Frauen-Fußball:Historischer Abend

Lesezeit: 3 min

Mit Wucht und Übersicht: Beim 4:0 der zweifachen Münchner Torschützin Mandy Islacker ist Prags Keeperin machtlos. (Foto: Andreas Gebert / Reuters)

Die Fußballerinnen des FC Bayern München haben erstmals das Halbfinale der Champions League erreicht. Beim 5:1 gegen Prag profitiert das Team auch von der cleveren Aufstellung des Trainers.

Von Anna Dreher

Als zwölf Minuten gespielt waren, hätte Simone Laudehr die Geschichte dieses Spiels entscheidend beeinflussen können. Das Viertelfinale in der Champions League hatte im Rückspiel zwischen dem FC Bayern München und Slavia Prag in den ersten Minuten in der Hälfte der Gäste stattgefunden. Als Petra Divisova ansetzte, um einen Richtungswechsel herbeizuführen, hetzte Laudehr ihr hinterher, und weil die erfahrene und kämpferische Nationalspielerin dabei wohl den Eindruck gewann, Divisova mit den Beinen nicht mehr stoppen zu können, setzte sie ihren Arm ein: zack, schlug ihr rechter Ellbogen ins Gesicht der Tschechin, die mit schmerzverzerrtem Gesicht zu Boden ging. Laudehr? Die zuckte kurz mit den Achseln - und hatte Glück.

Die Karte, die sie daraufhin sah, war nicht Rot. Und die Geschichte dieses Spiels war nicht eine in Unterzahl verpasste Chance, es war die eines großen Erfolgs: Die Fußballerinnen des FC Bayern München haben am Mittwochabend mit 5:1 (3:0) gegen Prag erstmals in ihrer Geschichte das Halbfinale der Champions League erreicht.

"Es war unser großes Ziel, ins Halbfinale einzuziehen, und meine Mannschaft hat das heute toll gemacht", sagte Münchens Trainer Thomas Wörle. "Es ist phänomenal, was sich für eine Teamdynamik entwickelt hat. Jede kämpft für alle." Bayern suchte früh den Abschluss, aber wie schon im Hinspiel (1:1) stand Slavia Prag in der Defensive kompakt und störte in den entscheidenden Momenten. Und so gelang es den Gastgeberinnen anfangs nicht - wie zuletzt so oft - mit Ruhe und Übersicht einen Spielzug nach dem anderen und eine spürbare Dominanz aufzubauen.

"Es ist phänomenal, was sich für eine Teamdynamik entwickelt hat. Jede kämpft für alle."

Im Vergleich zum Hinspiel veränderte Wörle die Startaufstellung auf drei Positionen. Statt Carina Wenninger, Lineth Beerensteyn und Jovana Damnjanovic begannen Dominika Skorvankova, Fridolina Rolfö und Mandy Islacker. Und wie in den vergangenen Spielen bewies der 37-jährige Coach das richtige Gespür bei der Zusammenstellung seines Teams. Nach einer Ecke von Lina Magull wurde das erste Tor dieses Abends, und es hätte eigentlich gar keine andere sein können, in der 24. Minute von Rolfö geschossen. Denn die Schwedin hatte schon in Prag für das wichtige Auswärtstor gesorgt und in den vergangenen fünf Spielen fünf Tore erzielt; an Effektivität ist sie derzeit kaum zu überbieten. "Wir haben gerade einfach als Mannschaft sehr viel Selbstvertrauen, und das überträgt sich auch auf mich als Spielerin", lautete ihre Erklärung.

Aufgeweckt von diesem erlösenden 1:0 folgte bald darauf das 2:0. Fast erschien es, als würde ein bisschen Frust mitschwingen über so viele in dieser Saison schon geschossene Tore ohne ihre direkte Beteiligung: Aus dem Getümmel im Strafraum heraus drosch Leupolz den Ball in der 32. Minute auf Hüfthöhe, als ginge es darum, er möge möglichst weit fliegen. Wichtig war aber, dass die Richtung stimmte - und das tat sie. Und endlich hatte Leupolz auch ihr erstes Saisontor. Demoralisiert von dem Rückstand, ließ die Verteidigung der Tschechinnen nach. Islacker, die in der Bundesliga mit zwölf Treffern gemeinsam mit Däbritz Münchens erfolgreichste Torschützin ist, konnte sich nach einem Freistoß aus der Menge lösen - 3:0 (41.).

Die Partie war dann eine eindeutige Angelegenheit, aber den Münchnerinnen war dennoch eine gewisse Skepsis anzumerken. Das mit den Rückspielen war ja immer so eine Sache gewesen. In der Saison 2015/2016 verpasste der FC Bayern gegen Twente Enschede nach zwei Unentschieden den Einzug ins Achtelfinale. Ein Jahr später folgte auf ein 1:0 im Hinspiel gegen Paris St. Germain eine herbe Niederlage. In der französischen Hauptstadt war der FC Bayern bis hin zu Präsident Uli Hoeneß - der auch am Mittwoch unter den 1040 Zuschauern war - beeindruckt von den 12 000 Fans und blieb beim 0:4 chancenlos. 2018 fehlte dann so wenig, als Bayern bei Chelsea 0:1 verlor und im Rückspiel trotz großen Kampfes das Achtelfinale verpasste; 2:1 stand es für die Gastgeberinnen, Skorvankova scheiterte zweimal knapp (87., 89.), ein Handspiel von Chelsea im Strafraum wurde übersehen (88.) und ein Treffer von Laudehr (90.+5) aberkannt.

Gegen Prag sollte das nicht passieren. In der 55. Minute spielte Däbritz auf Magull, die gab den Ball mit einer feinen Hereingabe weiter zu Islacker, die wenig Mühe hatte, auf 4:0 zu erhöhen. Und dann, wie schon im Hinspiel, gelang Prags Kapitänin Katerina Svitkova das 1:4 (76.). Die aufkommende Unruhe hielt nur kurz an: In der 73. Minute hatte Wörle Jill Roord für Laudehr eingewechselt. Zehn Minuten später traf die Niederländerin zum 5:1 Endstand - und beeinflusste als Letzte die Geschichte dieses Spiels.

© SZ vom 28.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: