FSV Mainz 05:Dreierpack mit Gefühl

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Mit drei Toren rettet der Japaner Yoshinori Muto seinem Team beim turbulenten 3:3 in Augsburg im Alleingang einen wertvollen Punkt.

Von Kathrin Steinbichler, Augsburg

Als Japaner weiß Yoshinori Muto seine Gefühle zu beherrschen, die gesellschaftlichen Regeln in seiner Heimat wollen es so. In diesem einen Moment am Samstag gelang das dem Mainzer Stürmer allerdings absolut nicht. Von hinten hatte sich plötzlich Mitspieler Niko Bungert auf ihn geworfen, von vorne stürmte Suat Serdar im Vollgalopp auf ihn zu, und als die beiden Muto endlich zu Boden gerissen hatten, fielen auch noch die anderen Mainzer Kollegen über ihn her wie ein Rudel hungriger Wölfe. Und Muto? Erst lachte er, dann staunte er, und schließlich schrie er. Vor Glück. Denn mit seinem dritten Tor an diesem Spieltag hatte der 23-Jährige dem FSV Mainz in allerletzter Sekunde doch noch ein 3:3-Unentschieden beim FC Augsburg gesichert.

Dreimal hatte Muto in dieser turbulenten Partie beim Tabellenschlusslicht aus Augsburg richtig gestanden, dreimal kam der Ball am Ende einer Augsburger Fehlerkette überraschend zu ihm, und alle dreimal behielt Muto die Nerven (18., 30., 90.+3). Selbst in den Schlusssekunden, als das gesamte Augsburger Stadion schon in den Vorbereitungen auf einen Heimsieg war - und Muto mit dem letzten Schuss des Spiels die Gesänge von einer Sekunde auf die andere verstummen ließ. Zufrieden war der Sommertransfer des FC Tokio dennoch nicht. Vor Muto war es nur dem früheren Frankfurter Naohiro Takahara (im Dezember 2006) gelungen, nach der Ankunft aus Japan drei Tore in einem Bundesligaspiel zu erzielen. Darauf angesprochen, wog Muto im Kabinengang nur bedächtig den Kopf, dann ließ er durch seinen Übersetzer mitteilen: "Es wäre besser gewesen, wenn ich vier Tore gemacht und wir drei Punkte geholt hätten."

Die Verantwortlichen von Mainz 05 wollten das an diesem Tag nicht ganz so kritisch sehen. 2,8 Millionen Euro hatte der FSV im Sommer nach Tokio überwiesen, um Muto als Nachfolger für den zu Leicester City abgewanderten Shinji Okazaki zu verpflichten. Mainz hatte lange um Muto geworben, den englische Medien bereits den "japanischen Messi" nennen, auch der FC Chelsea hatte dem Offensivspieler ein Angebot gemacht. Muto entschied sich nach einigem Abwägen schließlich für die Perspektive in Mainz als Stammspieler - und gegen einen besser bezahlten Platz auf der Bank von Chelsea. Bei seinem letzten Spiel in Japan griff Muto im mit über 40 000 Zuschauern besetzten Stadion in Tokio zum Mikrofon, um sich mit einer dreiminütigen Rede und unter Tränen zu verabschieden. Kein Wunder also, dass er auch in emotionalen Momenten der Bundesliga die Ruhe bewahrt: Muto gilt als Vertreter einer neuen Generation japanischer Sportler, die nicht länger allein dem alten Ideal vom strebsamen Kämpfer nacheifern. Er weiß, dass Emotionen schlummernde Potenziale wecken können. Bei seinen Fans und bei ihm selbst.

Mainz-Trainer Martin Schmidt wollte seinen Schützling trotzdem nicht zu viel loben: "Er muss weiter arbeiten und dranbleiben", meinte Schmidt. Mutos Defensivarbeit ist ausbaufähig, seine Zweikampfwerte hinken etwas hinterher. So lange Muto aber weiter so trifft, sollte das kein Problem sein.

© SZ vom 02.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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