Fußball:Abenteuer USA

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Major League Soccer statt Landesliga Nordwest: Julian Gressel (links), hier noch für das Providence College im Einsatz gegen Georgetown, hat sich in den USA seinen Traum vom Fußballprofi erfüllt. (Foto: imago)

Der aus Mittelfranken stammende Julian Gressel startet in Atlanta in seine erste Saison in der Major League Soccer.

Von Christopher Meltzer

Den Fußballer Nelson Valdez dürften viele Fans in Deutschland noch kennen. Wenn man sich nicht an seine Tore erinnert, dann doch wenigstens an sein schwarzes, lockiges Haar. Einige Jahre stürmte er für Werder Bremen und Borussia Dortmund in der Bundesliga, später für Eintracht Frankfurt. Dann aber, mit 31 Jahren, entschied er sich in die USA zu wechseln, in die Major League Soccer (MLS). Der Fußballer Valdez ist ein hervorragendes Beispiel für die vorherrschende Meinung über die US-Profiliga in Europa: Diese sei eine Rentnerliga, wo auch jene Profis noch ein hübsches Gehalt abgreifen können, denen das Tiki-Taka etwas zu flott geworden ist.

"Die MLS war für mich der einfachste Weg", sagt Gressel

Julian Gressel wehrt sich gegen diese Darstellung. Natürlich tut er das, schließlich spielt der 23-jährige gebürtige Franke ab sofort selbst dort. Am 4. März startet die MLS in die neue Saison. Dabei wird die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit wohl an Gressel vorbeiziehen, wohl aber auch an Nelson Valdez. Denn an namhaften Protagonisten mangelt es der Liga nicht: Andrea Pirlo, Kaká oder David Villa kicken etwa dort. "Es kommen aber auch viele junge Spieler, vor allem aus Südamerika", erzählt Gressel. Natürlich profitiert die MLS in der Außenwirkung von ihrer prominenten Ü-30-Fraktion. "Aber die Liga will sich weiterentwickeln", sagt Gressel. Er selbst ist das beste Beispiel.

Die Geschichte des Fußballers Julian Gressel unterschied sich lange nicht von den vielen anderen Karrieren, die in Bayern jedes Jahr beginnen. Als die Talentsichter der SpVgg Greuther Fürth den Jungen aus Neustadt an der Aisch entdeckten, beförderten sie ihn in ihr Nachwuchsprogramm. Später wechselte Gressel in die Jugendabteilung der SG Quelle Fürth. Am Ende landete er jedoch wieder beim TSV Neustadt/Aisch. Er setzte sich in der Landesliga durch, probierte sich darauf bei Eintracht Bamberg in der Regionalliga aus, kehrte nach einem Jahr aber wieder in die Landesliga zurück. Eindruck hatte Gressel offenbar trotzdem hinterlassen. Drittligisten, so erzählt er, hätten ihn gerne zum Training eingeladen. Doch da hatte er schon eine andere Entscheidung getroffen. Eine, die seine Karriere abweichen lässt von den vielen anderen - und die ihn in die USA führte.

Als Schüler hatte Gressel bereits ein Austauschjahr in Florida verbracht. "Damals habe ich aber nicht viel Fußball gespielt", erzählt er. Das sollte sich beim zweiten Aufenthalt, der immer noch andauert, ändern. Gressel einigte sich im Sommer 2013 mit dem Providence College im Bundesstaat Rhode Island. In Deutschland seien Sport und Ausbildung nicht vereinbar gewesen. Während er sein Studium in den USA vorantreiben konnte, musste Gressel sich fußballerisch anpassen. Er spielte plötzlich nicht mehr mit erprobten Fußballern, sondern mit jungen Kickern, die technisch nicht gerade auf höchstem Niveau waren. Vier Jahre verbrachte der Mittelfeldspieler am College, steuerte in 83 Spielen 30 Tore sowie 26 Vorlagen bei.

An vielen US-Universitäten sind die Sportler die Aushängeschilder, jeder kennt sie, gerne wird ihnen auch mal eine großzügige Note eingetragen. "Wir waren keine Stars", sagt Gressel aber. Dazu sei Fußball einfach noch zu unbedeutend. Doch der populärste Sport der Welt gewinnt auch im größten Sportmarkt an Beliebtheit. Nicht nur deswegen wollte Gressel in Amerika bleiben, er erkannte auch: "Die MLS war für mich der einfachste Weg."

Anders als die allermeisten europäischen Scouts hatten die Späher der US-Profiteams den deutschen Studenten auf dem Zettel. Und tatsächlich: Im Draft, in dem die MLS-Klubs die vielversprechenden Talente unter sich aufteilen, schnappte sich Atlanta United FC den Fußballer aus Neustadt an der Aisch schon an achter Stelle.

Mehr als 30 000 Dauerkarten hat sein Klub in Atlanta verkauft

Jetzt lebt Gressel also in Atlanta, einer sportverrückten Stadt, die sich auch dem Fußball zu öffnen scheint. Mehr als 30 000 Dauerkarten hat der Verein schon verkauft. Als Trainer haben sie den Argentinier Gerardo Martino verpflichtet, der vor gar nicht allzu langer Zeit erst den FC Barcelona trainierte. "Ganz anders", hat Gressel die ersten Wochen im neuen Team erlebt, "viel professioneller". Zugleich steht der Atlanta FC für den neuen Weg, den die MLS einschlagen will. Klar, auch dort gibt es erfahrene Profis, etwa die früheren amerikanischen Nationalspieler Zach Loyd und Michael Parkhurst. Sechs Spieler haben die 30 überschritten, dafür sind 18 Akteure noch unter 25.

Julian Gressel macht diese Entwicklung Mut. Natürlich träumt er noch von der Bundesliga, auch seine Familie und Freunde in Neustadt an der Aisch vermisst er. Doch will er sich nun in Atlanta durchsetzen, wo ein Trainer ihn fördert und wo die Liga an sich immer anspruchsvoller wird. Und wenn es klappt mit den Einsatzzeiten, mit dem Trainer, mit der Liga, dann kann Gressel sich auch vorstellen, noch sehr lange zu bleiben.

© SZ vom 16.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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