Frauenfußball:Hungrig am Büfett

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Vertrautes Kussobjekt: Wolfsburgs Spielerinnen mit dem DFB-Pokal. (Foto: Wunderl/imago)

Nach dem siebten DFB-Pokal-Titel in Serie hoffen Wolfsburgs Fußballerinnen auch auf den Gewinn der deutschen Meisterschaft. Dafür benötigen sie am letzten Spieltag ausgerechnet die Hilfe der Frankfurterinnen, die sie im Pokalfinale besiegten.

Von Ulrich Hartmann, Köln

Die Pizza-Großbestellung traf eine Stunde nach dem Finale ein. Drei große Wärmekisten voller Pizzakartons wurden am Spielfeldrand abgestellt. Die Fußballerinnen vom VfL Wolfsburg bedienten sich wie an einem Büfett. Sie aßen die Stücke aus der Hand, aber, oh je, die Pizzen waren geviertelt, nicht geachtelt. Dabei war doch die Acht die Zahl des Tages! Acht DFB-Pokal-Titel, davon sieben in Serie, haben die Wolfsburgerinnen nunmehr gewonnen. Acht grüne Pokale zierten ihre schwarzen T-Shirts. In China gilt die Acht als Glückszahl, und wenn man eine Acht querlegt, dann gilt sie als Symbol für die Unendlichkeit.

Die Wolfsburgerinnen trugen auf ihren T-Shirts keine quergelegte Acht. Das hätte man als Kampfansage dafür deuten müssen, dass sie den DFB-Pokal bis zum Ende aller Tage gewinnen wollen. Seit dem 16. November 2013 haben sie kein Pokalspiel mehr verloren. Sieben Finalsiege inklusive. Aber wer denkt, die sieben Endspiele waren langweilig, der irrt. Eine Leistung der Wolfsburgerinnen war nämlich, zwar zuverlässig den Titel zu gewinnen, es dabei aber fast immer spannend zu machen: zwei Mal 1:0, zwei Mal 2:1, zwei Mal erst im Elfmeterschießen und nur ein Mal deutlich beim 3:0 im Jahr 2015 gegen Potsdam.

"Finale geht nicht nichtspannend", seufzte die Angreiferin Svenja Huth, die zwei Minuten vor Ablauf der Verlängerung ihrer Mitstreiterin Ewa Pajor den Siegtreffer aufgelegt hatte. 118 Minuten lang hatten sich die Wolfsburgerinnen schwer getan gegen tief stehende Frankfurterinnen, hatten Konter zugelassen und in der 96. Minute erlebt, wie ihre Torhüterin Almuth Schult nach einer Notbremse mit Rot vom Platz musste. Da ist sogar dem sonst so siegesgewissen Trainer Stephan Lerch kurz das Herz in die Hose gerutscht.

"Das war ein unfassbarer Siegeswille", jubilierte Wolfsburgs Trainer Stephan Lerch

Nachdem Frankfurt alle Chancen zum goldenen Tor ausgelassen hatte, machte Pajor in der 118. Minute kurzen Prozess. "Das war eine absolute Willensleistung", schwärmte Huth. "Das war ein unfassbarer Siegeswille", jubilierte Lerch. Er verlässt Wolfsburg und den Frauenfußball, um bei der TSG Hoffenheim vom kommenden Sommer an die männliche U17-Jugend zu trainieren.

Sein letztes Spiel hat Lerch aber erst am kommenden Sonntag. Dann empfangen seine Wolfsburgerinnen Werder Bremen und benötigen ausgerechnet die Schützenhilfe der soeben besiegten Frankfurterinnen, um noch Meister zu werden. Wenn Wolfsburg gewinnt und Bayern München zugleich daheim gegen Frankfurt verliert, dann ist Wolfsburg auch noch zum siebten Male Meister. "Leider musste Frankfurt gegen uns über 120 Minuten gehen", lamentierte Lerch. Er gedachte aber der leidenschaftlichen Abwehrleistung der Hessinnen und hofft, dass sich die Münchnerinnen damit ähnlich schwer tun. "Ich hoffe, dass Frankfurt es dem FC Bayern genauso schwer macht."

Noch vor dem Pokalfinale hatte Frankfurts Trainer Niko Arnautis einen "Deal" vorgeschlagen, der aber weder Ethik-Kommissionen noch Compliance-Beauftragte beschäftigt, weil er lustig gemeint war. "Wir kriegen den Pokal und schlagen dafür nächste Woche die Bayern", hatte Arnautis gewitzelt, und bis zur 118. Minute haben die Wolfsburgerinnen vielleicht gegrübelt, welchen Titel sie lieber hätten. Dann haben sie sich für den Pokal entschieden und die zusätzliche Option auf die Meisterschaft. "Die Chance darauf ist klein", weiß Lerch. Der FC Bayern geht mit zwei Punkten und 23 Toren Vorsprung ins letzte Spiel. Ein Unentschieden würde ihm zum ersten Titel seit 2016 genügen. "Aber noch gratuliere ich Bayern nicht zur Meisterschaft", sagt Lerch. Sollte Wolfsburg dieses Wunder noch schaffen, wäre es das fünfte Double in Serie.

Nicht mitspielen kann am Sonntag die Frankfurter Kapitänin Tanja Pawollek. Sie fällt mehrere Monate aus. Im Finale hat sie sich einen Kreuzbandriss zugezogen, der am Montag in Köln operiert worden ist. Nach dem Spiel war sie noch auf einem Bein übers Feld gehüpft, kreuzunglücklich, während die Wolfsburgerinnen Pizza aßen. So eng liegen Freud und Leid beieinander.

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