Frauenfußball:Signale an den Präsidenten

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Befreit am Spielfeldrand: Bundestrainerin Steffi Jones. (Foto: Friso Gentsch/ dpa)

Der Testspiel-Sieg der Frauen-Nationalmannschaft stärkt in erster Linie die Position von Bundestrainerin Steffi Jones. Die DFB-Spielerinnen wollen den Erfolg gegen Frankreich auch als Solidaritätszeichen verstanden wissen.

Von Anna Dreher, Bielefeld

Reinhard Grindel klatschte nicht. Nicht beim ersten Tor, nicht beim zweiten, nicht beim dritten. Erst nach der Halbzeit, in der 53. Minute, entknotete der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) seine verschränkten Arme, applaudierte und lächelte. Es war ein Freundschaftsspiel, das er mit Sportdirektor Horst Hrubesch am Freitagabend in Bielefeld beobachtete, kein WM-Finale. Es erwartete also niemand Jubelarien auf der Tribüne und einen Präsidenten, der nicht weiß, wem er seine Euphorie aufdrücken soll. Bei einer Vorgeschichte wie dieser aber ließ die Zurückhaltung Grindels, eingefangen von Fernsehkameras, doch einen Raum für Interpretationen. Dass er sich nach dem 4:0 (3:0) der deutschen Frauenfußballnationalmannschaft gegen Frankreich nicht äußerte, trug dazu bei.

Dieses Spiel war nicht nur ein Test, sondern zu einer Bewährung für Bundestrainerin Steffi Jones gemacht worden - von Grindel. Er hatte das letzte Länderspiel 2017 an ein Ultimatum geknüpft: Die Leistung gegen Frankreich werde als Gradmesser dafür gesehen, ob sich Deutschland mit Jones nach einer enttäuschenden EM und mäßigen Leistungen in den ersten Qualifikationsspielen zur WM 2019 auf einem guten Weg befinde. Es komme darauf an, sagte er, dass der DFB das Gefühl bekäme, das Ziel WM werde erreicht. So zurückhaltend sich Grindel am Freitag dann in seiner Gefühlswelt zeigte, so deutlich fiel die spielerische Reaktion der Mannschaft aus. Es darf angenommen werden: Jones bleibt.

Sie selbst hatte die Situation nicht so dramatisch wahrgenommen, zumindest öffentlich und nach einer sehenswerten Leistungssteigerung ihrer Mannschaft, die sich mit Toren durch Alexandra Popp (21./44.) und Svenja Huth (39./53.) belohnte. "Ich habe nie drüber nachgedacht, dass irgendwas passieren könnte, wenn wir heute verlieren. Ich habe das nicht so verstanden vom Präsidenten", sagte Jones bei der Pressekonferenz. Es sei nicht um ihre Person, sondern um die Sache gegangen. Alle hätten sich vorgenommen, sich auf das Spiel zu fokussieren und nicht von dem beeindrucken zu lassen, was von außen herangetragen wurde: "Es war wichtig, dass wir uns als Team bestätigt und gezeigt haben, was wir können. Manchmal muss man einen Schritt zurück gehen, um zwei nach vorne machen zu können."

Die Erleichterung über den Abschluss eines doch verkorksten Fußballjahres war der 44-Jährigen anzumerken. Sie hatte es geschafft, dass ihrem Team der Transfer der Theorie endlich auch in die Praxis gelang. Die Mannschaft spielte wieder den Fußball, den sie seit Monaten zeigen wollte, aber nicht konnte: selbstbewusst, effizient. Aus einem Bewährungs-Test ist womöglich ein Wendepunkt geworden.

Jene Unsicherheit, die zuletzt so oft das Auftreten kennzeichnete, war verdrängt worden von Spielfreude. Dass Jones auf neun Spielerinnen, darunter Leistungsträgerinnen wie Simone Laudehr, verzichten musste, fiel kaum auf. Warum dieses Potenzial während und nach der EM nicht abgerufen werden konnte und nun wie selbstverständlich da war, blieb den Spielerinnen ein Rätsel. "Die Leistungen waren zuletzt nicht nur schlecht, sondern ganz schlecht. Das Spiel heute hat gezeigt, wer wir wirklich sind", sagte Popp. "Aber die Frage bleibt natürlich, warum wir nicht früher unser wahres Ich zeigen konnten."

Auf die Niederlage gegen Island - die erste in einer WM-Qualifikation seit 19 Jahren - hatte es eine interne Aussprache gegeben. Jede Spielerin, hieß es, sei in sich gegangen und von Wochenbeginn an sei eine andere Spannung zu spüren gewesen. Der neue Fokus jedenfalls führte zu einer Dominanz, die Frankreich weitgehend überforderte. Nur zwei Mal kam die Mannschaft von Corinne Diacre vor 6505 Zuschauern zu guten Chancen. Eugénie Le Sommer vergab kurz vor Schluss zudem eine große Chance zum Anschluss: den Elfmeter nach einem Foul von Leonie Maier schoss die Französin links am Tor vorbei.

Nach einem Abend, der das Selbstvertrauen des Teams stärkte und die Position der Bundestrainerin festigte, sahen die Spielerinnen ihre Antwort auf die vom Präsidenten geweckte Trainerfrage gegeben. "Es ist nicht an uns als Mannschaft, dem Präsidenten zu sagen, dass er sich zurückhalten soll", sagte Popp. "Wir haben heute auf dem Platz ein gutes Signal gezeigt. Uns war egal, ob womöglich schon jemand als Nachfolger bereit steht, für uns stand Steffi nicht zur Debatte."

© SZ vom 27.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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