Fußball-Regionalliga:Comedy auf der Trainerbank

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Mit einer Unterhaltungsshow will Aschaffenburg die fußballfreie Zeit überbrücken.

Von Christian Bernhard

Die Trainerbänke im Aschaffenburger Stadion am Schönbusch sind derzeit unbesetzt, so wie in allen Fußball-Stadien. Demnächst werden dort ausnahmsweise Unterhaltungskünstler Platz nehmen, um in Zeiten von Corona gute Laune zu verbreiteten - und um dem Regionalligisten Viktoria Aschaffenburg Gutes zu tun. Die Online-Unterhaltungsshow "Viktoria lacht im Netz" soll die wirtschaftliche Situation des Corona-gebeutelten Klubs verbessern. Sie ist eine virtuelle Neuauflage der Benefizveranstaltung "Viktoria lacht", die 2019 zur Aufführung gekommen war. "Diese Idee wollen wir jetzt virtuell wiederbeleben", sagt Manfred Fleckenstein, Finanzvorstand des Regionalligisten.

Aufgezeichnet wird die Show im Mai im leeren Aschaffenburger Stadion, die Trainerbank wird dabei zur Hauptbühne. Vier in der Region bekannte Künstler, darunter Henni Nachtsheim vom Komikerduo Badesalz, kreieren ein eineinhalbstündiges Standup-Comedy-Programm mit Bezug zum Fußball, welches am 7. Juni für das Publikum kostenpflichtig (für 11,11 Euro) gestreamt wird. Gastronomen bieten dazu ein "Theater-Menü" an, das sie den Zuschauern nach Hause liefern. All das wird gemacht, da der Regionalligist "in einer ernsten Situation" ist, wie Fleckenstein sagt. An Ostern hatten die Klubverantwortlichen deshalb einen offenen Brief des Vorstands veröffentlicht. Darin teilten sie mit, dass ein "Notfallplan" aktiviert worden sei. Ein Satz aus dem Brief blieb besonders hängen: "Wir haben leider keinerlei finanzielle Reserven." Die Situation sei ernst, "aber beherrschbar", sagt Fleckenstein nun.

Die offene Kommunikation ist für den selbstständigen Finanzcoach der einzige Weg, um Vertrauen zu schaffen: "Wir haben nichts zu verbergen, wir haben kein Missmanagement betrieben." Fleckenstein verweist darauf, dass bei der Viktoria "alles auf Kante" genäht sei. Wir kommen gut über die Runde, so lautet seit Jahren die Devise im Verein, sagt er. "Für ein Festgeldkonto hat es aber leider noch nicht gereicht." Der Klub sei seit Jahren "mit einer Unterdeckung in die Saison gegangen", erklärt der Finanzvorstand, "über die Jahre hinweg ist es immer wieder gelungen, diese Unterdeckung zu schließen."

Durch die Corona-Pandemie fehlt der Viktoria nun aber ein fünfstelliger Betrag aus dem laufenden Spielbetrieb. "Das schlägt dann sofort durch", sagt Fleckenstein, der für diverse Großbanken gearbeitet hat. Das Netto-Loch bis zum 30. Juni, dem eigentlichen Saisonschluss, beläuft sich auf rund 70 000 Euro, rechnet man weiter bis zum 31. August - bis dahin hat der Bayerische Fußballverband BFV die Saison ausgesetzt -, kämen noch einmal um die 30 000 Euro hinzu. Macht eine runde Summe von etwa 100 000 Euro. Auffangen will der Verein dieses Minus mithilfe eines Drei-Säulen-Modells. Säule Nummer eins ist der Versuch, Einnahmeausfälle durch andere Einnahmen zu kompensieren. Das Online-Event fällt in diese Kategorie, zuvor wurden bereits Geisterspieltickets verkauft und ein Spendenportal eingerichtet. Eingebracht haben diese zwei Aktionen bisher 15 000 Euro.

Die zweite Säule betrifft die Kosten und damit in erster Linie die Spieler- und Trainergehälter. Für die wurde im April und Mai Kurzarbeit beantragt, "das erleichtert uns die Kostenseite deutlich", sagt Fleckenstein. Jenen Spielern, die bei Viktoria als Minijobber angestellt sind und dadurch nicht unter die Kurzarbeiterregelung fallen, hat der Verein die "gleiche Quote zugesagt", erklärt der Finanzvorstand; sie erhalten also auch 60 Prozent ihres Gehaltes. Säule drei ist die Planung der neuen Saison "im Rahmen der aktuellen Möglichkeiten". Bis Mitte Mai will der Verein mit seinen Partnern klären, welche Verträge unverändert bleiben und welche nach unten angepasst werden müssen. Fleckenstein erlebt in den Gesprächen "sehr viel Solidarität und Loyalität". Trotz der Corona-Pandemie hätten bisher nur vier von rund 80 Partnern mitgeteilt, dass sie ihren Vertrag reduzieren oder kündigen müssen.

Da der Ball derzeit nicht rollt, sei die Arbeit rund um den Fußball aktuell sehr trocken und "sehr kaufmännisch gesteuert", sagt der Finanzvorstand, das mache in der Liga keinem Spaß. Aktuell müsse aber akzeptiert werden, dass der Fußball, der gerne als die schönste Nebensache der Welt bezeichnet wird, "jetzt eben eine Nebensache ist". Fleckenstein ist überzeugt, dass der Verein die spielfreie Zeit bis zum 31. August wirtschaftlich überstehen wird. "Das kriegen wir gewuppt." Irgendwann müssen aber auch im Stadion am Schönbusch wieder Trainer und Spieler die Hauptakteure auf dem Rasen sein - nicht Unterhaltungskünstler.

© SZ vom 05.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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