Frauen-Bundesliga:Mit Esprit und Kreativität

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Vier Tore in acht Spielen: Viviane Asseyi (re., im Duell mit Potsdams Selina Cerci) ist bisher in der Bundesliga so torgefährlich, wie es sich der FC Bayern bei ihrer Verpflichtung erhofft hat. Vergangene Saison hatte die französische Nationalspielerin für Girondins Bordeaux in 16 Partien der Division 1 Féminine zwölf Mal getroffen. (Foto: Eibner/imago)

Viviane Asseyi hat sich schnell zu einer der wichtigsten Spielerinnen des FC Bayern entwickelt. Nun ist sie im Spitzenspiel gegen den VfL Wolfsburg gefordert.

Von Anna Dreher

Beim Kopfball? Da denke sie an Wendie Renard. "Natürlich, sie ist ja sechs Meter groß", sagt Viviane Asseyi in einem Videoformat der französischen Sportzeitung L'Équipe, das vor der Fußballweltmeisterschaft 2019 veröffentlicht wurde. Sechs sind es nicht ganz, aber die 1,87 Meter dürften sich bisweilen so anfühlen. Renard ist Innenverteidigerin und doch, nicht zuletzt wegen ihrer Kopfballstärke, extrem torgefährlich. Asseyi spielt in der Offensive und misst 1,63 Meter, da fehlt also ein bisschen was zur Übermacht in der Luft. Aber torgefährlich ist sie auch so, gerne im Renard-Stil. Vergangene Saison traf sie in 16 Ligapartien für Girondins Bordeaux zwölf Mal und war damit drittbeste Torschützin der dann wegen des Coronavirus abgebrochenen Division 1 Féminine. Der FC Bayern hat die 26-Jährige genau deshalb verpflichtet, wegen ihrer Vielseitigkeit und ihrer Torquote. Und für die Bestätigung, dass dies eine kluge Entscheidung war, ließ sich Asseyi dann gar nicht erst lange Zeit.

Der Anpfiff zur neuen Bundesligarunde am 6. September war keine zwei Minuten alt, als Bayerns Kapitänin Lina Magull einen Freistoß trat. Der Ball flog hoch in den Sechzehner, Asseyi lief auf ihn zu und bugsierte ihn unhaltbar zum ersten Saisontor über die Linie - mit dem Kopf. Dass an diesem Tag beim 6:0 gegen den SC Sand auch die Zugänge Marina Hegering, Sarah Zadrazil und Lea Schüller trafen, waren weitere Belege für die äußerst stimmige Planung des Münchner Kaders.

Inzwischen sind acht Bundesligapartien absolviert, der FC Bayern ist Tabellenführer und stellt mit einer Torbilanz von 26:0 die beste Defensive und nach dem VfL Wolfsburg die zweitbeste Offensive. Das Zusammenspiel harmoniert gerade besonders gut. Die erste große Herausforderung steht dem Team von Trainer Jens Scheuer jedoch erst bevor, wenn es an diesem Sonntag (14 Uhr) gegen Double-Sieger Wolfsburg im Campus-Stadion geht. Die Wolfsburgerinnen sind mit zwei Punkten weniger Zweiter. Und auch wenn sowohl Scheuer als auch VfL-Coach Stephan Lerch zurecht betonen, dass diese Partie nicht die Meisterschaft entscheidet: Hier geht es ums Prestige. Und letztlich eben mit der Verteidigung bzw. Rückeroberung der Spitzenposition der Liga um eine gewisse Vorentscheidung.

Beide Klubs müssen auf angeschlagene Spielerinnen verzichten. Beim FC Bayern könnten sogar Sydney Lohmann und die in der Zentrale mit ihren Ideen so wichtige Magull ausfallen - umso mehr wird es bei den Bayern auf verlässliche und erfahrene Spielerinnen wie Asseyi ankommen. Sie ist von Beginn an zu einem essenziellen Bestandteil des aktuellen Erfolgs des FC Bayern geworden, der 2021 wieder Titel gewinnen will. Mit bisher vier Bundesligatreffern ist sie nach Lohmann (6) bei den Bayern die erfolgreichste und in der Liga die viertbeste Torschützin. "Sie zahlt das in sie gesetzte Vertrauen zu hundert Prozent zurück mit ihrer Kreativität, ihrem Spielwitz - und mit diesem französischen Laisser-faire, mit dem sie manchmal die deutsche, eher disziplinierte und zielgerichtete Mentalität auflockert", sagt Scheuer. "Sie bringt uns sportlich, aber auch menschlich enorm weiter. Wir sind einfach glücklich, dass wir so einen kleinen Filou bei uns in den Reihen haben."

Als ihre Verpflichtung von Bordeaux offiziell bekannt wurde, betonte Scheuer die internationale Erfahrung der französischen Nationalspielerin. Auch damit hat Asseyi zur Entwicklung des Teams beigetragen. Denn zur vielleicht entscheidenden Stärke des neuen Kaders zählt eine auf viel Selbstvertrauen basierende Ruhe in unbefriedigenden Phasen. Daran wurde in der Vorbereitung intensiv gearbeitet. "Das ist der große Unterschied zu 2019", sagt Scheuer. "Da waren wir immer wieder hektisch, wenn es uns nicht gelungen ist, frühzeitig ein Tor zu erzielen." Dahinter stecke eine Menge Arbeit von allen und das Resultat liege auch an jenen Zugängen, die eine entsprechende Siegermentalität in das Team gebracht hätten.

Asseyi selbst sagte in einem Interview, sie wolle mit ihrem Wechsel zum FC Bayern "eine neue Dimension erreichen". Das bezog sie auf die Teilnahme an der Champions League, aber auch auf die Athletik und die Härte ihres Spiels. Sollte zu Asseyis offensiver Flexibilität, zu ihrer Schnelligkeit und Abschlussstärke noch eine größere Robustheit kommen, dürfte sie sich auch in der Bundesliga als eine der gefährlichsten Spielerinnen etablieren.

Für den FC Bayern wäre es dann natürlich egal, wie Asseyi ihre Tore schießt. Es dürfen auch akrobatische sein, wie eine ihrer Direktannahmen, die 2019 zum Tor des Jahres gewählt wurde. Wer ihr bei Volleyschüssen in den Kopf komme, wollte L'Équipe in dem Videoformat noch wissen. "Ich", sagt Asseyi selbstbewusst. Und Selbstbewusstsein hat beim FC Bayern noch nie geschadet.

© SZ vom 15.11.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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