Frauenfußball:Brutal getreten

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Sechs Treffer - und noch etliche vergebene Chancen: Melanie Leupolz setzt sich im Luftduell gegen Lindiwe Magwede durch, trifft aber nicht ins Tor. (Foto: Paulo Whitaker/Reuters)

Die deutsche Nationalmannschaft gewinnt ihr Auftaktspiel wie erwartet deutlich gegen Simbabwe, verliert in Simone Laudehr aber wohl eine ihrer wichtigsten Spielerinnen.

Von Anna Dreher, São Paulo/München

Eigentlich kannte Simone Laudehr diesen Schmerz schon. Sie hat ihn oft genug gespürt in all den Jahren des Umknickens. Immer dann, wenn Gegnerinnen in Laufduellen keine andere Lösung sahen, als sie rabiat zu stoppen. Normalerweise macht dieser Schmerz Laudehr schon gar nichts mehr aus, sie spielt dann einfach weiter. Gegen Simbabwe aber, im Olympia-Auftaktspiel der deutschen Frauenfußball-Nationalmannschaft, da ging das nicht mehr. Lynett Mutoku brachte ihr in der 14. Minute eine neue Schmerzstufe bei. Eine, die für Simone Laudehr schon das Ende dieser Olympischen Spiele bedeuten könnte.

Laudehr hatte in der Corinthians-Arena in São Paulo gerade Richtung Tor geflankt, der Ball war längst weg, als Mutoku ihr Sprunggelenk traf. Erst mit einem brutalen Tritt, dann rutschte sie auch noch mit dem Knie hinterher. Laudehr krümmte sich auf dem Rasen, fasste sich an ihren linken Knöchel und schlug immer wieder auf den Boden. Ihr Gesichtsausdruck verriet nichts Gutes. Die 30-Jährige versuchte es noch einmal, aber in der 19. Minute musste die bis dahin auffälligste deutsche Spielerin ausgewechselt werden. "Es wäre sehr bitter, wenn Simone ausfällt, wir wissen, was wir an ihr haben", sagte Saskia Bartusiak nach dem Spiel. Das Ergebnis der MRT-Untersuchung, die noch in der Nacht gemacht wurde, bestätigte die erste Diagnose: Das Außenband von Simone Laudehr am linken Sprunggelenk ist gerissen. Ob sie im Verlauf des Turniers noch eingesetzt werden kann, wird sich nach Angaben des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) erst in den nächsten Tagen entscheiden.

Der deutliche 6:1 (2:0)-Sieg gegen Simbabwe hat also einen bitteren Beigeschmack. Auf dem Platz funktionierte zwar längst nicht alles optimal, aber eigentlich war Bundestrainerin Silvia Neid ja zufrieden gewesen mit der Leistung ihrer Mannschaft: "Das Einzige, was man bemängeln kann, ist, dass wir vielleicht noch ein paar Tore mehr hätten machen können." Sie sagte das entspannt, in ihrer Mimik war aber auch Ärger zu sehen. Simone Laudehr sei zusammengetreten worden, Simbabwe habe hart an der Grenze gespielt. "Da kannst du keinen Ball mehr laufen lassen, da ging es nur noch auf die Knochen. Es hätte eine Schiedsrichterin gebraucht, die durchgreift, aber so ist es ja leider oft", sagte die 52-Jährige, die ihr Amt nach den Spielen abgeben wird.

Simbabwe spielte den erwartet unbequemen, robusten Fußball, blieb aber trotzdem chancenlos

Die angesprochene Schiedsrichterin Rita Gani aus Malaysia aber hatte in dieser 14. Minute keine Karte gezogen. Ebenso wenig, als Eunice Chibanda im Strafraum Sara Däbritz die Beine wegzog (9.). Oder in den vielen anderen Situationen nach (zu) hart geführten Zweikämpfen. Simbabwe spielte den erwartet unbequemen, robusten Fußball, und so wurde es auch nicht der leichte Auftakt, den viele gegen die "Mighty Warriors", die mächtigen Kriegerinnen, erwartet hatten - wie etwa in der Vorbereitung gegen Ghana (11:0).

Simbabwes Trainer Shadreck Mlauzi hatte schon vor der Reise nach Rio der Zeitung The Sunday Mail gesagt: "Auf uns setzt keiner einen Pfifferling, und wir haben damit nicht das geringste Problem. Die Leuten sollen ruhig denken, dass wir nur ein Sparringspartner sind - wir wollen die Welt schockieren." Zumindest am Anfang war seiner Mannschaft das gelungen, sie blieb am Ende trotzdem chancenlos.

Kurz nach der Auswechslung von Laudehr durch Melanie Leupolz (19.) köpfte Däbritz in der 22. Minute den Führungstreffer. Danach erhöhte Alexandra Popp - ebenfalls per Kopf - auf 2:0 (36.), da hatte Deutschland schon 10:0 Torschüsse in der Statistik stehen, vor der Pause waren es doppelt so viele. Zu Beginn der zweiten Halbzeit gelang Simbabwe zwar nach seiner historisch ersten Olympiateilnahme erneut ein Eintrag in die Geschichtsbücher, als Kudakwashe Basopo nach einem Patzer von Torhüterin Almuth Schult den ersten Treffer Simbabwes bei Olympischen Spielen erzielte - und danach stolz jubelte wie Cristiano Ronaldo. Aber nur drei Minuten später nahm Melanie Behringer mit ihrem Freistoß (50.) Simbabwes Spielerinnen all die Hoffnung, doch mehr als nur ein Sparringspartner zu sein: Im Nachschuss nach einem vergebenen Foulelfmeter (78.) setzte sie noch einen drauf. Nach dem Treffer von Leupolz (83.) und einem Eigentor von Eunice Chibanda (90.) war der Auftakt ins Turnier gegen die Nummer 98 der Weltrangliste doch gelungen - eigentlich.

Gegen das offensiv schwache Simbabwe konnte Laudehrs Ausfall noch kompensiert werden, aber sollte die dynamische Mittelfeldspielerin in den Gruppenspielen gegen den Weltranglisten-Fünften Australien (6. August/São Paulo) und den Olympia-Dritten Kanada (9. August/Brasilia) fehlen, würde das die DFB-Auswahl hart treffen. Zwar kann Silvia Neid die Ersatzspielerinnen Svenja Huth, Lina Magull und Kathrin Hendrich berufen - die Erfahrung aus 99 Länderspielen, zwei EM- und einem WM-Titel aber hat keine von ihnen vorzuweisen.

© SZ vom 05.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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