Fußball: Italien - Brasilien:Luca Toni spielt Handball

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Bei einem von Unstimmigkeiten überschatteten Luxus-Testspiel demütigt Brasilien die Auswahl Italiens.

Birgit Schönau

Mit einer gewissen Großspurigkeit hatte der italienische Nationaltrainer Marcello Lippi das Luxus-Freundschaftsspiel Brasilien gegen Italien zum "Welt-Derby" verklärt. Vor dem Spiel, natürlich. Tatsache ist, dass die TV-Rechte der Begegnung vor 60.000 zahlenden Zuschauern im Londonder Emirates-Stadion an 152 Sender in aller Welt verkauft werden konnten. Weil die Mehrfach-Weltmeister Brasilien (fünfmal) und Italien (viermal) nicht an einem vulgären Mittwochs-Termin spielten, sondern exklusiv am Dienstag. Darauf hätten natürlich auch andere kommen können.

Duell unter Bayern: Italiens Luca Toni (Mitte) im Zweikampf mit Brasiliens Lúcio (rechts). (Foto: Foto: dpa)

So aber sah eine nicht unerhebliche Menge von Menschen aus aller Herren Länder nicht nur ein Spiel, das 2:0 für Brasilien endete. Zu sehen war auch, wie Luca Toni Handball spielte. Es war eine der bemerkenswertesten italienischen Szenen in diesem Spiel, abgesehen von dem zu Unrecht abgepfiffenen Treffer von Fabio Grosso in der 5. Minute und dem grotesk verunglückten Versuch eines Fallrückziehers von Nicola Legrottaglie, der Sekunden später mit dem grandiosen 2:0 von Robinho gekontert wurde.

Luca Toni jedenfalls, nach der Pause für den bis zur Unkenntlichkeit verblassten Alberto Gilardino eingewechselt, fing eine Flanke von Andrea Pirlo, indem er einfach die überlangen Arme ausbreitete und den Ball kurz und herzlich ans Herz drückte, bevor er ihn fallen ließ und mit dem Fuß ins Tor beförderte. Auch dieser Treffer wurde annulliert, diesmal ohne den Anflug eines Zweifels.

Und Tonis Gesten der Ahnungslosigkeit wirkten nicht sehr überzeugend. Er bekam noch eine Chance und konnte sie nicht nutzen, er stand zwei Meter vor dem Tor, zog ab und traf nur Torwart Julio Cesar. Das war zehn Minuten vor Schluss, danach gaben Toni und Italien sich geschlagen.

Es war auch wirklich so gut wie nichts auszurichten gegen einen Gegner, der demütigend lässig die Partie dirigierte, mit zwei Konter-Toren innerhalb einer Viertelstunde (Elano 13., Robinho, 27.), der also schon vor der Pause die Pflicht erledigt hatte und nun eine Kür zeigen konnte, die das Publikum im Stadion von Arsenal zu Begeisterungsstürmen hinriss.

Da tanzte die Milan-Reserve Ronaldinho den Teamkollegen Gianluca Zambrotta schwindlig - dabei erwies sich der laufstarke 32-Jährige als bester Azzurro auf dem Platz. Da stob selbst der massige Adriano, bei Inter Mailand vielgeschmäht als elephant terrible, der verzagten italienischen Abwehr fast leichtfüßig davon, und der elegante Robinho deklassierte den verwirrten Andrea Pirlo.

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Im Duell der Bayern Toni und Lúcio hatte der Brasilianer einen schweren Stand gegen den größeren Italiener. Doch Lúcio bewies eine Disziplin, die Steine zermahlen hätte. Selbst der leuchtend ampelrot gewandete Gigi Buffon konnte dem Vergleich mit dem Inter-Schlussmann Julio Cesar nicht standhalten. Der Brasilianer trug unauffälliges Grau und hielt besser.

Viele Spieler im Team des brasilianischen Trainers Carlos Dunga sind in Italien unter Vertrag: Julio Cesar, Maicon, Adriano bei Inter, Ronaldinho, Pato und Thiago Silva beim AC Mailand, Juan und Baptista beim AS Rom, Felipe Melo beim AC Florenz. Es fehlten der verletzte Kakà und Amauri, den Dunga für Luis Fabiano nachnominieren wollte.

Amauris Arbeitgeber Juventus Turin gab dem Nationaltrainer jedoch einen Korb mit dem Argument, die Anfrage sei nicht fristgerecht erfolgt. Und Dunga reagierte höchst verschnupft. Er selbst hätte sich als Spieler nicht von seinem Klub daran hindern lassen, für Brasilien zu spielen, ließ er Amauri ausrichten. Und: Manchmal käme die Chance, Nationalspieler zu werden, übrigens auch nicht wieder.

Amauri, mit 28 Jahren neuer Star bei Juventus, hat womöglich zu hoch gepokert. Der Brasilianer mag sich nicht zwischen der Seleçao und der Squadra Azzurra entscheiden. Dass Amauris Ehefrau italienische Vorfahren hat, brachte den Stürmer für Lippis zuletzt offensivschwache Nationalelf ins Gespräch - und der Trainer zeigte sich nicht abgeneigt. Doch bis Amauri die italienische Staatsangehörigkeit erhält, können noch Monate vergehen. Und dann ist Brasilien wohl keine Alternative mehr.

Nicht nur der Fall Amauri hatte die erste Begegnung zwischen Italien und Brasilien seit zwölf Jahren mit Unstimmigkeiten belastet. Weil Brasilien sich weigert, den in Italien als Linksterroristen verurteilten Cesare Battisti an sein Heimatland auszuliefern, wollten mehrere Minister der Berlusconi-Regierung das Match ganz streichen. Brasilien gegen Italien sei schon deshalb kein Freundschaftsspiel, weil Italien mit Brasilien nicht mehr befreundet sei, sagte der Verteidigungsminister und verzichtete mit großer Geste auf seine Eintrittskarte.

Stunden vor dem Anpfiff protestierte eine ultrarechte Organisation vor dem römischen Sitz des Fußballverbandes Federcalcio gegen das Spiel. Die Federcalcio verwahrte sich aber gegen diese Einmischung der Politik. Ganz davon abgesehen erbrachte der Auftritt in London 3,5 Millionen Euro. Marcello Lippi, der, bis Dienstag seit 31 Länderspielen ungeschlagen, nun erleben musste, wie seine Elf beim "Welt-Derby" gegen ein Team von einem anderen Planeten unterging, beschloss sehr wortkarg: "Heute ist Brasilien stärker. Nächstes Jahr haben wir sie eingeholt, wer weiß." 32 ungeschlagene Länderspiele wären übrigens Weltrekord gewesen.

© SZ vom 12.02.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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