehen.

Von Sebastian Leisgang

Als Timo Wenzel am späten Montagabend nach Hause kam, konnte er noch nicht loslassen. Es gab da eine Szene, die ihn umtrieb. Bevor er also gegen drei Uhr morgens ins Bett fiel, schaute er sich das Spiel gegen Türkgücü München noch einmal in voller Länge an. Als er dann sah, wie sein Kapitän Stefan Kleineheismann den Ball im gegnerischen Strafraum annahm, wie er ihn einmal auf dem Boden aufspringen ließ und wie er ihn dann mit einem wuchtigen Schuss zum zweiten Mal an diesem Abend ins Tor beförderte, da unterbrach Wenzel die Aufnahme. Schweinfurts Trainer spulte zurück, schaute sich die Szene ein zweites Mal an und spulte wieder zurück.

Stunden zuvor, auf dem Rasen des Willy-Sachs-Stadions, hatte Schiedsrichter Thomas Berg das Tor vor Wenzels Augen nicht anerkannt - er hatte ein Handspiel bei Kleineheismanns Ballannahme gesehen. Jetzt sagt Wenzel: "Ich habe es als Brust empfunden." Auch Türkgücüs Torwarttrainer Michael Hoffmann habe nach dem Spiel eingeräumt, dass es ein reguläres Tor gewesen sei, sagt Wenzel. Aber: "Bei mir überwiegt der Stolz. Die erste Halbzeit war definitiv nicht gut, dann hat die Mannschaft aber eine Reaktion gezeigt - genau so, wie ich mir das vorgestellt habe." Und tatsächlich war das die zentrale Erkenntnis des Montagabends: Die Schweinfurter können aufstehen, wenn sie fallen.

Um zu begreifen, warum das eine Errungenschaft ist, muss man auf ein Spiel vor knapp einem Jahr zurückgehen. Da spielten die Nullfünfer im Grünwalder Stadion gegen die Reserve des FC Bayern München. Auch damals stand Wenzel an der Seitenlinie, seine Mannschaft aber war eine andere. Luis Zwick, Sascha Korb, Amar Suljic und Tim Danhof zählten noch nicht zum Schweinfurter Kader, Gianluca Lo Scrudato und Florian Pieper saßen auf der Bank, und Kleineheismann kam gar nicht erst in die Versuchung, ein Tor zu schießen - er fehlte mit einer Rotsperre. So fanden sich an jenem Freitagabend in München mit Lukas Billick, Marco Fritscher, Kevin Fery und Adam Jabiri gerade einmal vier Spieler in der ersten Elf, die nun auch gegen Türkgücü von Beginn an spielten. Sie erlebten, wie die Bayern erst ein Tor schossen, dann noch eines, dann ein drittes und schließlich noch ein letztes. Die Frage, ob die Nullfünfer oder die Bayern am Ende der Saison das Rennen um den Titel machen würden, sie war im Grunde schon an diesem Dezemberabend beantwortet.

Torjäger Jabiri zieht sich eine Hüftprellung zu und fällt aus

Ein paar Monate nach dem Debakel in München krempelten die Verantwortlichen den Kader um. Die Saison hatte ihnen vor Augen geführt, dass den meisten Spielern vor allem eines fehlte: Mentalität. Sie war das Schlagwort bei allen Verpflichtungen. Die Schweinfurter, das zeigen die Lebensläufe vieler Zugänge, suchten gezielt Spieler, die an jede Chance glauben. Wer nun sah, wie sie Türkgücü nach zuvor drei Pflichtspielniederlagen begegneten, wie sie die frühe Verletzung von Torjäger Jabiri wegsteckten (15.), wie sie das Gegentor verkrafteten (42.) und wie sie sich in der zweiten Hälfte mit dem 1:1 durch Kleineheismann (47.) und einem erstaunlichem Kraftakt zurückmeldeten - wer all das sah, der verstand jene Botschaft, die in den 90 Minuten steckte: Schweinfurt kann jetzt mit Rückschlägen umgehen.

Eine Erkenntnis, die durchaus als Signal an all die anderen da draußen aufzufassen ist: Hey, ihr könnt uns gar nix. Dieses Jahr ist mit uns zu rechnen.

Wenn man Wenzel jetzt noch einmal auf jenen düsteren Dezemberabend im Grünwalder Stadion anspricht und um einen Vergleich mit dem Auftritt gegen Türkgücü bittet, dann sagt er: "Das ist ein Step nach vorne." Die Parallelen sind ja ebenso wenig zu übersehen wie der wesentliche Unterschied: Auch vor knapp einem Jahr waren die Schweinfurter nach sechs Spielen ohne Sieg ziemlich angeschlagen, als sie auf den Tabellenführer trafen. Auch damals stand eine Menge auf dem Spiel. Auch damals geriet Wenzels Team in Rückstand - und dann zerfiel es wie ein Kartenhaus im Wind, während es nun standhielt. Deshalb betont Wenzel: "Ich finde, dass wir positiv aus dem Spiel rausgehen können. In der zweiten Halbzeit haben wir eines der besten Spiele überhaupt gemacht."

Und doch: Außer einer Erkenntnis und zumindest einem Punkt haben die Schweinfurter im Grunde nichts gewonnen. Im Gegenteil, sie haben Jabiri mit einer Hüftprellung verloren. Am Samstag, bei der Partie in Eichstätt, wird der Angreifer aller Voraussicht nach ausfallen. Erst eine Woche später in Aubstadt dürfte Jabiri wieder spielen können. Zu den beiden Auswärtsspielen sagt Wenzel: "Es wird richtig schwer, aber da dürfen wir nicht viel liegen lassen." Seine Mannschaft steht ja immer noch drei Punkte hinter Türkgücü München - nicht zuletzt, weil Kleineheismann am Montagabend ein Tor erzielte, gegen das der Schiedsrichter etwas einzuwenden hatte.

© SZ vom 23.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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