Fußball-Bundesliga:Die Retro-Gang

Väterliche Notversorger und gepflegte Mähnen auf der Bayern-Bank, der Bruder von "Don Bratwurst" in Wolfsburg und Stuttgart in der Vor-Bosman-Zeit. Die sueddeutsche.de-Retro-Elf des Tages

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Spieltag eins nach der großen Reformsause des Konzept-Könners Klinsmann: Wer an diesem Spieltag die Bundesliga näher beobachtet hat, konnte einen Trend erkennen - die Rückkehr zu Altbewährtem. Es schickt sich wieder, zurückzuschauen. Zeit für eine sueddeutsche.de-Retro-Elf des Tages. Der neue Bayern-Ko-Trainer Hermann Gerland wurde gegen Gladbach zum Protagonisten einer ganz besonderen Retro-Episode: Er gab den väterlichen Notversorger auf dem Platz, indem er quer über das Spielfeld spurtete, nur um dem durstigen Philipp Lahm die Trinkflasche zu bringen. Die Fankurve fand's super und feierte ihren Waterboy mit Sprechchören. Retro ist übrigens auch der Stollenabdruck, den der früherer Topstürmer Jupp Heynckes laut eigener Aussage noch immer auf seinem Oberschenkel trägt. Der ist nämlich von einem Verteidiger namens Hermann Gerland.Foto: Getty

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"Als wäre er nie weggewesen", schallte es in dieser Woche geradezu mantraartig aus München. Gemeint war natürlich der Jupp, der ja vor 18 Jahren schon einmal das Kommando auf der Bayernbank innehatte. Genauso könnte man es aber auf den Comeback-Doc Müller-Wohlfahrt beziehen. Der sitzt seit Klinsmanns Abgang wieder fröhlich auf der Bank des Rekordmeisters. Nach Günter Netzer trägt er die zweitbeste Retrofrisur des aktuellen deutschen Fußballs: Das Modell gepflegte Mähne.Foto: AP

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Über Hans Meyers Betonbollwerk zur bayerischen Spaßverhinderung wurde an diesem Wochenende fast so viel gesprochen wie über den Retter Don Jupp. "Wie Chelsea wollen wir das machen", schwärmte Meyer und drohte mit zwei Ausputzern spielen zu lassen. Letztlich wurde es dann nur einer, nämlich der 36-jährige Tomas Galasek, einer Art Retro-Lothar-Matthäus, der in einer Dreierkette den Libero gab. Was hatte Hans Meyer Spaß daran gehabt, vor dem Spiel zu betonen, "den Begriff des Ausputzers, das kennt außer mir in der Bundesliga höchstens noch der Jupp." Ähem ja, leider!Foto: Getty

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"Verstärkungen auf mindestens sechs oder sieben Positionen" hatte Hoffenheims Konzepttrainer Ralf Rangnick für die kommende Saison gefordert. Nach einem Bericht der Bild am Sonntag droht er sogar mit Abschied, wenn er sie nicht bekommt. "Mit Mittelmaß kann ich mich nicht identifizieren. Ich bin nicht bereit, weitere Rückschritte in Kauf zu nehmen", zitierte die Zeitung den 50-Jährigen. Klub-Mäzen Dietmar Hopp konterte im Sonntagsblatt ebenso aufgebracht: "Ich lasse mich nicht erpressen. Es ist der falsche Zeitpunkt, wenn der Trainer nach solch einer Vorstellung sein Bleiben in Frage stellt." Es scheint, als seien selbst im avantgardistischen Hoffenheim konservative Zeiten angebrochen. Wird die TSG gar ein Retro-Klub der Marke chronisch klamm und kleinkrämerisch?Foto: AP

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Ein Blick auf die Aufstellung des VfB Stuttgart der vergangenen Wochen lässt einen denken, Markus Babbel befinde sich in einer Vor-Bosman-Epoche. Mit maximal drei Ausländern (Magnin, Delpierre, Boulahrouz) gingen die Schwaben zuletzt ins Rennen. Diese geradezu anachronistische Personalführung basiert in Stuttgart vielleicht auf der traumatischen Erfahrung von Leeds 1992, als der damalige Trainer Christoph Daum mit vier Ausländern spielen ließ und der VfB im Wiederholungsspiel im Europapokal ausschied. Retro war außerdem bis zu diesem Spieltag die klammheimliche Aufholjagd der Stuttgarter. 2007 gewann man so den Titel und bis zum 2:2 in Bielefeld dachten viele schon an eine Wiederkehr dieser Erfolgsgeschichte.Foto: Reuters

