Frauenfußball:"Ein bisschen verliebt"

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Der fulminante WM-Test gegen Brasilien stärkt die deutschen Fußballfrauen - die aber üben sich nach dem 4:0 in Zurückhaltung.

Von Kathrin Steinbichler, Fürth

Vor einer Weltmeisterschaft beschäftigen Trainer vor allem Personalfragen. Wer ist gesund, wer ist angeschlagen, wer passt ins taktische System, und wer ist vielleicht für eine Überraschung gut? Auch Silvia Neid grübelt derzeit über diesen Fragen, denn eineinhalb Monate vor der Frauenfußball-Weltmeisterschaft in Kanada hat die Bundestrainerin fast mehr verletzte als gesunde Spielerinnen in ihrem Kader. Nach dem 4:0 (2:0) gegen Brasilien am Mittwoch in Fürth aber entschloss sich Neid, das Grübeln vorerst durch das Genießen zu ersetzen.

"Ich muss sagen, ich bin schon ein bisschen verliebt in meine Mannschaft", sagte die 50-Jährige nach der überzeugenden Vorstellung der Deutschen gegen den Südamerika-Meister, bei der Célia Sasic (per Foulelfmeter), Simone Laudehr, Melanie Leupolz und Dzsenifer Marozsan für die Tore gesorgt hatten. Doch Neid wollte sich vom Überschwang des Abends auch nicht blenden lassen und rief ihre Spielerinnen umgehend wieder zur Konzentration auf: "Ich möchte realistisch sein und nicht emotional. Wir können das Spiel einordnen und bewerten es nicht über." Auch Simone Laudehr, die als Torschützin und zweifache Torvorbereiterin geglänzt hatte, gab sich nach dem ersten Jubel schnell wieder pflichtbewusst: "Wir können aus dem Spiel viel rausziehen, was wir bei der WM noch besser machen können."

In den ersten 20 Minuten etwa ließ die deutsche Elf den Gegnerinnen viel zu viel Platz, allein deren Ungenauigkeit im Abschluss war es zu verdanken, dass die Nachlässigkeiten nicht bestraft wurden. Nachdem Laudehr aber gefoult worden war und Sasic die Gelegenheit zur Führung vom Punkt genutzt hatte, "haben wir an Sicherheit gewonnen", sagte Neid, die mutmaßte, dass die Brasilianerinnen wegen des Jetlags nach der späten Anreise am Montag wohl auch noch müde gewesen seien. Brasiliens Nationaltrainer Vadão dagegen wollte von einem Jetlag nichts wissen. "Es ist ganz einfach", sagte er merklich enttäuscht: "Deutschland war heute besser als wir.

Das zu ändern, daran werden wir weiter arbeiten." Die internationale Konkurrenz jedenfalls dürfte den deutlichen Erfolg durchaus mit Sorge registrieren: Wie vor der EM 2013 muss Neid eine Reihe von Ausfällen moderieren, und wie schon damals fängt die Mannschaft die Umstellungen mit einer erstaunlichen Gelassenheit auf. Mittelfeldspielerin Sara Däbritz etwa war bei der EM mit gerade 18 Jahren nur wegen der Verletzungsnöte in den Kader gerutscht. Inzwischen darf sich die 20-Jährige vom SC Freiburg auch Hoffnungen auf die WM machen. "Sara Däbritz hat gezeigt, dass sie eine ist, die wir in der Mannschaft gebrauchen können", meinte Neid, nachdem Däbritz sich gegen Brasilien in der Startelf beweisen durfte. Wer es letztlich aber wirklich bis in den WM-Kader schafft, "damit befasse ich mich erst ab dem 15. Mai". Am Tag davor nämlich wird die Bundestrainerin in Berlin auf der Tribüne sitzen, wenn sich möglicherweise zum Saisonhöhepunkt im Champions-League-Finale der Frauen mit dem VfL Wolfsburg und dem 1. FFC Frankfurt gleich zwei deutsche Mannschaften gegenüberstehen. "Danach werde ich mir eine Liste machen, um zu sehen, wer verletzt ist und wer nicht."

Beim abschließenden Lehrgang in der Schweiz (18. Mai bis 28. Mai) muss Neid sich dann für die 20 Feldspielerinnen und drei Torhüterinnen entscheiden, die sie am 24. Mai für die WM (6. Juni bis 5. Juli) nominieren will. Wer auch immer dann spielen wird - "nach dem Spiel heute fahren wir mit Selbstvertrauen zur WM", sagt Laudehr.

© SZ vom 10.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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