Fußball in Italien:Trau keinem über 45

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Mit einem jungen Trainer und einer neuen Mannschaft kämpft Juventus Turin gegen den Imageverlust der Serie A. Doch so ganz hat der Klub die Vergangenheit nicht abschütteln können.

Birgit Schönau

Ein Gespenst geht um in den italienischen Trainingslagern, das Phantom des Guardiolismus. Der Erfolg des Pep Guardiola mit dem FC Barcelona hat Italiens schwerfällig gewordene Serie A so beeindruckt, dass sich mehr als ein Traditionsklub "il Guardiolismo" verschrieben hat. Jung muss der Trainer sein, trau keinem über 45. Und, nun ja, billig ist auch nicht zu verachten. Bei Milan und Juventus, Catania und Cagliari, Atalanta Bergamo und Lazio Rom arbeitet jetzt eine neue Trainergeneration, die sich vor allem durch eines auszeichnet: Es handelt sich - mit Ausnahme des glücklosen Ex-und-Hopp-Nationaltrainers Roberto Donadoni vom SSC Neapel - um international unbeschriebene Blätter.

Auf Diego ruhen die Hoffnungen vieler Fans von Juventus Turin. (Foto: Foto: dpa)

Sogar die alte Dame Juventus aus Turin hat sich, nachdem sie den Grandsigneur Claudio Ranieri vorzeitig abserviert hatte, einem Jungspund anvertraut. Der 42-jährige Ciro Ferrara hat zwar lange Jahre als braver Betonmischer in der Juve-Abwehr gespielt, aber nie zuvor eine Erstligamannschaft betreut. Jetzt dirigiert er seine ehemaligen Teamgefährten Gigi Buffon, Alessandro Del Piero und Fabio Cannavaro, dazu die brasilianischen Neuankömmlinge Diego (von Werder Bremen) und Felipe Melo (AC Florenz).

Der erste Test - ohne Diego - gegen die Franzosen von AS Nancy erwies sich für Ferrara als ernüchternd; 1:1, ein Tor von Amauri und ein kapitaler Abwehrfehler. "Wir müssen aggressiver werden und lange Bälle vermeiden”, verordnete Ferrara. Ciro Ferrara ist ein typisches Beispiel für den Guardiolismo all'italiana. Doch auch dieser Jüngling kommt nicht aus dem Nichts, sondern direkt aus der Schule von Marcello Lippi.

Unter Lippi, 61, spielte der Neapolitaner in seiner Heimatstadt, mit Lippi ging er dann vom SSC Neapel zu Juventus. Später berief Lippi seinen Lieblingsspieler als seinen Assistenten zur Nationalmannschaft. Ferrara jubelte mit beim WM-Sieg 2006 in Berlin, anschließend, während der kurzen Ära Donadoni, überwinterte er als Jugendtrainer bei Juventus. Dass er jetzt dort die Nummer eins geworden ist, gilt vielen als Akt der Restauration.

Denn die Zeit der Experimente ist vorbei, sie ist nicht mehr als eine Fußnote der Klubgeschichte. Erst die Rückkehr nach dem Zwangsabstieg aus der zweiten Liga, dann ein bisschen Werkeln unter dem wieder verscheuchten Trainer Claudio Ranieri, und schwupp: Voilà Madame Juventus! Ganz die alte, nur gebührend Fassaden erneuert, böse Zungen würden sagen, das fußballerische Gegenstück zur derzeit noch berühmteren Turinerin Madame Bruni.

Auch bei Juventus regieren die Franzosen, in Person des kühlen Generals Jean-Claude Blanc. Er hat seinem Sportdirektor Alessio Secco Anweisung gegeben, nicht mehr allzu offensichtlich Kontaktpflege mit einem gewissen Signor Luciano Moggi zu betreiben, der mit Berufsverbot belegten Zentralfigur des Manipulationsskandals von 2006. Secco, der Mann, der Diego nach Turin lockte, entstammt noch der alten Moggi-Schule. Genau wie Lippi, genau wie Ferrara. Und bei der neuen alten Juve tauchen auch die Agnelli-Enkel wieder am Trainingsplatz auf.

Enkel Lapo, dessen Skandalnacht bei Kokain und einem jungen Mann namens Roberta nebst Nachbehandlung in einer bekannten amerikanischen Suchthilfe-Klinik auch schon fast wieder vergessen ist, trommelt hinter den Kulissen, weil er Präsident werden möchte. Beschäftigungstherapeutisch mag das sinnvoll sein, aber die Juve hält sich gegenüber diesem Lapo aus dem Agnelli-Clan noch bedeckt.

50 Millionen Euro für zwei Brasilianer

Stattdessen macht man endlich wieder Schlagzeilen, wo sie angebracht sind: Auf dem Transfermarkt, wo die Juventus die Mailänder Konkurrenz nach Jahren auf die Plätze verwiesen hat (in Rom kämpft man derweil ums Überleben, aber das ist eine andere Geschichte). Die Verpflichtung von Diego gilt in Italien als größter Coup des Sommers, artig schwärmt der Alt-Juventino Michel Platini: "Mir gefällt diese Nummer 10. Man muss wieder mehr über solche Spieler sprechen, das begeistert die Jugend für den Fußball. Das klingt pastoral, für ein Wort zum Juve-Sonntag ist Platini - heute Präsident des europäischen Fußball-Verbandes Uefa - eben immer noch gut.

50 Millionen Euro haben die Turiner für die Brasilianer Diego und Melo ausgegeben, zudem kehrte Defensivkraft Fabio Cannavaro von Real Madrid zurück. Allerdings unter Protest der Tifosi, die ihn sogar im Trainingslager in den Dolomiten mit Schmähungen bedenken. Cannavaro ist ein Freund des neuen Trainers, mit Ferrara hat der Weltmeister eine Fußballschule in Neapels Gomorrha-Viertel Scampia eröffnet. Ob der Routinier der müden Juve-Abwehr Schwung verleihen kann, ist indes fraglich.

Man kann sich vorstellen, dass Ferrara nun nicht die Mannschaft auf Diego zuschneiden wird, aber Diego soll beweisen, dass die Serie A nicht alles an Attraktivität eingebüßt hat, auch wenn die ganz Großen lieber in Spanien und England spielen. Und trainieren, natürlich: Capello, Ancelotti, Trapattoni haben alle die Schule von Juve durchlaufen, bevor sie zur Kolonialisierung des Fußball-Mutterlandes ausrückten. Derweil ihre jungen Nachfolger sich an einem Herrn aus Spanien abarbeiten: "Ich heiße nicht Pep, hat Ferrara klargestellt: "Ich bin nicht Guardiola. Es klang wie: Hab' ich doch gar nicht nötig.

© SZ vom 21.07.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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