Fußball in der Ukraine:Ein oligarchisches Rundum-sorglos-Paket

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Ob Vereinsfußball oder EM 2012: Einige wenige Männer haben den ukrainischen Fußball fest im Griff - eine gefährliche Abhängigkeit.

Johannes Aumüller

Der Mann auf der Tribüne des Stadions in Charkow jubelte so ausgelassen wie Fans auf der Tribüne nun einmal jubeln, wenn sich ihre Mannschaft in einem Wettbewerb gegen einen großen Favoriten durchsetzt. Doch der Mann, der sich so sehr über das 2:0 gegen Sampdoria Genua in der Zwischenrunde des Uefa-Pokals freute, sitzt normalerweise gar nicht auf der Tribüne, um die Spiele von Metalist Charkow zu sehen, sondern schön gemütlich in der VIP-Loge. Alexander Jaroslawskij, 49, ist der Präsident des Klubs, zugleich einer der reichsten Männer des Landes.

Im Uefa-Pokal-Achtelfinale treffen die ukrainischen Teams Dynamo Kiew (im Bild Carlos Corrêa, links) und Metalist Charkow aufeinander. (Foto: Foto: AP)

Jaroslawskij ist noch nicht lange im Fußball-Geschäft, und dennoch gehört er schon zu den Männern, in deren Abhängigkeit sich der ukrainische Fußball begeben hat und die in dem osteuropäischen Land für einen kleinen Aufschwung sorgen: Mit Charkow, Dynamo Kiew und Schachtjor Donezk stehen gleich drei Teams im Uefa-Pokal-Achtelfinale. 2004 übernahm Jaroslawskij Metalist Charkow, das damals noch in der zweiten Liga herumdümpelte.

Dann investierte er viel Geld, verpflichtete einige ausländische Spieler und einen profilierten Trainer, und sukzessive arbeitete sich der Verein nach oben - bis ins Uefa-Pokal-Achtelfinale (Rückspiel am Donnerstag um 18 Uhr gegen Kiew) und auf den derzeit dritten Platz in der ukrainischen Premjer-Liga.

Doch der Vereinsfußball ist Jaroslawskij nicht genug, nun hat er auch noch die EM 2012 als lohnendes Geschäftsfeld entdeckt. Weil das eigentlich als Austragungsort vorgesehene Lwow (Lemberg) mit massiven Schwierigkeiten beim Stadion- und Flughafenbau zu kämpfen hat, steigt die Chance, dass Charkow zum Zuge kommt. Denn dort garantiert Jaroslawskij den Bau eines neuen Stadions und auch eines neuen Flughafens, EM-Spiele in Charkow wären möglich. 20 Millionen Euro für eine neue Mannschaft plus 50 Millionen Euro für ein neues Stadion plus 200 Millionen für einen neuen Flughafen - mit diesem Rundum-sorglos-Paket prägt Jaroslawskij den Fußball.

Dabei ist er nicht der Einzige, der so flächendeckend in alles investiert, was mit dem Thema Fußball zu tun hat. Jede Stadt hat ihren Jaroslawskij. Da ist zum Beispiel Igor Kolomoiskij, Chef der einflussreichen "Privat"-Holding, Bauherr des EM-Stadions in Dnjepropetrowsk und Präsident von Dnjepr Dnjepropetrowsk, dem nächsten ukrainischen Klub, der in Europa für Überraschungen sorgen kann. Oder Rinat Achmetow, den umstrittenen Mäzen von Schachtjor Donezk, der mit seinen Millionen dafür sorgte, dass Donezk von allen geplanten Austragungsorten der EM 2012 am weitesten entwickelt ist. Oder auch die Brüder Igor und Grigorij Surkis, von denen der eine Präsident von Dynamo Kiew ist und der andere Mitglied im Uefa-Exekutivkomitee und die das Fußball-Geschehen in der Hauptstadt im Griff haben.

Sie alle haben etliche Gemeinsamkeiten: Sie sind erstens steinreich, zweitens politisch aktiv, drittens in die Vorbereitungen zur EM 2012 involviert und viertens in einer Entscheiderfunktion bei einem der derzeit erfolgreichsten ukrainischen Fußball-Klubs. Doch Achmetow & Co. nutzen ihre Vereine nicht nur, um damit wie zum Beispiel Roman Abramowitsch das unter Oligarchen beliebte "Mein Flugzeug, meine Yacht, meine Fußballmannschaft" zu spielen. Sie wollen vielmehr eine ganze Region klientelisieren, wollen sich Wählerstimmen und Abhängigkeiten sichern. Vereinsfußball, Europameisterschaft und Politik verschwimmen zu einer schwer durchschaubaren Interessengemeinschaft.

Wie gefährlich die Abhängigkeit von einzelnen Oligarchen ist, erlebt gerade die Stadt Lwow, die offiziell noch unter den Ausrichterstädten der EM gelistet ist. Dort sollten die Gelder des lokalen Oligarchen Piotr Diminskij den Stadionbau finanzieren, doch nach Streitigkeiten mit der Stadt über ein paar Grundstücke schmollt Diminskij. Die Vorbereitungen stocken, die Chancen von Lwow auf die EM schwinden rapide, und Ersatzort Charkow bringt sich mehr und mehr in Stellung.

So bringt ein Oligarch neben Geld und neuen Spielern eben auch immer die Möglichkeit mit, dass von einem auf den anderen Tag Schluss ist mit dem Aufschwung. Der Mann, der gegen Genua so ausgelassen wie ein Fan jubelte und am Donnerstagabend nach dem Achtelfinal-Rückspiel gegen Kiew wieder so ausgelassen jubeln möchte, soll sich vor nicht allzu langer Zeit überhaupt nicht für Fußball interessiert haben. Nachdem Jaroslawskij Metalist Charkow erworben hatte, ätzte Witalij Danilow, Präsident des Lokal-Rivalen FK Charkow: "Am meisten hat ihn interessiert, dass Achmetow auch einen Fußballklub hat."

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