Frankfurt - Wolfsburg (15.30 Uhr):Der andere Veh

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Nicht aufgeben: Frankfurts Trainer Armin Veh bei einem Interview zum Trainingsauftakt Anfang Januar. (Foto: Frank Rumpenhorst/dpa)

Frankfurts Trainer gilt als jemand, der in der Krise aufgibt. In der Rückrunde will er seine Kritiker Lügen strafen.

Von Frank Hellmann, Frankfurt

Den Blick stur geradeaus gerichtet. Bloß nicht nach rechts schauen. Denn damit hätte Armin Veh am Freitag ja seine Ansage auf der Pressekonferenz konterkariert. Im Erdgeschoss der Frankfurter Arena, wo sich am Sonntag die Eintracht mit dem VfL Wolfsburg duelliert, hatte Veh vom Podium aus beteuert, dass er nicht auf die Tabelle schaue. Dummerweise ist gleich daneben an der Wand eine mannshohe Stecktabelle angebracht. Und auf der rangieren die Hessen so weit unten, dass der Betrachter davor in die Knie gehen müsste - und der Trainer partout nicht draufblicken mochte.

Allen stand vor der Saison der Sinn nach anderen Gefilden. Ungefähr da, wo der ambitionierte Gegner zum Rückrundenauftakt geführt wird - Wolfsburg steht auf Platz sieben. Die Eintracht auf Rang 14. Mit kargen 17 Zählern. Das ist ungefähr das Gegenteil dessen, wovon das Umfeld nach der Veh-Rückkehr geträumt hatte. Den 54-Jährigen nervt das selbst. "Wenn du zur Halbzeit 30 Punkte hast, dann ist eigentlich alles egal: wie oft du wechselst, welches System du spielst", erzählte er, "du hast einfach einen Lauf."

Die Eintracht ist lange nicht mehr in Bestform - ihr Trainer auch nicht

Einmal ist der gebürtige Augsburger an diesem Standort in so einen Lauf gekommen, zur Saison 2012/2013. Direkt nach dem Wiederaufstieg moderierte er ein hungriges Team um die begabten Talente Sebastian Rode und Sebastian Jung, den nimmermüden Kapitän Pirmin Schwegler, die früheren Zweitliga-Spieler Kevin Trapp, Takashi Inui oder Carlos Zambrano sowie den ewigen Alexander Meier direkt bis in die Europa League. Die Eintracht überwinterte vor drei Jahren - man mag es kaum glauben - tatsächlich mit 30 Punkten, direkt hinter Bayern, Leverkusen und Dortmund.

Es war, das steht inzwischen fest, auch das bisher letzte Mal, dass der Bundesliga-Trainer Veh in Bestform war. Die Folgesaison am Main verlief durchwachsen, der Belastung in drei Wettbewerben hielt der Kader nicht stand. Veh verabschiedete sich mit den Worten, die ihm lange nachhingen: nicht mehr so oft dem Gegner gratulieren zu müssen. Er ging zum VfB Stuttgart, wo es von Anfang an nicht lief. Noch während der Hinrunde warf der frühere Meistertrainer hin. Spätestens danach fragte sich die Branche, ob so einer überhaupt als Krisenmanager taugt.

Veh weiß um seinen Ruf, deshalb gibt er sich kämpferisch

Denn beim Hamburger SV gab man ihm ja im März 2011 auch den Laufpass, als sein Gesicht immer ratloser aussah. Und dann ist da noch die Episode aus der Spielzeit 2009/2010, als Veh den Meistertrainer Felix Magath beim VfL Wolfsburg beerbt hatte, doch die Erfolge unter seiner Regie ausblieben. Folge: Entlassung kurz nach Rückrundenstart vor fast genau sechs Jahren. Darauf angesprochen, schmunzelte der Coach am Freitag kurz. So sei nun einmal das Geschäft. "Der Verein war professionell geführt, ich bin mit allen gut ausgekommen. Da ist nichts hängen geblieben. Mit Dieter Hoeneß bin ich noch gut befreundet." Wenn er das so sagt, wird es wohl stimmen.

Fakt ist, dass Frankfurt derzeit einen anderen Armin Veh erlebt: kämpferischer, verbissener. Und fest entschlossen, diese Herausforderung mit all seiner Erfahrung zu meistern. Er hat seine Arbeit nach eigener Aussage umgestellt: "Ich habe ein bisschen was verändert, indem ich jetzt mehr eingreife, nicht mehr so viel delegiere." Er will zeigen: Leute, ich gehe voran. Aber: Die Vorbereitung mit dem Trainingslager in Abu Dhabi verlief letztlich nicht optimal. Denn die Testspiele hinterließen einige Frage: Beim 0:4 gegen Dortmund und 3:3 gegen Braunschweig passte die Abstimmung nicht. "Es läuft noch nicht, wie ich mir das vorstelle", räumte Veh zuletzt ein. Deswegen experimentierte er noch unter der Woche am System. Er probte ein 4-2-3-1 genau wie ein 4-4-2 mit Raute.

Zugang Huszti, sagt Veh, sei auf Anhieb eine Verstärkung

Am Sonntag wird er in Marco Russ wohl einen gelernten Innenverteidiger auf der Sechser-Position aufbieten, um Sicherheit zu gewinnen. "Er denkt mehr defensiv und kann auch besser lange Bälle abfangen." Nur bitte soll daraus niemand ableiten, dass sich die Eintracht nun am und im eigenen Strafraum verbarrikadiert. "Wir werden nicht so spielen wie gegen die Bayern oder Dortmund, als wir uns mit neun, zehn Mann vor dem eigenen Tor aufgestellt haben", kündigte Veh an.

Seine Grundausrichtung in der zweiten Halbserie sei eine eher offensive. Dort, in der Offensive, hat er im Winter die Probleme ausgemacht und nachgebessert. Zugang Marco Fabian soll auf der Zehn, der ungarische Bundesliga-Rückkehrer Szabolcs Huszti auf der Außenbahn zum Einsatz kommen. Huszti, glaubt Veh, sei ad hoc eine Verstärkung: "Er war sofort da. Er hat eine Klasse, die uns weiterhilft." Huszti, 32, hat zudem aus seiner Zeit in Hannover gute Erfahrungen mit dem VfL Wolfsburg gemacht: Im September 2012, Huszti war gerade zu 96 zurückgekehrt, gelangen ihm bei einem furiosen 4:0-Triumph beim VfL alle vier Vorlagen.

© SZ vom 24.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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