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Für viele Profifußballer stellt sich nach ihrem Karriereende die elementare Frage: Was tun ohne Fußball? "Schollplatten" auflegen? Mit Unternehmergeist Fanshops eröffnen wie es die alten Recken Wolle Overath (in Köln) und Hansi Dorfner (in Regensburg) getan haben? Bei Wolfsburgs Ersatztorhüter würde sich ganz altmodisch ein Einstieg im Familienbetrieb anbieten, denn: Sein Bruder betreibt in Barcelona eine deutsche Fußballkneipe mit dem klingenden Namen "Don Bratwurst". Dort gibt es Bierbänke, Fassbier aus der Heimat und richtige Ruhrpottwurst. Vielleicht kommt André Lenz seinen Bruder ja ohnehin bald mal besuchen, wenn's kommende Saison in der Champions League gegen Barça gehen sollte. Dann können sie mal über das Familienbusiness reden.Foto: dpa

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Frank Rost ist ein Torhüter der alten Schule: Selten spektakulär, stets sicher. Dass er nie eine richtige Chance in der Nationalmannschaft (vier Länderspiele) bekommen hat, lässt ihn aber auch mit mittlerweile 35 Jahren nicht kalt. "Ich bin seit Jahren in einer Schublade. Ich muss niemanden angreifen, um mich positiv darzustellen", klagte er. Rosts Retro-Torwartspiel und sein Auftreten als Leader, der beim DFB keine Anhänger findet, ist an sich schon eine immer wiederkehrende Geschichte. Sein berühmtester Vorgänger: Uli Stein.Foto: Reuters

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Die Lobby, die Frank Rost fehlt, hatte Leverkusens Keeper René Adler beim DFB von Anfang an. Doch nach seinem starken Debüt gegen Russland verblasste die Begeisterung um den Senkrechtstarter. Zuletzt kassierte er sogar einen eingegrätschten 45-Meter-Treffer von KSC-Verteidiger Langkamp. Seinen Platz in der Nationalmannschaft hat er vorerst an Robert Enke verloren und DFB-Torwartobervater Andreas Köpke schlug schon Alarm, dass Deutschland keine Weltklasse-Keeper mehr habe. Doch gegen Schalke zeigte Adler, dass sich dieses Land keine Sorgen machen muss. Den Retro-Trend zum deutschen Weltklassetorwart verkörpert Adler diesmal voll und ganz.Foto: dpa

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Kommen wir zu den Retro-Stürmern. Allen voran ist da natürlich der einsame Gladbacher Einzelkämpfer Karim Matmour. Wie bereits erwähnt, war Hans Meyer von der irritierenden Igeltaktik Chelseas in Barcelona so hingerissen, dass er es in München mit nur einem Offensivspieler versuchte. Nur ist leider Matmour (drei Tore in 30 Partien) kein Physiswunder wie Didier Drogba und noch viel weniger ein chronischer Quälgeist wie Filippo Inzaghi, der den Einzelstürmer mit nervtötender Kaltschnäuzigkeit salonfähig gemacht hat.Foto: Reuters

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Eine andere Art von Retro-Torjäger ist Herthas Marko Pantelic. Er präsentiert sich zurzeit oder besser gesagt, Zeit seines Lebens, als launische Diva. Von diesen Exemplaren hat es schon immer reichlich gegeben: Cantona, Romario, Stoitschkow und viele mehr. Neueste Erkenntnis beim serbischen Solodenker: Er lässt sich einfach nicht in Lucien Favres System drücken und stänkert munter gegen den Trainer. Wenn er nicht spiele, schade der Coach damit dem Verein, fabulierte Pantelic vergangene Woche. Immerhin bereitete er gegen den HSV den Ausgleich vor - ein Versuch, dem Retro-Fluch des eigenwilligen Goalgetters zu entfliehen?Foto: AP

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Diese drei schreiben in diesen Tagen ihre ganz eigene Retro-Geschichte: Das Wolfsburger magische Dreieck aus Grafite, Dzeko und Misimovic kann sich eindeutig auf die 90er-Variante des Zaubertrios aus Stuttgart um Balakow, Bobic und Elber beziehen. Die Stürmer Dzeko und Grafite bewegen sich beide im außergewöhnlichen Statistikhochgebiet um die 20 Tore und Regisseur Misimovic kommt auf 18 Vorlagen. Der Unterschied zum Original ist, dass die Wolfsburger Retro-Gang wohl bald dem Stuttgarter Pionierprojekt eine Meisterschaft voraushaben wird. Retro ist ja schön und gut, aber erfolgreich ist noch besser.Foto: AP

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