Fußball:Dokument eines Traums

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Der FC Augsburg blickt bei der Premiere seines Europapokal-Films auf eine emotionale Saison zurück, die am Freitagabend im Heimspiel gegen Köln auch den Verbleib in der Bundesliga bringen soll.

Von Kathrin Steinbichler

Im Kinosaal 1 am Werner-Brandt-Platz in Augsburg herrscht an diesem Abend ein heiter murmelndes Gedränge, der FC Augsburg hat zur Premiere seines Europapokalfilms geladen. Als alle anderen schon sitzen, nimmt auch die Mannschaft unter Applaus ihre Plätze ein, Tobias Werner als erster, fachgerecht eingedeckt mit einer Tüte Popcorn und einem Cola-Becher. Plötzlich flimmern Bilder über die Leinwand, die bei den Zuschauern wie bei den Profis für eine fast andächtige Stille sorgen.

23. Mai 2015, 34. Spieltag, der FC Augsburg spielt zum Abschluss der Fußballsaison in Mönchengladbach. Und zwar nicht wie so oft zuvor um den Verbleib in der Bundesliga, sondern um die Qualifikation zur Europa League. Wie in einem Bienenstock summt es im Hintergrund des Stadions, Spieler kämpfen um den Ball, Tore fallen, Augsburg dreht die Partie und gewinnt 3:1, und dann - Zeitlupe. Markus Weinzierl, der Trainer des FC Augsburg, rennt wie von Sinnen auf den Platz, die verlangsamten Bilder zeigen die vor Euphorie verzerrten Gesichtszüge, die Ungläubigkeit, die Erschöpfung, das fassungslose Lachen und Hüpfen eines Mannes, der mit seiner Mannschaft etwas erreicht hat, woran lange Zeit niemand, die Beteiligten selbst eingeschlossen, so recht glauben wollte. Und zumindest in dieser Besetzung, so wird es dem Betrachter gleich zum Beginn des Films klar, wird der FCA das wohl auch nie mehr schaffen. Tief in den roten Plüschsitz gepresst verfolgt Markus Weinzierl den Film, er wird nichts sagen, nur kurz winken, der Abend ist nicht leicht für ihn.

Was folgt, sind rund 80 Minuten mit Bildern aus Bilbao und Belgrad, aus Alkmaar und Liverpool, den Stationen der erstaunlichen Europareise des FCA. Dazwischen immer wieder Augsburg und seine rührend leidenschaftliche Fanszene sowie Erinnerungen der FCA-Profis. "Unglaubliche Erlebnisse" seien das gewesen, wie FCA-Manager Stefan Reuter vorab bei der Begrüßung sagt, vor allem, "wenn man an die Spiele in Belgrad oder Liverpool denkt. Das wird sicherlich unvergesslich für jeden Einzelnen hier im Raum bleiben."

Der Film, den eine in Ausburg ansässigen Produktionsfirma für den FCA gemacht hat und der ab Mai auch zu kaufen ist, ist vielleicht nicht dramaturgisch wertvoll geschnitten. Doch die Art und Weise, wie Augsburg sich bis in die erste europäische K.o.-Runde gespielt und währenddessen europaweit an Respekt gewonnen hat, steht eben auch für sich: "#KEINESAU - Wie der FCA Europa erobert" ist das Dokument einer Mannschaft, die sich, ihrem Verein und ihren Fans einen Traum erfüllt und ihn auch in vollen Zügen ausgekostet hat. "Eine Wahnsinns-Geschichte", nennt es Weinzierl in dem Film. Was ihn stolz macht: "Wir waren nie in der Situation, dass wir gesagt haben, wir schenken was ab." Nur so gelang es dem FCA trotz seines Fehlstarts in die Saison, national wie international wieder zurückzukommen.

10. Dezember 2015, sechster und letzter Gruppenspieltag, der FCA muss bei Partizan Belgrad mindestens 3:1 gewinnen, um weiterzukommen. Seit Raul Bobadilla in der letzten Minute per Kopf eben dieses 3:1 geschafft hat, genießt er in Augsburg Heldenstatus. "Unbeschreiblich" sei das gewesen, erzählt er im Film, der in Belgrad kaputt gefoulte Jan-Ingwer Callsen-Bracker berichtet von seiner Sorge, nach dem Schlusspfiff im Krankenhaus vielleicht von wütenden Partizan-Fans behandelt zu werden, "aber die waren alle Anhänger von Roter Stern, die haben applaudiert".

Und dann der Abschluss beim Rückspiel an der Anfield Road beim FC Liverpool. Als dieser Gegner feststand, habe unmittelbar nach der Auslosung der Trainer am lautesten gejubelt, erzählt Halil Altintop. Das einzige Mal im Film ist von dort die aufgepeitschte Kabinenansprache von Weinzierl zu sehen. "Jeder wehrt sich!", schreit er in den Raum. "Wir sind der Außenseiter, aber wir sind hierher gekommen, um die Sensation zu schaffen!" Daraus wurde nichts, aber "jetzt wollen wir die Saison mit dem Klassenerhalt krönen", sagt Manager Reuter unter Applaus. Es wäre die letzte Überraschung, die der FCA in dieser Saison auf Lager hat.

© SZ vom 28.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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